31/03/2014

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31/03/2014

Zur steirischen Förderungspolitik im Energiebereich

©: Georg Schrutka
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Förderungen, exakter Subventionen, sind ein Mittel des Staates um politische Ziele gegen die Entwicklung des freien Marktes durchzusetzen - sie sind gewissermaßen ein Medikament für diesen. Wie in der Humanmedizin wird dabei von außen in ein komplexes System, das bei weitem nicht vollständig verstanden ist, eingegriffen und es können Nebenwirkungen auftreten. Einige dieser Nebenwirkungen der steirischen Förderungspolitik im Bereich des Bauens möchte dieser Artikel aufspüren.

Der aktuellen Maxime der Nachhaltigkeit folgend, werden die Produktion sauberer Energie, sowie eine Reduzierung des Energiebedarfs bei Gebäuden angestrebt. Das eindimensionale Verständnis von Nachhaltigkeit im Sinne einer Energiebilanz verstellt jedoch den Blick auf Aspekte der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Bei der Vergabe von Subventionen wäre die Möglichkeit gegeben, über den Tellerrand eines Energieausweises hinauszusehen und weitere Qualitäten zu berücksichtigen, was zum Teil über die Vergabe von Ökopunkten versucht wird.

Der Energieausweis bildet die quasi gesetzliche Grundlage für Um- und Neubauten, ob diese förderungswürdig sind oder nicht. Er weist neben dem Heizwärmebedarf eines Gebäudes auch den Primärenergiebedarf - die zum Betrieb notwendige Energie samt ihrer Vorkette zur Erzeugung - aus. Die Mittel, die eingesetzt werden müssen, um den angestrebten Standard zu erreichen, werden vom Energieausweis nicht berücksichtigt, er stellt ein Instrument dar, das auf die Senkung der Betriebsenergie abzielt.
Je weiter der Energiebedarf gesenkt wird, desto mehr muss allerdings die Frage der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen, wie zum Beispiel die Kosten für Dämmung, gestellt werden. Wenn grob vereinfacht angenommen wird, dass Dämmstoffkosten, da Rohmaterialkosten und manuelle Arbeitsleistungen wohl äußerst gering ausfallen, den Energieaufwand der Produktion repräsentieren, kann die Wirtschaftlichkeit einer Dämmmaßnahme Rückschlüsse auf ihre ökologische Sinnhaftigkeit zulassen. Das wird spätestens dann ersichtlich, wenn statt einer Kerze als Heizung nur mehr eine halbe brennen, dafür aber die ohnehin schon dicke Dämmung verdoppelt werden muss.
Dieser Break-Even-Punkt existiert in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht und muss Gegenstand des Diskurses werden. Baumschlager Eberle zeigten in Lustenau eindrucksvoll, dass sich niedrigster Energieverbrauch mit Low-Tech, sowohl im Bereich der Gebäudetechnik, als auch im Bereich der Konstruktion, erreichen lässt (Bürohaus 2226; Anm. d. Red.). Eine nicht nur vordergründig ökologische Betrachtung muss neben dem Energiebedarf des Gebäudes im Betrieb, auch jenen zur Errichtung, Erhaltung und Wiederverwertung mit einbeziehen.

Was bei Förderungen, die auf den Energiebedarf eines Gebäudes abzielen, außer Acht gelassen wird, nämlich die architektonische Nachhaltigkeit, also eine Miteinbeziehung von gestalterischen Qualitäten, wird bei der Photovoltaik-Förderung zumindest im Ansatz versucht. Hier werden gebäudeintegrierte Anlagen stärker subventioniert als freistehende oder Aufdachanlagen. Ist das auch keine Garantie für eine gelungene Einbindung von Photovoltaikanlagen in Architektur, so zeigt es doch einen gewissen Gestaltungswillen seitens der Politik.

Generell fällt auf, dass Förderungen stark auf Einzelobjekte zugeschnitten sind, obwohl die Zersiedelung in der Steiermark ein Problem darstellt, welches auch ökologische Auswirkungen hat. Das prototypische geförderte Haus ist ein Einfamilienhaus aus den 60er und 70er Jahren, das mittels Wärmedämmverbundsystem energetisch saniert wird und auf dessen Dach einige Quadratmeter Photovoltaikmodule ihren Beitrag zur Ökostrombilanz leisten. Aspekte wie Individualverkehr, in solchen Haushalten gelten zwei Autos als Standard, notwendige Infrastruktur, schon jetzt sind viele Gemeinden mit den Kosten überfordert, oder Abwanderungen aus Ortskernen werden schlichtweg negiert.

Es ist kein Zufall, dass Energieausweise aussehen wie Energie-Label auf Elektrogeräten, sie implizieren damit eine Technisierung von Gebäuden. Auch viele Förderungen tragen dazu bei, ein Bild vom Haus als Maschine zu prägen. Hier werden Parallelen zu den Heilsversprechungen der Moderne sichtbar. Sollten die Wohnmaschinen der Moderne noch soziale Probleme lösen, so versprechen die heutigen Maschinenhäuser durch enormen technologischen Aufwand ökologische Probleme in den Griff zu bekommen. Diese maschinelle Betrachtung birgt die Gefahr, Gebäude als solitär funktionierende Objekte zu begreifen und den notwendigen Blick auf die Auswirkungen eines gebauten Hauses auf seine Umwelt zu verlieren.

Eine Zuwendung zum Systemdenken in der Förderungspolitik wäre wünschenswert und könnte einen Beitrag dazu leisten, dieses auch im allgemeinen Bewusstsein zu verankern. Planer müssen unterschiedlichste Aspekte beachten und es muss klar sein, niemals nur ein Haus zu errichten, sondern damit in ein Feld von komplexen Zusammenhängen, hoffentlich verbessernd, einzugreifen.

Weiters fällt auf, dass in einem Artikel über Förderungspolitik mehr über Bauen, denn über Architektur geschrieben wird. Auch das kann als Folge der Nebenwirkung Maschinenhaus verstanden werden und schmerzt im Kontext eines Architekturmagazins besonders. Hier sind Architekturschaffende speziell gefordert, ihre Kompetenzen im Systemdenken unter Beweis zu stellen und darauf hin zu arbeiten, den Menschen Architektur als nachhaltige Qualität näherzubringen.

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