24/05/2023

Der neue Fördertopf der Stadt Graz für Beteiligungsprojekte ermöglicht es in Andritz eine konkrete Umgestaltung des öffentlichen Raumes mit Bürger*innenbeteiligung durchzuführen.

24/05/2023

Termin 1 - Gestaltungskaffee

©: wohnlabor

Termin 1 - Gestaltungskaffee

©: Studio Magic

Termin 2 - Präsentation Hauptplatz

©: Studio Magic

Termin 2 - Präsentation Hauptplatz

©: Studio Magic

„Transformation braucht Engagement, Engagement braucht Raum“ (1)

Eine entscheidende Eigenschaft von Räumen, die es ermöglicht, sich aktiv für ihre Mitgestaltung und Mitbestimmung von unten (bottom-up) einzusetzen, ist die öffentliche, niederschwellige und demokratische Zugänglichkeit.
Der Hauptplatz in Andritz, ein öffentlicher Platz, an dem Verkehrsströme überlagert mit Wegen des täglichen Bedarfes sowie der Freizeit zusammenlaufen, ist ein solcher Ort. Im Rahmen des Kulturjahres 2020 fand dort - pandemiebedingt erst im Jahr darauf  - eine künstlerische Intervention mit dem Titel „Platzen“ statt, die es sich zum Ziel setzte, die Wünsche der Andritzer*innen an ihren Hauptplatz weithin sichtbar zu machen. Passant*innen deponierten während der einwöchigen Aktion ihre Anliegen und malten sie auf bunte Schilder, die dann auf einem fünf Meter hohen Turm angeschraubt wurden. Dieses Kunstprojekt des Architekten Andreas Lang (public works, London) und des Architekturkollektivs Studio Magic (Graz – Wien – Innsbruck) wurde als eines von vier Teilprojekten des Gesamtkonzeptes „Normal x4“ umgesetzt, das die Wiener Urbanist*innen und Architekt*innen Barbara Holub und Paul Rajakovics (transparadiso) konzeptioniert und kuratiert hatten. In allen vier Teilprojekten ging es darum, den Fokus ausnahmsweise vom Zentrum der Stadt auf die peripheren Bezirke und die Bedürfnisse der dort ansässigen Bewohner*innen an ihre öffentlichen Räume zu richten.

Kontinuität

In Andritz fanden die Akteur*innen von public works und Studio Magic im Zuge des Projektes auch Anknüpfungspunkte bei aktiven Bürger*innen, die sich wichtiger Themen in ihrem Bezirk annehmen, und wurden bei den Vorbereitungen und Durchführung von benachbarten Gewerbetreibenden, den Marktbeschicker*innen und dem damaligen Bezirksvorsteher Johannes Obenaus tatkräftig unterstützt. Die Ambition, sich mit den Wünschen der Andritzer*innen an ihren Hauptplatz im Zuge dieser künstlerischen Intervention auseinanderzusetzen, ist größer als der Rahmen, den das gedeckelte Förderbudget erlaubt. Obwohl es so viel zu besprechen gäbe, endet die Interaktion mit den Bürger*innen vor Ort aufgrund der finanziellen Einschränkungen nach einer Woche. Mit dem zur Verfügung stehenden Budget müssen nicht nur die Aktion am Hauptplatz selbst, sondern auch Vorbereitungsarbeiten, Material und die Dokumentation der Inputs und Erkenntnisse mittels Ausstellung und Publikation umgesetzt werden. Dennoch gelingt es in dieser kurzen Zeit, die Weichen für eine künftige Zusammenarbeit in Andritz zu stellen. Der Obmann der später gegründeten Initiative Lebenswertes Andritz, Richard Hummelbrunner, seine Stellvertreterin Brigitte Steingruber und weitere Mitglieder haben sich 2021 im Rahmen des Kunstprojektes intensiv beteiligt und daraufhin ihre Arbeit mit neuem Schwung wiederaufgenommen und sogar intensiviert. Es ist ihrer motivierten ehrenamtlichen Tätigkeit zu verdanken, dass es im heurigen Jahr zu einer professionellen Weiterbearbeitung drängender Themen und Forderungen rund um den Andritzer Hauptplatz kommt. Nach wiederholten Gesprächen mit dem Büro der Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, der Stadtbaudirektion und dem Stadtplanungsamt sollen in zwei Bereichen am Hauptplatz neue Sitzmöblierungen inklusive Beschattung dauerhaft umgesetzt werden.

