28/02/2017

Seestadt Bregenz - Ortsende
oder warum der Stadt die Zukunft (noch) nicht verbaut wurde. 

Emil Gruber berichtet in zwei Artikeln über den Stand der Dinge im Februar 2017 rund um die Planungen am Ufer des Bodensees in Vorarlberg.

Teil 1

28/02/2017

Seestadt' Richtung Zentrum, 2017

©: Emil Gruber

Seestadt' Richtung Bahnhof, 2017

©: Emil Gruber

Masterplan 'Seestadt' – 'Seequartier', 2009

©: Amt der Stadt Bregenz

Masterplan 'Seestadt' – 'Seequartier', 2009

©: Amt der Stadt Bregenz

Seestadt Bregenz' Siegerprojekt, Entwurf 1, 2010

©: ARGE Aicher, Zechner, Ludescher, Lutz

Seestadt Bregenz' Siegerprojekt, Entwurf 1, 2010

©: ARGE Aicher, Zechner, Ludescher, Lutz

Seestadt Bregenz' Siegerprojekt, Entwurf 1, 2010

©: ARGE Aicher, Zechner, Ludescher, Lutz

Seestadt Bregenz', überarbeitetes Modell, 2012

©: Prisma

Seestadt Bregenz', überarbeitete Fassade, 2012

©: Prisma

oder warum der Stadt die Zukunft (noch) nicht verbaut wurde. Teil 1

Im Jänner heurigen Jahres wurde die Umsetzung des Projekts Seestadt Bregenz nach knapp sieben Jahren Dauerdiskussion storniert. Der Verlauf dazu ist ein Lehrstück über Stadtentwicklung, wie sie nicht sein sollte. Die Begehrlichkeiten nach den immer spärlicher vorhandenen Filetstücken einer Stadt lassen Projektentwickler nicht selten auf einem wenn nicht auf beiden Augen blind vor der Wirklichkeit werden.
Kostenexplosionen und daraus sich ergebende Abweichungen von den ursprünglichen Entwürfen gehören zum Repertoire. Es entsteht ein immer trüber werdender Sud aus Halbinformationen, Beschwichtigungen und Versuchen, die Allgemeinheit mit Hilfe einer flexiblen Verantwortlichkeit der Politik vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Das Jahr 2010. Der Projektentwickler Prisma präsentierte die ersten Modelle eines von ihm ausgeschriebenen Wettbewerbs: Die Vision einer Seestadt neu verwandelte eine triste, hässliche Parkplatzfläche zu einem üppigen Einkaufszentrum, dazu Büros und exklusive Wohnungen mit Blick auf den Bodensee als Zusatzzuckerln. Das Projekt der einheimischen Architektenarbeitsgemeinschaft Aicher, Zechner, Ludescher und Lutz wurde einstimmig zum Sieger gekürt. Die Stadtregierung unter Bürgermeister Linhart war Feuer und Flamme für das Modell. Viel Kaufkraft bleibe nun vor Ort, dazu noch gute Chancen deutsche und Schweizer Einkaufstouristen nach Bregenz umzuleiten. Man ging von einem Baubeginn 2011 und einer Fertigstellung 2014 aus.
Alles schien geebnete Wege zu gehen. Aber wir wissen, bevor ein Bauprojekt in die Tiefe gehen darf, gehen manche Gegner davon in die Höhe. Es regte sich naturgemäß einmal Widerstand der Geschäftsbetreiber in der Innenstadt, besonders am Wegfall der rund 300 Parkplätze. Nicht gerade erfreut waren Eigentümer, Nutzer und vor allem Bewohner der Bahnhofstraße, denen nun ein undurchdringlicher Block vor die Nase gepfropft wurde. Es gab technische Bedenken wegen einer für 2000 Stellplätze geplanten Tiefgarage auf mehreren Ebenen, da der Untergrund des Areals sich teilweise auf Schwemmsandausläufern vom naheliegenden Bodenseeufer befindet und damit recht instabil ist. Auch den Hochwasserschutz dafür galt es zu berücksichtigen.
Konfliktpotenzial gab es auch mit einem im eigenen Sinne des Wortes mächtigen Nebenbuhler: Ein Konsortium rund um die Rhombergbau war in Planungen zur Äußeren Seestadt und zum Seequartier. Der neue Masterplan der Stadt sah für das an die potenzielle Seestadt angrenzende Bahnhofsareal eine völlige Neugestaltung inklusive einem Hotel und Kino vor. Das dahinter liegende Parkplatzgelände sollte ebenfalls neu in einem Mix aus Wohnungen, Büros, Geschäften in frischer Attraktivität wiederauferstehen.
Auch städtebaulich gab es erste zarte Anmerkungen zu den „Einkaufsschachteln“. Zwar ließen sich die offenen Flächen hin zum See am Masterplan der Seestadt besser an als die letzten größeren Bauumsetzungen in Nähe der Uferlinie in den 1980ern. Die damals errichteten, ohne auf die Fragilität des Raumes rund um den See einzugehenden Objekte sind für viele heute noch eine offene Wunde im Stadtbild.

