23/03/2010
23/03/2010

Podiumsgäste bei der Diskussion im HDA Graz waren (v. li.): DI Richard Resch (Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Raumordnung), DI Hans-Jochen Wigand (Mitglied des Raumordnungsausschusses der AIK), Architekt Bernhard Steger (Moderation; Vorstandsmitglied der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur), HR.in Mag.a Andrea Teschinegg (Leiterin der Fachabteilung 13B – Bau-/Raumplanung) und DI Gerald Fuxjäger (Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten).

DI Richard Resch

DI Hans-Jochen Wigand (Mitglied des Raumordnungsausschusses der AIK)

Architekt Bernhard Steger, Moderation

HR.in Mag.a Andrea Teschinegg

DI Gerald Fuxjäger. Fotos: Florian Lierzer

Anlässlich des bevorstehenden Beschlusses des neuen Raumordnungsgesetzes im steirischen Landtag veranstaltete das HDA Graz mit der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten und der ZV Steiermark am 18. März im Haus der Architektur eine Diskussionsveranstaltung zum Thema. Am Podium waren DI Gerald Fuxjäger (Präsident der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten), DI Richard Resch (Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Raumordnung), HR.in Mag.a Andrea Teschinegg (Leiterin der Fachabteilung 13B – Bau-/Raumplanung) und DI Hans-Jochen Wigand (Mitglied des Raumordnungsausschusses der AIK). Moderiert wurde der Abend von Architekt Bernhard Steger (Vorstandsmitglied der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur).

Die Diskussionsrunde stand unter dem Eindruck eines längst überfälligen öffentlichen Diskurses. Andrea Teschinegg hätte diese jedoch am liebsten erst nach dem Gesetzesbeschluss abgehalten, also frühestens in zwei Wochen. Dies auch mit dem Argument, dass bis zum Zeitpunkt des Beschlusses die letztgültige Gesetzesfassung nicht einmal ihr vorliegt.

Der Umstand der fehlenden Diskussion und Information wurde wiederholt von mehreren Seiten angemerkt. Hans-Jochen Wigand und Richard Resch kritisierten zudem den Ablauf zur Gesetzesbildung und damit auch den Kommunikationsfluss. Denn nach der Abgabe der Begutachtung zur Gesetzesvorlage durch den Kammerausschuss im Mai 2008 gab es keinerlei Möglichkeiten zur weiteren aktiven Mitgestaltung und keine Einbindung der Kammer in den Unterausschuss des Landes. Dort wurde das Gesetz schließlich ausverhandelt, um in Folge im Landtag beschlossen zu werden. „Das ist Demokratie, so entstehen Gesetze“, sachlich betrachtet ist laut Juristin Andrea Teschinegg „jedes Gesetz eine Form eines Kompromisses.“ Damit zeigte sich bei der Diskussion sehr schnell, dass die politische Verantwortlichkeit als Ansprechpartner nicht nur am Podium fehlte. Und Gerhard Fuxjäger sprach an diesem Abend den Wunsch vieler aus: Das Raumordnungsgesetz solle „aus technischer und wirtschaftlicher Sicht angepackt, vereinfacht, logischer und verständlicher gemacht werden und nicht noch juristischer und politischer.“ Schließlich gibt es von Seiten der Raumplaner ja eine große Bereitschaft, ihr Know-how, wie bereits in der Vergangenheit, auch weiterhin gratis zur Verfügung zu stellen – eine Tatsache, die politisch nicht honoriert wurde.

Als wesentliche Motive zur Entstehung des neuen Gesetzes nannte Andrea Teschinegg in erster Linie die Bereinigung des Konvoluts an Novellen, die sich angesammelt haben und das Ziel, die Verfahren, vor allem unter dem Aspekt der Kostensenkung für die Gemeinden, zu vereinfachen. Dementsprechend ist einer der wichtigsten Eckpfeiler die Verlängerung des Revisionszeitraumes von fünf auf zehn Jahre. Dabei ist sich die Behörde scheinbar der Tatsache bewusst, dass es zu mehr Änderungen von Flächenwidmungsplänen innerhalb des Zeitraumes kommen wird, die sich nicht negativ auf die potenziellen finanziellen Einsparungen für die Gemeinden auswirken werden. Die Gemeinden haben damit die Möglichkeit, zusätzlich anfallende Planungskosten auch zu regressieren.
Gerhard Fuxjäger rechnete hierzu vor, dass die Revisionskosten des Flächenwidmungsplanes und des örtlichen Entwicklungskonzepts ca. 30.000 bis 40.000 Euro betragen und damit bei einer bisherigen durchschnittlichen Revisionszeit von sechs bis sieben Jahren die Gemeinden weit unter 10.000 Euro pro Jahr liegen. Richard Resch fügte hinzu, dass mit einer ernstzunehmenden Raumplanung die Einsparung ein Vielfaches davon ausmachen könnte, denn „wir werden, das sagen alle Prognosen und Szenarien, es auch in der Zukunft mit einer deutlichen Verschärfung der Situation zu tun haben, mit einer Siedlungs- und Wirtschaftskonzentration auf den Ballungsgroßraum Graz. Wir werden zukünftig noch mehr zu kämpfen haben mit Stagnationen und Entsiedelung von kleineren Gemeinden, vor allem in den seitlichen Berglagen und im inneralpinen Gebiet. Wir werden uns weiterhin herumschlagen müssen mit steigenden Infrastrukturkosten und sinkenden öffentlichen Haushaltszahlen.“

