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„Wir sehen uns alle als Experten auf dem Gebiet des Wohnens und unsere klaren Bilder und Vorstellungen sind doch für alle anders.“ Mit dieser Erklärung zeigte der Soziologe Janosch Hartmann die sehr problematische Basis dieser Wünsche aus der Perspektive des Wohnbauträgers. Deutlich wird das Problem der Wohnbauträger mit jeder neuen Aufgabe, auch zusätzliche Verantwortung übernehmen zu müssen. Daher ist es oft einfacher, sich um Abgrenzung zu bemühen und klare Aufgabengebiete zu erzeugen. Mittlerweile gibt es jedoch die Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise werden Schulungen für Bewohner zu Vor-Ort-EnergieberaterInnen angeboten. Damit versucht man, mehr Eigenverantwortlichkeit zu initiieren. Wie uns Alexandra Pichler-Jessenko (in Vertretung für den Wohnbaulandesrat) erläutert, herrscht in Graz ein Bedarf an 3000 Wohnungen pro Jahr. Bei den zu erwartenden Konflikten sieht sie Potential in den großen grünen Innenhöfen der Altbauten und meinte: „Hier könnte man mit den Hausbesitzern die Nutzung verhandeln.“
Für die Vermittlung von potentiellen Stadträumen sind Lisa Enzenhofer und Anna Resch die richtigen Ansprechpartner. Unter dem Namen Lendlabor beschäftigen sich die beiden seit drei Jahren mit Leerstand in Graz. Unter dem Motto „Wo nichts ist, ist alles möglich!“ untersuchten sie temporäre Zwischennutzungen und Möglichkeitsräume und fanden in ihrer Erhebung bereits 329 potentielle Leerstände. Dass die Umsetzung von Ideen hierbei nicht einfach ist, erlebten sie oft genug. Beispielsweise haben viele Investoren Angst vor einem negativen Image nach Auflösung einer erfolgreich verlaufenen temporären Nutzung.
Ein gelungenes Beispiel einer Zwischennutzung zeigte Jördis Tornquist (fiedler.tornquist, arch+urb) mit dem Konzept der Ferienstraße. Die im Jahr 2011 entstandene Idee wurde gemeinsam mit Claudia Beiser im Sommer 2012 mit viel Engagement, unter Auflagen und Verwaltungsaufwand und mit Unterstützung der Bürgerinitiative Margaretenbad umgesetzt. Die Grillparzerstraße wurde drei Tage lang für den Autoverkehr gesperrt und durch die Bewohner bespielt. Der Straßenraum erhielt dadurch in diesem Zeitraum seine menschliche Dimension zurück. Ernst Muhr zeigte ebenfalls positiv umgesetzte Projekte des Vereins Fratz Graz von Umgestaltungen und Zwischennutzungen wie z. B. die Erweiterung von Schulhöfen auf öffentliche Plätze oder die Verlegung einer Elternhaltestelle und Gestaltung eines Schulwegs als sichere Begegnungszone.
Zu Beginn des zweiten Tages führten zwei Exkursionen die SymposiumsteilnehmerInnen in die gebaute Realität. Die Führung durch das 2003 eröffnete Kindermuseum FRida & freD zeigt ein gelungenes Beispiel für kindergerechte Architektur. Es wurde vom Büro Fasch & Fuchs entworfen und mit mehreren Auszeichnungen prämiert. Dass die Besucher diese besondere Qualität schätzen, beweist der große Zulauf. Durch die unvorhergesehen hohe Auslastung „ist eine Erweiterung dringend notwendig und gewünscht“, so Museumsdirektor Jörg Ehtreiber.
Die Exkursion zum Kommunalen Wohnbau anders, geführt von Architektin Elisabeth Lechner, verdeutlichte die Reibungsflächen zwischen Planung, Umsetzung und Verwaltung (gat berichtete). „Es geht im Wohnbau nicht um Zimmer.“ Soziale Faktoren wie Beteiligung, Begegnungs- und Gemeinschaftsräume oder die Integration von öffentlichen Freiflächen machen diesen Wohnbau anders. Viel Energie und Überzeugungskraft waren notwendig, um die in der Planung geschaffenen Qualitäten auch baulich umzusetzen.
Politische Vorgaben in Form von Gesetzen oder Förderungen sind ein bedeutsames Instrumentarium, um einen Mindeststandard an Lebensqualität zu sichern. Dass es jedoch in der Umsetzung Hürden gibt, wurde durch die Vorträge und Fallbeispiele deutlich. Durch die komplexen Anforderungen an die einzelnen Bereiche gehen oft zu Sekundärzielen degradierte Ansprüche verloren. Ein wichtiges Ziel wäre folglich ein Umdenken der Prioritäten im Sinne einer langfristigen Qualität anstelle einer kurzfristigen Verbesserung.
Datum:
Terminempfehlungen
Thu 20/06/2013 12:00pm - Fri 21/06/2013 18:00pm
_Tagung –lang, Graz
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Infobox
Das Symposium Mit Kinderaugen: Kindergerechte (Stadt)Wohnräume zwischen Alltag und Visionen,
initiiert vom Kinderbüro – Die Lobby für Menschen bis 14,
fand im Juni 2013 an der TU Graz statt.