18/09/2008
18/09/2008

Der Falter erscheint wöchentlich jeweils mittwochs.

Die erste Ausgabe des neue steirischen Kulturfestivals regionale endete am 13.09.2008. Das regionale08-Team und Vertreter einzelner Formate zogen am 17.09. vor versammelter Presse am Gelände der Meienfabrik Bilanz. Laut Angaben der Veranstalter haben mehr als 49.000 Menschen die rund 130 Veranstaltungen an 25 Spielorten in der Region Südoststeiermark besucht. Foto: mw

Ich habe mich in eine Plakatwand verliebt. Sie steht in Rohr an der Raab, kurz vor Feldbach, wenn man von der Autobahn kommt. Sie steht dort mitten in einem Kukuruzacker, und über den Sommer war sie eigentlich nicht zu sehen, so hoch stand der Mais, der hier gepflanzt wird, um die Stelzen und Bäuche der 300.000 Schweine der Gegend, des „Vulkanlandes“, ordentlich anschwellen zu lassen. Affichiert ist auf der Wand eines der Plakate, die eigentlich Werbung für die regionale08 machen sollten. Es zeigt die Furchen eines frisch gepflügten Ackers, in elegant-dezentem Schwarz-Weiß aufgenommen. Ich mag dieses Plakat, weil es dem monokulturellen Sterzwuchs der oststeirischen Natur eine trotzige Ästhetik der Schlichtheit entgegenstellt. Und ich mag es, weil es – ganz anders als das grelle Werbeplakat für das traditionelle „Schinkenfest“ im August, das an derselben Straße gut sichtbar auf einem Hügel aufgestellt war – seine eigentliche Funktion so gar nicht erfüllt. Ganz Keuschheit der Kunst.

Auch die regionale, das steirische Kulturfestival, dessen erste Ausgabe letzte Woche unter dem Motto „Diwan – Grenzen und Kongruenzen“ zu Ende ging, hat sich den Menschen nicht aufgedrängt, hat nicht um ihren Massenbesuch, ihren kulinarischen Konsum gebuhlt. Mag sein, dass das nicht beabsichtigt war, mag sein, dass die von den Gestaltern gewählte Schlichtheit der Werbemittel mehr aus einer oberflächlichen Designverliebtheit rührte denn aus einer ironischen Verweigerungshaltung. Ganz unsympathisch war sie jedenfalls nicht.

Kein Wunder also, dass sich die Massen gerade nicht drängten, dass in entlegeneren Ausstellungen – in Schloss Kalsdorf oder im Gerberhaus in Fehring – an schwachen Tagen gähnende Leere herrschte, dass auch einige der 130 Veranstaltungen unter Besuchermangel litten. Zu den Gesamtbesucherzahlen sagt Gerolf Wicher, der gemeinsam mit dem Designer Ali Kada für die Produktionsleitung verantwortlich zeichnete, dass man in zehn Wochen an 32 Veranstaltungsorten ein mit dem steirischen herbst vergleichbares Ergebnis erzielt habe. Der hat im Vorjahr mit einem Budget von drei Millionen Euro 44.000 Menschen in Graz angezogen – die regionale08 hatte vier Millionen zur Verfügung. Zum Vergleich: Das zweitägige Schinkenfest, ein fresskulturelles Hochamt für den lokal produzierten „Vulcano“-Schinken, hat heuer 10.000 Vulkanier nach Auersbach gelockt.

