10/08/2009
10/08/2009

Graz will also „City of Design“ werden. Die Bewerbung ist in silbrig glänzender Verpackung in Paris eingetroffen. 200.000 Euro sind optimistisch in die Einreichung investiert worden, und es entsteht der Eindruck, der Titel sei Graz so gut wie sicher. Zudem sei er „mehr als ein Titel“, zu erwarten seien starke wirtschaftliche und touristische Impulse, die „das Standing von Graz als attraktive und smarte City weiter stärken“. Die anglophile Wortwahl soll wohl das Flair von Internationalität verbreiten. Alles im Dienste „öffentlicher Awareness“. Very smart, indeed.

„City of Design“ will vieles sein: „Gelebte Haltung und Ausdruck einer urbanen Kultur“. Design solle in allen Lebensbereichen sicht- und spürbar werden, und zwar nicht als „rein ästhetischer Faktor“, sondern als wichtiges Element, das die Umwelt und den Alltag für die Menschen einfacher und lebenswerter macht. Design nicht als „l’art pour l’art“, sondern als praktische Lebenshilfe, Design fürs Sein. Die Antwort auf unsere Probleme: Design. So schön, es muss ganz einfach wahr sein!

Wenn Graz tatsächlich „City of Design“ wird, woran nur Defätisten ernsthaft zweifeln, wird es in dieser Stadt vor lauter Lebensqualität nicht mehr auszuhalten sein. Das kreative Potential wird potenziert und die wirtschaftliche Dynamik spottet jeder Krise. Auf in eine silbrig glänzende Zukunft!

Erinnern Sie sich noch an das „projekt_A“? Graz sollte Architekturhauptstadt werden, zumindest für ein Jahr, angepeilt war 2008. Auch hier gab es ein Konzept, wenn auch nicht in einer Hochglanzbroschüre verpackt. Es wurde auch vergleichsweise mit großen Worten, smarten Anglizismen gespart. Vielleicht nicht die richtige Strategie, um über Parteigrenzen hinweg Politiker für ein Projekt zu begeistern. Nur an den Kosten kann es nicht liegen. Die sind in beiden Fällen erheblich.
Statt harmoniesüchtiger Phrasen gibt es im Architekturhauptstadt-Projekt konkrete Kritik: „Planung, Bauen und Stadtgestaltung passiert in Graz auf fürchterliche Weise. Die Sozialstrukturen sind weitgehend unerforscht. Wie ist die Verteilung der Menschen in Graz? Was sind ihre Bedürfnisse da und dort? Welche Verbesserungen werden gewünscht? Darüber gibt es kaum Sozialdaten (…). Die Raumplanung läuft bei uns nach einem 200 Jahre alten Muster ab!“ Das werden manche, deren persönliche Verbindungen zur Bauwirtschaft bekannt sind, nicht gerne gehört haben.
In welcher Schublade ist das „projekt_A“ gelandet? Im Utopie-Ressort? Oder ist es schon „ganz vom Tisch“?

Anm. d. Red.:
Die Stadt Graz hat sich bei der UNESCO als „City of Design“ beworben. Die offizielle Bewerbung wurde am 28. Juli 2009 der UNESCO übermittelt. Das Magazin „Wir bewerben uns“ steht der Öffentlichkeit zum Nachlesen zur Verfügung. (siehe LINK)

Verfasser/in:
Günter Eichberger, Glosse
petra kickenweitz

Wer einen genauen Blick in das Bewerbungsmagazin wagt, wird feststellen das die Zukunftsvisionen ganz allein der Architektur gehört: Bürogebäude Nikolaiplatz Pucher& Bramberger, Kommodhaus Zaha Hadid, Stadtentwicklung Reininghausgründe, Dachgeschoßausbau Kastner&Öhler Sobejano, Urbancenter Innocad. Im CoD-Board finden sich ja außerdem auch 2 Architekturschaffende. Erstaunlich dabei ist das Architektur und Stadtplanung zum Design avanciert und scheinbar hier die Lücke der Zukunftsperspektiven fühlen muß. Vielleicht fließt also das projekt_A ins CoD ein?! An zukunftsfähigen Konzepten ist sonst in dem Magazin ja weit und breit nichts zu finden.
Freuen wir uns doch ...
PS: Das Magazin ist auch ein gutes Studienobjekt für Lobbying und internen Konflikten ... anders läßt sich für mich die Abwesenheit und das Verschweigen der Existenz der Fak. Architektur hier nicht erklären.

Di. 11/08/2009 6:40 Permalink
Elisabeth lechner

vielleicht sollte sich graz um den titel city of concept bewerben, da ist die stadt sicherlich spitze mit den vielen nie realisierten konzepten

Mo. 10/08/2009 5:37 Permalink
B. Bertold

Das Beispiel City of Design zeigt wieder einmal sehr eindrücklich, dass die Stadtkasse gar nicht so leer sein kann wie immer wieder behauptet wird. Vor allem dann, wenn die Politiker mit einem Projekt glänzen können und sie hohe Medienpräsenz erwarten, rollt der Rubel. Mit der Förderung von Baukultur scheinen sie das nicht zu erwarten. Wie oft wird in den Regionalmedien auch schon über Architekturthemen berichtet. Wenn das Geld in der Stadtkasse aber schon so knapp ist wie behauptet, ist wohl Projekten, die die qualitätvolle Gestaltung der gebauten Umwelt vorantreiben, Priorität einzuräumen - also der Baukultur. Denn hohe Baukultur, das sollte heute schon jedem Kind klar sein, ist entscheidend für die Lebensqualität der Menschen einer Stadt. (Erst dann, wenn überhaupt, braucht man schön / originell gestaltete Kleidung, Geschirr, Schmuck, Besteck und Kinderhosen...). Umso beschämender ist es, dass die politischen Entscheidungsträger das projekt_A Stück für Stück in der Schublade verschwinden lassen. Eberhard Schrempf hatte wahrscheinlich auch die gefinkeltere Strategie, um der Stadt das projekt "City of Design" zu verklickern. Vielleicht sollten die Betreiber des projekt_A einen Kurs bei ihm belegen.

Mo. 10/08/2009 6:09 Permalink
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