02/02/2004
02/02/2004

ko a la - burggarten - s

Park der Epochen

In der Lektüre und Annäherung an diesen besonderen Ort werden insbesondere 2 Aspekte sichtbar:

Die freiraumplanerische Einbettung des Burggartens in den Stadtraum mit dem angrenzenden, jederzeit zugänglichen Stadtpark und dessen vielfältigem Angebot für Aneignung und Nutzung (Kinderspiel, Ballspiel, Liegewiesen etc.) „entlastet“ den Burggarten von einem diesbezüglichen Nutzungsdruck. Im Vordergrund einer Neugestaltung steht vielmehr die Attraktivierung zu einem qualitätsvollen Lust- und Wandelgarten unter Betonung der Repräsentationsfunktion und Beibehaltung geheimnisvoller Rückzugsbereiche, ohne zusätzliche intensive Nutzungen in den Park zu implementieren.

Im historischen Kontext weisen die Grazer Burg und der Burggarten ihre architektonische Hochblüte etwa im 17./18. Jhdt. auf. Die Qualitäten dieser geometrischen Gartengestaltung liegen insbesondere in der strengen Berücksichtigung attraktiver Sichtbeziehungen und einer klar lesbaren Wegführung, wobei eine gewisse Kontemplation naturgemäß zu kurz kommt.
Demgegenüber steht die, im wesentlichen bis heute wirksame Gestaltung des 19. Jhdt. im Stile des Englischen Landschaftsparks mit all ihren Stärken hinsichtlich einer geheimnisvollen Wegführung und der abwechslungsreichen Anordnung versteckter Rückzugsbereiche und extrovertierter Aussichtspunkte. Nicht zuletzt durch die mangelnde Integration später addierter Funktionen und Bauten (Glashaus, Nutzgärten, Orangerie) verlor jedoch der Burggarten gleichzeitig seine räumlichen Qualitäten. Sichtbeziehungen wurden unterbrochen oder nicht als solche gewürdigt, das Wechselspiel zwischen räumlicher Enge und Weite fiel unsensiblen Neupflanzungen zum Opfer.

Entwurfskonzept – Der „Park der Epochen“

Entwurfsbestimmend ist die Erkenntnis, dass die Besonderheit des Ortes und seine geschichtliche Entwicklung nachvollziehbar bleiben, sich aber im Spiegel der Zeit wiederfinden soll. Die Neugestaltung ist für diesen einen Ort konzipiert, vermeidet Austauschbarkeit und Beliebigkeit. Die räumliche Gliederung und Geometrie wandert durch die Jahrhunderte, würdigt die tradierten Qualitäten sowohl des Barockgartens als auch des Englischen Landschaftsparks und vereint mit seiner zeitgenössischen Formensprache drei Jahrhunderte Gartenarchitektur zum „Park der Epochen“:

- Das westliche Gartenband

Der Burgfassade vorgelagert liegt das präzise gestaltete Gartenband mit natursteingefassten Schaugärten, ohne den Blick von / auf die Burg zu verstellen. Die lustwandelnden BesucherInnen erobern die Gärten entlang von Rosenfeldern und stehenden bzw. leise rieselnden Wasserbecken. Die 3 Wasserfontänen zu queren erfordert Vertrauen und Mut. Streng ausgerichtete, geschnittene Buchshecken korrespondieren mit der Orangerie und zeichnen die Fensterteilung deren Fassade nach. Der Blick zum neu errichteten Gärtnerhaus öffnet sich. Im Grundriss barocker Gartengeometrie entsprechend, zeichnen sich Materialität und Kubatur zeitgenössischer Vokabulare verpflichtet: die nach Süden verglaste Fassade ermöglicht außerhalb der Vegetationsperiode Einblicke auf die zu überwinternden Topfpflanzen, der nordexponierte Betonkeil beinhaltet die geforderten Räume für Gärtner. Die vorgelagerte Plattform lädt ein zum Blick zurück über das Gartenband und vermittelt als „Vorzimmer“ zur anliegenden Orangerie.