Aber an schnöden Zahlen wollte sich die regionale ohnehin nie messen. Kulturlandesrat Kurt Flecker (SPÖ), dem es zu verdanken ist, dass sich das Land vom überholten Konzept der Landesausstellungen verabschiedete und sich mit einem biennalen Kultur- und Kunstfestival auf Neuland wagte, hatte zum Auftakt gesagt, das Urteil über Erfolg oder Misserfolg werde man am Ende wohl aufgrund „subjektiver Befindlichkeiten“ fällen müssen. Aber was wollte die regionale08 eigentlich, ganz objektiv? Sie wollte jedenfalls zu viel: einen Diskurs über die Konstruktion des Orientbildes in Europa führen, das Bewusstsein für die Sorgen der ausländischen Bevölkerung in Feldbach schärfen, zeitgenössische Kunst niederschwellig und zugleich in Würde vermitteln, regionales Kunstschaffen sichtbar machen. Und – das war vor allem die Intention des künstlerischen Leiters Dieter Spath – eine neue, zeitgemäße Lesart für die „rurbane“ Riesenregion des Vulkanlandes anbieten, deren Deutungshoheit bisher in den Händen weniger Kommunalpolitiker und Tourismusgenussmanager lag.

Vorbildliche Projekte bot die regionale für jeden dieser Punkte. Aber kaum eines, das diese Punkte zu einer durchgehenden Linie verbunden hätte. Die zentrale “Diwan“-Schau über den Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall in Schloss Hainfeld geriet zur Besten aller Landesausstellungen – das soll sie gar nicht abwerten – und wurde als solche auch intensiv besucht. Mit „Hosted“ in Leitersdorf hat Mario Höber vorgeführt, wie sich Interesse für zeitgenössische Kunst und deren Distinktionspotenziale auch bei Menschen wecken lässt, die sich sonst nicht einmal einen Warhol-Poster kaufen würden. Die Tabakhütte in Ilz, die nun doch nicht abgerissen wird, die ISOP-Beratungsstelle oder die literarische „Spurenlese“ in Gosdorf, die auch nach Festivalende weitergeführt werden sollen – lauter glückliche Punktlandungen.

Diese Taktik der Nadelstiche, dieser Interventionspointilismus hat aber eines vorerst nicht erreicht: Wer das Wort Vulkanland hört, wird auch künftig eher an echte Stelzen als an Buchschwarten oder Ölschinken denken. Dieter Spath ist daher auch „extrem sauer“, weil man das schon hätte besser hinkriegen können. Wenn die Bürgermeister auch über die Gemeindegrenzen engagierter am „Bauen der Region“ mitgewirkt hätten, wenn seine Idee, alle Silos und Trafos der Region zu „branden“, umgesetzt worden wäre, wenn „der Blick von außen“, auch seiner, überhaupt ernster genommen worden wäre. Das aber hat die Struktur der regionale verhindert. Und hier muss auch dringend weitergedacht werden. Darüber, ob der Wettbewerbsmodus – die Regionen bewerben sich selbst für das Festival – wirklich schlau ist, darüber, ob der künstlerische Leiter nicht doch stärker durchgreifen können müsste. Aber auch über „Details“: Überregional wurde das Festival kaum wahrgenommen, die Nazi-Vergangenheit von Schloss Hainfeld fand nicht einmal in einer Fußnote Erwähnung, die Bus-Shuttles vor Ort wurden wenig genutzt, viele Formatleiter klagten über zu geringe Unterstützung durch das Produktionsteam.

Insgesamt aber entpuppte sich die erste regionale nicht nur als Test-, sondern auch als Glücksfall. Als tolles Testival, das jetzt für 2010 dringend zu optimieren ist. Ganz nach dem Motto „Innovation durch Irrtum“, das Michael Zinganel und die Schauspieler des Theaters im Bahnhof in „Heiße Luft“, ihrer aberwitzigen regionale- und Tourismus-Paraphrase in Bad Gleichenberg, mit Nudeln auslegten. Was nicht passieren darf, in „Heiße Luft“ aber am Ende steht: Der Formatleiter Zinganel ruft zu einem letzten Round Table über die Frage „Was bleibt?“. Nur sind die Teilnehmer leider längst abgereist.

Der Falter erscheint wöchentlich jeweils mittwochs.