Der wegweisende Blick über den Tellerrand der Steiermark und Österreichs fehlte im Entstehungsprozess des neuen Raumordnungsgesetzes ebenso wie „der große Wurf“ bzw. „die Aufbruchstimmung für das 21. Jahrhundert“. Es fehlen Bestrebungen, die Bundesebene zu stärken, wie in der Schweiz bereits begonnen, oder das stärkere Herausarbeiten logischer Verknüpfungen von Klimaschutz, Raum- und Verkehrsentwicklung, wie etwa in Südtirol. So sind die Raumordnungsgrundsätze, genauso wie die von Bernhard Steger zitierten „Baupolitischen Leitsätze“ des Landes Steiermark, weiterhin ein schönes Palaver – mehr nicht. Das Bekenntnis des Landes Steiermark zur Baukultur, die „in ihren Ausprägungen von Raumordnung, Städteplanung, Architektur, Nachhaltigkeit und Lebensqualität ein übergeordnetes Prinzip der Landesregierung darstellt“, lässt sich im neuen Raumordnungsgesetz nicht erkennen.
Die dezidierte Begriffsdefinition der Raumordnungsgrundsätze sowie deren Verankerung in den einzelnen Paragraphen fehlen schlichtweg. So werden zum Beispiel die „Klimaschutzziele“ nur ein einziges Mal ohne weitere Erläuterung erwähnt. Die Anwendung in der Praxis ist damit kaum zu erwarten.

Der Punkt „Vermeidung der Zersiedelung in der Landschaft“ werde durch das Auffüllungsgebiet im Freiland weiterhin konterkariert, so der gemeinsame Tenor derer, die sich gegen die Auffüllungsregelung aussprachen. Daran konnte auch Andrea Teschinegg nichts ändern, die mehrfach betonte, dass diese restriktive Regelung nicht neu, sondern eine Ausnahmeregelung sei und die Kriterien wesentlich strenger verfasst würden – mit Ausnahme der Drei-Häuser-Regelung (sic!) – und die Aufsichtsbehörde, wie in der Vergangenheit, sorgsam und achtsam damit umgehen werde. Die Rechtfertigungsversuche aus dem historischen Kontext heraus mündeten schließlich in eine Diskussion über den Druck, dem die einzelnen Bürgermeister in den Gemeinden ausgesetzt sind. Der anschließende Diskurs mit dem Publikum reichte vom fehlenden Verständnis für die Raumplanung bei den Bürgern, von der Verantwortung der Planer und der rückgratlosen Planung in der Vergangenheit, vom wirtschaftlichen Druck, der auf Planern lastet bis hin zur Frage, ob es richtig sei, dass Raumplanung in den Gemeindeautonomien enthalten ist und ob nicht der Instanzenzug generell zu überdenken wäre.

In Anbetracht dessen, dass sehr viele Punkte offen blieben und es die Zukunft weisen wird, wie lange dieses Gesetz wirklich Bestand hat, können wir nur auf eine bessere Kommunikationsstruktur, eine zeitgemäße Beteiligungsform mit breiter Diskussion und aktiver Partizipation, wie sie Richard Resch fordert, warten und auf ein restriktiveres Klimaschutzgesetz von Bund oder Land hoffen.

HINWEIS:
Der Gesetzesbeschluss (Tagesordnungspunkt 26) kann am 23. März via Live-Stream über die Homepage des Landtags Steiermark verfolgt werden: http://www.landtag.steiermark.at

Verfasser/in:
Petra Kickenweitz, Nachlese
Georg Dornhofer

Dieses Gesetz scheint eine ähnliche Zeit- und Geldvernichtung zu sein wie das Anti-Raucher-Gesetz.
Das Schlimme dabei ist, dass nachfolgende Generationen noch viel stärker davon betroffen sein werden (die werden nämlich dafür bezahlen müssen).
Das LR Wegscheider beim Alpbach-Forum in Tirol in Bezug auf Zersiedelung von „Schadensbegrenzung“ spricht und das versucht wird der Zersiedelung mittels Förderungsverteilung (z.B.: Wohnbauförderung) entgegenzusteuern ist hochproblematisch.
Ich schließe mich Richard Resch an der gebeten hat über den Tellerrand zu schauen; die Schweiz oder die Bayern machen es anscheinend besser (soweit ich weiß werden die auch demokratisch regiert).
Es braucht klare eindeutige Gesetze und Richtlinien welche Regulierend und Einschränkend der Zersiedelung entgegensteuern.
Ein Gesetz, welches zuviel Interpretationspielraum offen lässt dient den Juristen und der Geschäftemacherei aufkosten der Raumplanung.

Di. 23/03/2010 11:06 Permalink
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