19/01/2016

Privatissimum vom Grilj


Jeden 3. Dienstag im Monat

Zur Person
Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

19/01/2016
©: Mathias Grilj

Hoffnung braucht man
nicht zu kaufen.
Volksmund

Vielleicht warst du
wirklich begehrenswert.
Michel Houellebecq

Zum Kauf gehören
immer zwei.
Volksmund

Crambe repetitia!
Juvenal

Die gescheitesten Hähne werden
auch von den Füchsen gefressen.
Volksmund

Ich bin dümmer, als ich eingestehe

Ich will nicht wandern, ich will nur einen Liter Milch. Doch weil im Supermarkt die Grundnahrung ganz hinten lagert, wird es ein weiter Weg – und ein Lehrgang durch die Verkaufs-Psychologie. Im Anfang war das Obst, frisch und fein gespiegelt, in Hawai-Licht getaucht. Das macht Urlaubsstimmung und drosselt das Tempo meiner Schritte. Man soll ja nicht zur Kühltruhe rasen, sondern sich der Verführung des raffinierten Marketings hingeben. Das hält uns viel bereit.
In den Schluchten der Wünsche liegen links die teuren Waren – wie auch die ganze Reise durch den Laden gegen den Uhrzeigersinn geht. Wir alle, auch die Rechtsradikalen, sind nämlich links ausgerichtet. Die Psychologen sagen: Setzte man uns in der Wüste aus, zöge sogar der Rechte linke Kreise. Ein aparter Gedanke, aber er taugt nur für das Geschäft. Und die Fachleute haben auch die Erkenntnis ertastet, dass Kundinnen jede Ware sofort ins Regal zurückstellen, wenn sie im Gedränge mit dem Wagerl am Hintern angestippst werden.
Um diesen „ass-brush factor“ zu mindern, müssen die Gänge also breit genug sein. Doch nicht zu breit, sonst senkt die Kundschaft den Blick und gibt Tempo. Hübsch langsam weiter und dabei begehrlich werden! Stets steht das Teure in Blick- und in Griffhöhe, für Billiges muss man sich bücken. Und riskiert das mit der oben erwähnten Hinternberührung.
Dann kommt auch schon das Rotlichtviertel: Fleisch und Wurst. Im weißen Licht sähe alles fahl aus, zum Kotzen, noch ehe es gegessen ist. Zudem fällt das Licht schräg ein, so werfen selbst dünne Filetscheiben satte Schatten.
In der „Quengelzone“ der Kassa-Zielgeraden arbeitet das Kapital dann Hand in Hand mit den verzogenen Kindern: Hier kostet der Schokoriegel soviel wie hinten im Laden ein Dreierpack. Die entnervte Mama ist zu feig, um nein zu sagen. Und ich, der tapfere und strenge Alte, wenn alle Blicke auf einmal auf mir sind? Nach 20 Minuten bin ich draußen, entspreche dem statistischen Schnitt und habe folglich 18,90 Euro ausgegeben. Aber natürlich die Milch vergessen.
Zurück also in den Parcours der Begierde, wo alles Wissen um Verkaufstricks wieder einmal nicht geholfen hat.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+