Tschavgova

Wie heißt das alte Sprichwort? Aus Fehlern kann man lernen. Könnte man, müsste es im Falle der 1.Regionale 2008 heißen, denn Bilanzpressekonferenzen (bei denen sowieso alle wissen, dass vorne am Pult gelogen, schöngeredet und heiße Luft verbreitet wird) tragen zu einer Einsicht, die die Voraussetzung zur Verbesserung der Regionale2 wäre, nichts bei. Tatsächlich war die Werbung unprofessionell und nicht zielgerichtet für die regionale Bevölkerung, war das Orientierungs- und Hinweissystem, ob auf Plakaten oder lächerlich kleinen Hinweistäfelchen, auf den Aphalt am Straßenrand aufgebracht, katastrophal,waren Öffnungszeiten von Ausstellungen auch nach Monaten im Internet noch falsch eingetragen, kompetente Auskünfte kaum zu erhalten .... Schade, der Ärger über schlechte Organisation, verlorene Zeit durch Suche und leere Kilometer hat dabei die Analyse, Bewertung und Akzeptanz der Inhalte der Regionale1 fast verdrängt. Dabei wäre interessanter, über diese zu reden.

Do. 25/09/2008 10:28 Permalink
Elisabeth lechner

....mag ja ganz nett klingen.
aber, ob es wirklich so sinnvoll ist, das auffinden von orten zu einer schnitzeljagd zu machen, wo aber gar nicht wirkliche schnitzel ausgelegt sind, kann auch fürs nächste mal überdacht werden.
ein beispiel:
4 grazerinnen auf der empfohlenen eröffnungsroute im eigenen pkw unterwegs.
erste etappe walkersdorf, zentrum der welt, eine installation im kunstzentrum walkersdorf. ausgerüstet mit dem falterartikel machen wir uns auf die suche. bei der ortstafel walkersdorf stehen wir das erste mal, keine hinweise zu sehen, wir lesen im falter nach, da steht ja was von ottendorf, also biegen wir dorthin ab, gleich fragen wir einen passanten, wo denn die regionale 08 veranstaltung hier sei? er fragt, ob wir die evita meinen, dazu sei er eigens aus augsburg angereist, nein, die meinen wir nicht. von der regionale und diwan ....hat der nichts gehört. eva meint, fahren wir bis zur kirche, dort werden wir schon richtig sein, bzw. einen hinweis finden. dort findet sich nur ein geschlossenens infobüro. wieder fragen wir einen passanten, der weiß auch nichts von regionale und ausstellungseröffnng in walkersdorf, wir legen nach, das sei ein kunstzentrum in walkersdorf, kennt er nicht. nach längerem nachdenken meint er, es gäbe nur ein haus, das etwas mit kunst zu tun habe und da müssen wir wieder zurück. wir denken schon, er empfiehlt uns eine keramikerin oder dergleichen. also fragen wir in einem cafehaus nach. der wirt und auch die zwei gäste haben keine ahnung, was diese regionale 08 denn sei. wir erklären, das festival ganz kurz hammer purgstall, nachfolge von landesausstellung, viele orte sind dabei.... der wirt: ich hab mich eh gewundert, dass mich unlängst die aus straden auf unser tolles festival angeredet haben und ich weiß von nichts. alle finden das mit der nichtinformation eigentlich arg, denn das wär ja auch was für die touristen und überhaupt für alle. der wirt hat die idee beim bürgermeister anzurufen. der hebt nicht ab. dann eine 2. nummer, auch dort weiß man nichts. es kommt der wirtssohn, der weiß wiederum einen, der, wenn es was mit kunst zu tun hat, wahrscheinlich was wissen könnte. treffer- wir müssen zurück, über die hauptstraße drüber den berg hinauf. der wirt will sich gleich am montag beim bürgermeister beschweren, wieso er nichts weiß und wieso er kein infomaterial zum verteilen an gäste hat.
zurück im auto haben wir echten spass, lachen uns fast schief und denken das motto karawane hat was, denn wir fühlen uns wie auf einer karawane in der wüste, ziemlich ohne orientierung. einige unserer vorurteile von abgehobenheit haben leider schon nahrung bekommen.
wieder zurück an der kreuzung schauen wir, wo wir denn das hinweisschild beim ersten mal übersehen haben. dreimal müssen wir im schilderwald suchen, bis wir abgewandt zur richtung hauptstraße zwischen anderen schildern untergehend ein winzig kleines regionale symbol erkennen. na bitte. wer sagt´s denn, ist ja doch beschildert aber wie.( jetzt weiß ich warum so klein, weil man nicht um massen buhlen will) wir fahren weiter und dann helfen uns doch glatt bodenmarkierungen weiter. wir reden mit der sehr engagierten leiterin des kunstzentrums, selbst künstlerin (cym) über das thema abgehobenheit, einbindung der bevölkerung etc.... und sie erzählt uns von der vollen begeisterung beim musical evita, das im dorf aufgeführt wird.