Bürger*innenbeteiligung

Um die Bedürfnisse der Bürger*innen in diesem Zusammenhang aufzunehmen, regt der Leiter des Stadtplanungsamtes DI Bernhard Inninger bei Vorgesprächen die Durchführung eines Beteiligungsprozesses an, der Grundlagen für Planung und Umsetzung der neuen Möblierung liefern soll. Dieser Prozess wird aus einem erst kürzlich für die Durchführung partizipativer Prozesse eingerichteten Fördertopf finanziert. Der entsprechende Antrag ist Mitte März vom Stadtsenat nach vorangegangener fachlicher Prüfung bewilligt worden. Die Antragsteller*in ist die Initiative Lebenswertes Andritz, die mit Studio Magic als Kooperationspartner*in zusammenarbeitet. So kann die begonnene Arbeit von vor zwei Jahren fortgesetzt und inhaltlich vertieft werden, um Kontinuität zu schaffen und darüber hinaus konkrete Ergebnisse in Form einer neuen Möblierung auf dem Andritzer Hauptplatz zu entwickeln.
Studio Magic bringen hierbei speziell ihre Erfahrung in der Umsetzung räumlicher Interventionen im Selbstbau mit Teilnehmer*innen aus der Bevölkerung ein, und arbeiten bei Konzeptionierung und Moderation der ersten beiden von insgesamt drei Beteiligungsstufen mit dem Team von wohnlabor (Graz) zusammen. Ziel des Prozesses ist, die Bedürfnisse und Ansprüche der Andritzer*innen für mehr Aufenthaltsqualität auf ihrem Hauptplatz zu sammeln, umfassend zu besprechen, und über eine Dokumentation sichtbar zu machen, die mit den Planungsinstanzen der Stadt weiterbearbeitet werden soll.
Die Bewohner*innen von Andritz sind bisher bei zwei Terminen (Mitte März und Anfang April) dazu eingeladen worden, ihre Vorstellungen für mehr Aufenthaltsqualität am Hauptplatz zu formulieren und die Auswertung der Ergebnisse öffentlich zu besprechen. Beim ersten Arbeitstreffen nahmen 16 Andritzer*innen unterschiedlichen Alters teil und brachten vielschichtige Themen ein, die im Zuge der öffentlichen Präsentation beim zweiten Termin in Gesprächen mit nahezu 100 Passant*innen vertieft wurden.
Beim dritten Termin am ersten und zweiten Juni können sie diese Forderungen beim gemeinsamen Bau der Eins-zu-Eins Modelle für die neue Sitzmöblierung mit dem Team von Studio Magic selbst umsetzen.

Aufforderung an die Stadtplanung

Die nachfolgende Testphase dieser Prototypen dient dazu, Feedback und bei Bedarf Verbesserungsvorschläge geben zu können. Diese inklusive Herangehensweise in Form der professionell begleiteten Bürger*innenbeteiligung liefert eine solide Grundlage, die inhaltlich zum Teil weit über die hier zentral behandelten Sitzgelegenheiten hinausgeht. Das lässt sich nach der Auswertung aus den ersten beiden Terminen schon deutlich erkennen. Die selbstgebauten Möbel sind vielleicht nur ein erster Schritt, um den Raum selbst in die Hand zu nehmen.
Am Ende des Beteiligungsprozesses werden die Probemöbel und die Dokumentation aller drei Phasen eine umfassende Aufforderung an die Stadtplanung sein, die Ergebnisse ernsthaft aufzugreifen und in ihre Arbeit einfließen zu lassen. Wie weit die Bereitschaft und die Möglichkeiten seitens der Stadt gehen, die aufgezeigten Ideen und Qualitäten der Prototypen bei der dauerhaften neuen Möblierung umzusetzen, lässt sich zurzeit noch nicht abschätzen. Es bleibt zu hoffen, dass sich im Rahmen dieses und weiterer geförderter Beteiligungsprojekte hier und in anderen Bezirken eine offene und konstruktive Gesprächsbasis mit der Stadtplanung etablieren lässt. Das geht nur gemeinsam, abseits politischer Querelen, und mit dem allseitigen Willen, offen, gesprächsbereit und konstruktiv (mit-)zuarbeiten.

Quellen_____
(1) Nies, Martina; Ahaus, Björn: Transformation von unten gestalten – Das Fachgeschäft für Stadtwandel als Ort des Sozial-Ökologischen Wandels im Quartier, in: dérive Nr 85 Okt – Dez 2021  Strategien des Wandels, Wien, 2021

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