20/12/2008
20/12/2008

Grazer Werkbundhaus (1928). Planung: Hans Hönel. Das Haus ist das deutlichste Beispiel für die im Graz der Zwischenkriegszeit bestehende Tendenz, die als kalt und seelenlos interpretierte internationale Architekturmoderne mit dem „Bodenständigen“ versöhnen und dadurch „beseelen“ zu wollen.

Die gesamte Innenausstattung, von den Möbeln, Lampen, Vorhängen, Teppichen bis zur Keramik und den Bildern an den Wänden, wurde eigens für diesen Bau entworfen. Die an historischen Möbelformen orientierte, gutbürgerlich-gediegene und bewusst „wohnliche“ Einrichtung, großteils in Holz, stand in drastischem Gegensatz zu den kühlen Stahlrohr-Interieurs der Weißenhof-Siedlung. (Antje Senarclens de Grancy in nextroom.at)

Grazer Werkbundhaus (1928). Planung: Hans Hönel. Modell 1:50; ausgeführt im Rahmen von „Gestalten und Entwerfen“, Inst. f. Stadt- und Baugeschichte: Martin Feldbaumer, Alexander Gebetsroither, Andreas Rogala, Matthias Moosbrugger, Stefan Schmoll, Richard Irka. Foto: wm

Plakat zur Ausstellung

Ausstellung „fast modern“, bis 3. Mai 2009 im Stadtmuseum Graz.

Aus Anlass der 800-Jahr-Feier der Stadt Graz wurde 1928 von 17 Mitgliedern des Steiermärkischen Werkbundes das Musterhaus in der Grazer Schubertstraße geplant, komplett eingerichtet und als 1:1 Bau zur Wohnausstellung präsentiert. Das Werkbundhaus sollte ein „heimatlicher“ Gegenentwurf sein zu den als „kalt, seelenlos“ und „undeutsch“ verrufenen „Wohnmaschinen“ der modernen Architektur, damit eine Antwort vor allem auf die Stuttgarter Weißenhofsiedlung des Deutschen Werkbundes von 1927.

Die Kunsthistorikerin Antje Senarclens de Grancy hat für das Stadtmuseum Graz eine Ausstellung unter dem Titel „Fast Modern“ konzipiert, in der Verhältnisse von Formen internationaler Architekturbewegung und der augenscheinlich verkrampften „regionalen Identitätssuche“ am Beispiel des Werkbundhauses gegenüber gestellt werden. Neben dem Steiermärkischen Werkbund, der in deutlicher Abgrenzung zum Österreichischen 1923 von Grazer Künstlern und Architekten gegründet worden war, behandelt die Schau auch drei weitere bis 1938 in Graz engagierte Gruppen: den Verein für Heimatschutz in Steiermark, die Zeitschrift für Bau-, Wohn- und Kunstberatung (die in stark konservativer Haltung meinungs- und geschmacksbildend agierte) und die Sezession Graz (die eine wesentlich progressivere Haltung einnahm, ein Grund für ihre Auflösung 1938).

Mit dem Grazer Werkbundhaus sollte wie in einem Manifest der „Moderne der zerstörerische Stachel“ genommen werden. Moderne Architektur sollte mit „bodenständiger“ Tradition versöhnt und damit „beseelt“ werden. Die Rückbindung an „gediegenes Handwerk“ gegenüber industriellen Normprodukten sollte forciert werden. In Graz standen dem kaum Überlegungen zu Funktionalität oder neuen Wohntypen beiseite, vielmehr waren es kulturkonservative, nationalistische und völkische Argumente. Die Wiener Architektur beispielsweise wurde in Graz als „jüdisch-links“ wahrgenommen.

Der Katalog zur Ausstellung enthält ausführliches Bildmaterial und Texte von Friedrich Achleitner, Otto Hochreiter, Margareth Otti und Antje Senarclens de Grancy.

„fast modern“ ist im Stadtmuseum Graz, Sackstraße 18, bis zum 3. Mai 2009 zu sehen.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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