Kurz und gut, die Realität begann an den möglichen Realitäten rasch zu knabbern. Es gab Handlungsbedarf. Der Baubeginn 2011 rückte etwas in die Ferne. Prisma ließ verlautbaren, dass die Fassadengestaltung nun gänzlich überdacht werden wird.
Der Prisma-Vorstand rauchte öffentlich mit dem Rhomberg-Vorstand die Friedenspfeife, beide beschworen eine gute statische Nachbarschaft. Die Stadt versuchte mit innovativen Ideen wie Verkürzung der Kurzparkzonenzeiten den bestehenden Handel wegen der befürchtenden Umsatzeinbußen zu beruhigen. Gleichzeitig hielt es der Wirtschaftsstadtrat durchaus für möglich, dass die Seestadt für das eine oder andere alteingesessene Geschäft das Ende bedeuten könnte.

2012 holte Prisma sich zwei „Partner auf Augenhöhe“ (Eigendefinition) von bestem Investorblut ins Boot: JDL Leasing der Familie Drexel betreibt mit dem Messepark Dornbirn das größte Einkaufszentrum Vorarlbergs. Im Portfolio der Spar European Shopping Center Gruppe befinden sich mittlerweile dreißig großformatige Konsumtempel in fünf Ländern. Dazu noch die Hypobank Vorarlberg als Finanzier. Rund hundert Millionen Investitionskosten wurden kalkuliert.
Es wurde ein überarbeitetes Modell präsentiert und der aktualisierte Baubeginn mit 2013 bekannt gegeben.
Das neue Konzept löste einiges Erstaunen aus. Die ursprünglich offenen Vorplätze wurden einer durchgehend geschlossenen Fassadeneinheit geopfert. Ein nicht unwesentlicher Grund dafür war ein großer Lebensmittelmarkt, der nun nicht wie im ursprünglichen Plan im Untergeschoß, sondern zu ebener Erde sich entfalten sollte. (Ein Schelm, wenn wer an einen der neuen Betreiber denkt). Nur: noch war keine Genehmigung für diese Variationen gegeben.
Prisma-Vorstand Ölz machte sich keine Sorgen. Sein eher lakonischer Zugang lautete, man fange trotzdem mit dem Bau 2013 an. Die zuständigen Behörden seien ohnehin grundsätzlich mit der adaptierten Lösung einverstanden. Genehmigungen dauern halt immer. Ganz im Gegenteil motivierte er seinen Projektnachbarn Rhomberg zu einem gleichzeitigen Start für die Äußere Seestadt. Der Umbau des Bahnhofs und der Verkehrsflächen als gemeinsame Schnittmenge hin zur Seestadt verlange nach Parallelitäten im Entstehen. Rhomberg lehnte ebenso lakonisch das Ansinnen ab. Solange nicht grundsätzliche Fragen wie Bahnübergang oder Unterführung beantwortet seien, könne auch keine verkehrstechnische Planung rund um den Bahnhof erfolgen.

2013 entschied sich das siegreiche Architektenkonglomerat für Arbeitsteilung. Während eine Hälfte, die Büros Aicher und Zechner, an den Bauentwürfen weiterarbeitete, konzentrierten sich Ludescher und Lutz, die mittlerweile eine Bürogemeinschaft eingegangen waren, auf den Straßenübergang. Bernhard Ölz entkräftete Gerüchte über mögliche Unstimmigkeiten unter den Planern. Die Entwürfe seien nun der Realität angepasst, reagierte er auf eine Anfrage der Vorarlberger Nachrichten.
Prisma bekräftigte nochmals den Baustart noch in diesem Jahr.

Ende Teil 1

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