04/12/2009
04/12/2009

Graz-Reininghaus aus Südwest. Foto: Asset One, Claudio Alessandri

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Nagl, sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin Rücker,

die Asset One muss/möchte ihre Grundstücke in Graz veräußern. Diesbezüglich ist es sehr erfreulich, dass die Stadt Graz den Kauf aller Grazer Asset-One-Grundstücke in Erwägung zieht. Aus diesem Anlass und angesichts des derzeitigen Verhandlungsstatus stelle ich hiermit vier Chancen, respektive Notwendigkeiten zur Diskussion:

1. Citizen Partnership
Die Stadt Graz kauft sich in einer Partnerschaft mit ihren Bürgern gemeinsam die angebotenen Grundstücke. Eine für Österreich bis dahin einzigartige Citizen Partnership ermöglicht über Crowd Sourced Financing eine symbolische bis hin zu einer nennenswerten Beteiligung einzelner Bürger, die als Kollektiv (Genossenschaft, AG?) gemeinsam mit der Stadt Eigentümer dieser Grundstücke werden. Neben dem Faktor der Teilfinanzierung und Beteiligung durch die Bevölkerung ergibt sich dadurch ein hoher und unschätzbar wichtiger Grad an Identifikation und Bindung des Interesses und des Bewusstseins der Bürger zu diesem Stadtteil. Nebenbei positioniert sich die Stadt Graz damit und schafft national und international einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit durch dieses musterhafte Bürgerbeteiligungsprojekt.

2. Ökologie
Der heutige Stand des Wissens, der Technik und der Tatsachen (Klimawandel, Ressourcen-Knappheit) macht es zu einer Grundbedingung, dass der künftige Grazer Stadtteil Reininghaus den internationalen „State of the Art“ ökologischen Gebäude- und Städtebaus mitdefiniert. Im Rahmen der „Lebensqualität“ sind ökologische Maximal-Standards – vom Mobilitätskonzept (Fahrrad, öffentlicher Verkehr, Nah/Fernverkehrsanbindung), von den Baumaterialien, der Kreislaufwirtschaft (Müll, Wasser, Energie, Materialien), dem Betrieb (Facility Management) bis hin zu den Grünräumen und landwirtschaftliche Flächen – die Kriterien.
Die „Reininghäuser“ produzieren mehr Energie als sie verbrauchen und das nicht in Form von Passiv- oder Niedrigenergiehäusern, sondern als Aktiv-Häuser mit einer für die Gesundheit unabdingbar bestmöglichen „Indoor-Air-Quality“. Das gesamte Viertel führt zu einem einzigen großen „positiven“ ökologischen Fußabdruck. Die Baukosten (die nicht bedingt höher als die Baukosten konventioneller Gebäude sind) stehen in Relation zu den Life-Cycle-Kosten und sind spätestens unter diesem Aspekt wirtschaftlich argumentierbar.

3. City of Design
Mit dem heurigen Jahr hat sich die Stadt Graz um den Titel „City of Design“ bei der UNESCO beworben. Im Zuge dessen und Bezug nehmend auf die geschichtliche Bedeutung Grazer Architektur („Grazer Schule“) sowie auf die Identität der Stadt ist es selbstverständlich, dass beim Weiterverkauf und der Bebauung der einzelnen Grundstücke der Reininghausgründe es zu 100 % darum geht, den Brand „City of Design“ mittels ambitionierter zeitgenössischer Architektur lokaler und internationaler Architekten zu manifestieren und damit eine visuelle Benchmark der Stadt Graz in der inneren und äußeren Wahrnehmung zu setzen.

4. Bestehende Substanz
Der von Asset One in Gang gesetzte Prozess, Werte, Kriterien, Möglichkeiten und Chancen der Reininghausgründe zu erörtern und damit die substanzielle Wertebasis für diesen neuen Stadtteil zu ergründen, muss fortgesetzt werden. Dies bezieht sich klarerweise auch auf die zeitliche Ebene und Langsamkeit (siehe auch: „Slow City“?), frühestens 2017 fertige Gebäude vor Ort zu eröffnen. In der Fortsetzung dieses Prozesses durch die Reininghaus Gesellschaft werden – wie auch im Punkt 1 im Sinne einer Citizen Partnership – die Stakeholder eine prägende Rolle spielen.

Mit diesen Forderungen als Anregung und Diskussionsbeitrag sowie den besten Grüßen verbleibe ich,

Milo Tesselaar

Zur Person:
Milo Tesselaar (geb. 1982 und aufgewachsen in Graz) lebt und arbeitet als Change Designer und Entrepreneur in Wien und unterwegs. Er ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur von „Biorama – Magazin für nachhaltigen Lifestyle“ und als solcher auch Geschäftsführer der aktuell gegründeten Biorama GmbH. Unter dem Label „creative activism & service“ ist er seit mehreren Jahren in den Bereichen Kommunikation, Nachhaltigkeit, Innovation und Kultur als werte-basierter Berater und Entwickler für Politik, Wirtschaft und NPOs tätig. In Graz betreibt er im öffentlichen Raum die 2003 von ihm gegründete „The smallest Gallery“. Er twittert unter: https://twitter.com/milotesselaar

Verfasser/in:
Milo Tesselaar, offener Brief
Martin.Krammer

Als Grundsatzpapier wäre das durchaus geeignet von allen Verantwortlichen und Beteiligten (Politik, Investoren, Verwaltung, Architekten,...) unterfertigt zu werden um es als verbindliche Agenda auch umzusetzen.

Fr. 04/12/2009 11:27 Permalink
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