01/12/2008
01/12/2008

Das nachfolgende Schreiben wurde an alle 56 steirischen Landtagsabgeordneten verschickt und am 20.11.2008 an die 67 BürgermeisterInnen der steirischen Ortsbildgemeinden und die in diesen Gemeinden bestellten Ortsbildsachverständigen mit der Einladung, diesen Appell durch ihre Unterschrift zu unterstützen, ausgesandt. Bis dato haben 711 Steirerinnen und Steirer, darunter viele Bürgermeister, ihre Unterstützung durch die Eintragung in Unterschriftenlisten, die in der gemeinsamen Geschäftsstelle der Ortsbildkommission und Altstadtsachverständigenkommission aufliegen, bekundet. Diese Unterschriften werden morgen den Mitgliedern des Finanzausschusses im Landtag übergeben.

Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete!
Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter!

Wie zahlreichen Berichten in steirischen Medien zu entnehmen ist und fast täglich von betroffenen Einzelpersonen, Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von baukulturell engagierten Vereinen an uns herangetragen wird, sieht der dem Landtag Steiermark durch die Steiermärkische Landesregierung vorgelegte Landesvoranschlag 2009/2010 für den seit 25 Jahren auf Grundlage der „Charta von Venedig“ und im Sinne der „Alpenkonvention“ eingerichteten „Revitalisierungsfonds für historisch bedeutsame Baudenkmäler“ eine Dotierung von jährlich exakt 100 Euro (in Worten: einhundert Euro) vor.

In diesem vergangenen Vierteljahrhundert wurden insgesamt rund 100 Millionen Euro aus Landesmitteln für die Revitalisierung von rund 5.000 historisch bedeutsamen Baudenkmälern in steirischen Gemeinden – von zum Weltkulturerbe zählenden, herausragenden Baudenkmälern bis hin zu „unspektakulären“ kulturgeschichtlichen Zeugnissen von lokaler Bedeutung in historischen Zentren und in Randlagen – eingesetzt. Diese 100 Millionen Euro lösten nach Berechnungen der Bauwirtschaft Investitionen von zumindest 600 Millionen Euro als Primäreffekt aus.

Die darüber hinaus gehenden Effekte für Wirtschaft, Tourismus und den Lebensstandort Steiermark lassen sich mangels wissenschaftlicher Aufarbeitungen nur abschätzen, allein die Fakten treffen eine klare Aussage: mit den dargestellten Mitteln wurde neben den besonders repräsentativen und jährlich als „Steirische Wahrzeichen“ ausgezeichneten Revitalisierungsfällen auch eine (überwiegende) Vielzahl an beispielhaften „anonymen Architekturen“ durch Kleinstmaßnahmen vor Zerstörung und Verfall gerettet. Damit konnte auch die oftmals ins Treffen geführte Grenze der „wirtschaftlichen Zumutbarkeit“ als Argument für einen (spekulativen) Untergang von kulturell wertvollen Baubeständen überbrückt werden. Eine exzellente fachliche Begleitung durch Landesdienststellen in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt zeigte – über die reine Förderung hinaus und stets erfolgreich – die notwendigen Schritte und Wege aus der „technischen und finanziellen Unmöglichkeit“ eines Sanierungsvorhabens auf.

Ohne die vielfach strapazierten Begriffe wie Kultur und Identität zu bemühen – Begriffe, denen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ganz zu Unrecht der Hauch des „nicht unbedingt Notwendigen“ anhaftet –, muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass es nicht nur um Erhalt bzw. Rettung von „funktionslosen“ Bauwerken geht, sondern auch um deren sinnvolle Nutzung als neuem Lebens- und Wohnraum – in abwanderungsgefährdeten peripheren Einzellagen wie in zentralen Lagen mit schwindender Wohnbevölkerung.
Gerade die als Stütze unserer Wirtschaft so oft beschworenen kleinen regionalen (Bau-) Gewerbetreibenden werden durch die aus dem Revitalisierungsfonds geförderten Maßnahmen (arbeitsintensive Handwerkstradition etc.) immer wieder neu belebt und entscheidend gestärkt. Revitalisierung bedeutet vor allem auch Belebung in strukturschwachen Gemeinden und ist damit als wirksames Instrument gegen die fortschreitende Entvölkerung vieler Landgemeinden zu erkennen.

Politisch verantwortungsbewusstes Gestalten heißt auch, den Menschen in seinen verschiedenen Lebenssituationen nicht aus den Augen zu verlieren. Zukunftsfragen können daher nicht immer mit einem „Entweder-Oder“ gelöst werden. Es hat der Landtag Steiermark mit Bestimmtheit nicht gegen den Klimaschutz oder gegen den sozialen Wohnbau gehandelt, als er in 25 zurückliegenden Jahren den Revitalisierungsfonds eingerichtet und mit Mitteln, die zwar nie sehr hoch, aber von großer kultureller und wirtschaftlicher Wirkung waren, ausgestattet hat. Jenseits eines „Gießkannenprinzips“ wurde der Fonds – fachlich begleitet – in der gesamten Steiermark effizient zum Einsatz gebracht.

Deshalb appellieren wir – bewusst als nicht potentielle Fördernehmer – an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Landtag Steiermark und der Ihnen Kraft Steiermärkischer Landesverfassung vom Wahlvolk übertragenen Budgethoheit, im Landesvoranschlag 2009/2010 für das Land Steiermark eine angemessene Dotierung des (die steirische Bauwirtschaft, den Tourismus und die Baukultur fördernden) Revitalisierungsfonds umzusetzen.

Dr. Gertrude Celedin, eh. Vorsitzende der Grazer Altstadt- Sachverständigenkommission
HRin DI Gerda Missoni, eh. Vorsitzende der Ortsbildkommission für die Steiermark
HR Mag. Dr. Christian Brugger, Landeskonservator für die Steiermark des Bundesdenkmalamtes und Mitglied der Ortsbildkommission und der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+