Fr. 19/09/2008 3:43 Permalink
Architekt Szedonja

Mir ging es in diesem Sommer ähnlich wie der Elisabeth Lechner- leider öfter nur:
Schnitzeljagd ohne Ablaufdatum: Dachte ich beim ersten Mal in Hainburg noch, dass es sich schon geben wird, war es das zweite Mal schon peinlicher, als am Eröffnungstag mit Freunden aus Wien zwar die Grazer Kulturschickeria (mit Bus angereist und Prosecco-feiernd sich dem schwierigen tag ergab), war NIEMAND da, der auch nur ein bißchen Auskunft hätte geben können.
in Ilz war es dann zwei Wochen später sehr bemüht (ich gebe ja zu, es war Samstag mittag und heiss)- aber leider die Tonanlage mußte noch enigestellt werden, denn sie hatte noch nie so richtig funktioniert, mehr konnte man mir da auch nicht sagen.
In Gosdorf war dann nur das gemähte Maisfeld (ähnlich schwer zu finden, wie im Text vor beschrieben), wieder mußte ich mich vor mehreren Freuden - diesmal aus Salzburg, die auf dem Weg zurück waren, und denen ich vorgeschwärmt hatte wie toll es denn sei, dass endlich auch in der Südoststeioermark diese Art von Kultur Einzug fände... Naja was denn da wie los sei konnte auch nach längerem Nachfragen Niemand erklären.
Im Pavelhaus in Laafeld war dreimal zugesperrt (von außen kann man wenigstens dort auch etwas erahnen),und als ich vor über einem Monat in Feldbach vorbeischaute und versuchte mein Leid zu klagen gab man mir recht, "ja das habe man schon öfter gehört, leider.."
Nein es war ja toll, zumindest einmal war in Hainfeld die Führerin sehr bemüht und wollte auch unbedingt mehr erzählen, was denn da noch so toll alles sei, mit den Kindern insbesonders und die Aktionen rund um die Fotoausstellung und sooo viele Besucher wie da immer wären (außer dem Tone Fink und seiner Begleitung und zwei weiteren besuchern war aber an diesem Vormittag wohl niemand dort).
Ist es abgehoben, wenn man fragen darf, ob das "elitäre" Kunst ist- haben Sozialisten und besonders K. Flecker nicht anderes gewollt?
Eigentlich bin ich ja froh, dass nicht auf den Leserbriefseiten der "Krone" über die Ausstellung diskutiert wird, aber das wäre bereits zuviel der Ehre in diesem Fall.
Eine leider ein bisschen vertane Chance, wenn man auch weiss mit welchen Budgetmitteln sonst Kulturgruppen in dieser Region abgespeist werden und wie sie sich durchfretten müssen.
Nicht nur Schnitzeljagd ohne Schnitzel, nein sondern nur "reine Kunst"- ohne Künstler-ohne Besucher-ohne irgend etwas, doch auch schön- wenn nicht einmal bemerkt wird wann es aus ist-
Die Plakate waren schön, aber die sind von den Wahlplakaten bereits überpickt, Gleichenberg, Fehring, Leitersdorf und Gosdorf wird man wohl wegen anderer Dinge in Erinnerung behalten-leider.
Viel Glück beim nächsten Versuch!

Mo. 22/09/2008 6:34 Permalink
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