- Der Parkwald im Osten

Nach Querung des mit filigranen Sonnensegeln überspannten Veranstaltungsplatzes empfängt den / die BesucherIn der raumdefinierte Abschluß der Waldkulisse. Im Kontrast zur – südlich der Orangerie vorgelagerten – offenen Rasenfläche wird der Waldrand bewußt durch Ersatzpflanzungen verdichtet. Eigetaucht in den geheimnisvollen schattigen Parkwald wird ein durch Heckenpflanzung vor Einblicken geschützter Hortus Conclusus entdeckt: Eine puristische Betonplatte, des Nächtens unterleuchtet, trägt eine einfache Holzbank. Ein meditativer Ort. Sinnerfüllung und Atmosphäre. Nur der Blick zum Himmel bleibt frei.
Aus Respekt vor der Gartenkunst des 19. Jhdts. und dem ökologisch wertvollen Baumbestand bleibt der östliche Parkabschnitt weitgehend unverändert. Lediglich die Erneuerung der schadhaften Wegbegrenzungen und die Sanierung der Kiesdeckschicht beseitigen die Spuren des Gebrauchs. Vereinzelte Ersatzpflanzungen brechen bewußt Sichtbeziehungen – nach und nach steigt das Bedürfnis, den kühlen Wald zu verlassen, Aussicht zu genießen, den Himmel zu sehen...

Zugang Erzherzog Johann-Allee

Das Gestaltungskonzept sieht unter Wahrung des vermutlich denkmalgeschützten Mauerwerks eine poetische Intervention vor: eine ausgerollte Glaswand akzentuiert den bislang kaum sichtbaren Eingangsbereich, „fängt“ ortsunkundige PassantInnen auf und leitet unaufdringlich in den Park. Die bodenbündige Leuchtleiste unterstützt diese Intention und erhellt den düsteren Durchgang. Auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen wird die Glaswand lesbar: Als Trägerin der Beschriftung, als Fassadenspiegel der Orangerie durch den Aufdruck deren Fassadenteilung, als Traumfänger.
Die Müllcontainer bleiben versteckt.

Bauabschnitte

Die angedachte Gliederung entspricht der geforderten Realisierung in mehreren Bauabschnitten:
- westliches Gartenband einschließlich Zufahrt im Zuge der Sanierung / Erweiterung der Burgkapelle
- Errichtung Gärtnerhaus, Zugang Erzherzog Johann-Allee
- Sanierung Parkwald im Osten

Rodungen / Baumpflanzungen

Die Rodungen konzentrieren sich auf den westlichen Bereich im Vorfeld der Burg, um den historisch gegebenen Blick auf die Burg wiederherzustellen. Weiters ist aufgrund der erwartbaren umfangreichen Aushubarbeiten anläßlich der Sanierung / Erweiterung der Burgkapelle der betroffene Baumbestand kaum zu erhalten.
Ein Großteil der vorgeschriebenen und durch Rodung zusätzlichen Ersatzpflanzungen werden im östlichen Parkwald getätigt, wobei zur langfristigen Sicherung der Baumartenmischung primär vorhandene Laubbaumarten gwählt werden (Tilia, Ulmus, Juglans, Acer, fagus, Fraxinus, Quercus etc.)

Pflege

Der östliche Parkwald bleibt in Substanz und damit Pflegeaufwand unverändert.
der Pflegeaufwand für das westliche Gartenband gestaltet sich wie folgt:
- Mahd Rasenflächen in den Schaugärten: 14täglich in der Vegetationsperiode
- Mahd sonstige Wiesenflächen: eher seltener als bislang; die Überführung in eine 2schürige Blumenwiese wäre mittelfristig durchaus wünschenswert
- Buchshecken: Formschnitt einmal/Jahr
- Rosenfelder: permanente Betreuung in der Vegetationsperiode
- Wasserbecken: durch die frostsichere, konisch zulaufende Ausführung der Becken ist das Belassen des Wassers im Becken ganzjährig möglich. Weiters wird durch ein Pumpen- / Filtersystem die Wasserqualität gesichert. Die Pflege der Becken beschränkt sich somit auf die Entfernung von Laubeintrag bzw. die Generalreinigung einmal jährlich. Die Wasserpflanzen bedürfen etwa 3-4 Pflegedurchgänge/Jahr.

Zusammenfassung

Garten- und Landschaftsarchitektur war und ist stets Ausdruck des Zeitgeistes. Die Grundlagen sind hier und heute die aktuellen sozialen, kulturellen und ökologischen Ereignisse, die ihrerseits nur im historischen Kontext verstanden werden können.

In der Überlagerung und Durchdringung barocker Gartengeometrien des 18. Jahrhunderts und landschaftlicher Strukturen des 19. Jahrhunderts durch das präzise zeitgenössische Gestaltungsvokabular, wird die Geschichte des Burggartens in seiner Neugestaltung fortgeschrieben. Der „Park der Epochen“ – Gleichzeitigkeit und Ambivalenz, Authentizität und Unverwechselbarkeit.

Ein intellektueller Ort der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Verfasser/in:
ko a la
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+