13/03/2023

LINA – Learning, Interacting and Networking in Architecture – ist ein Forschungsprojekt und Netzwerk, das europaweit junge Architekturschaffende zusammenbringt, um im Austausch unterschiedlicher Perspektiven neue Antworten auf die Frage nach dem Umgang mit dem Klimawandel zu erarbeiten. Vergangene Woche präsentierten junge Forscher:innen die Ergebnisse eines dreiwöchigen Workshops im HDA in Graz.

13/03/2023
©: Redaktion GAT
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v.l.n.r: B. Engelhorn, HDA, Laura Solsona, self-office, Janosch Webersink, Zerina Dzubur, Karin Oberhuber, HDA, Kateřina Krupičková + Martin Zwahlen, Zwahlen Krupičková

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Sie sind jung, ca. Ende zwanzig, haben diverse kulturelle Backgrounds und beschäftigen sich mit den großen, aber konkreten Problemen einer Disziplin, die als besonders aufwendig, besonders ressourcenintensiv und besonders herausfordernd gilt. Ralph Nabil Nasrallah, Laura Solsona & Eduard Fernàndez, Kateřina Krupičková & Martin Zwahlen und
 Róisín Cahill gehören zu einer Generation Architekturschaffender, die Bauen will, gleichzeitig einen Beitrag in den Diskursen der Architekturszenen ihrer Länder leisten will und fest an die kollektiven Strukturen glaubt, in denen sie sich in ihrer Praxis bewegen. Für alle steht außer Frage, dass die Weiterentwicklung der Architektur – Praxis wie Theorie – nur im Miteinander und im gegenseitigen Interesse und Austausch gelingen wird.

Die sechs Vertreter:innen dieser Generation, die das Haus der Architektur nach Graz einlud, kommen aus Japan, Tschechien, Spanien, Großbritannien, Libanon, mit Arbeitserfahrungen in Dänemark, der Schweiz, Deutschland und Australien. Zusammen bringt sie ein Gedanke: Es wird nicht versucht, besser als die anderen zu sein, sondern man setzt auf gegenseitiges Lernen und Verstehen. Lösungen für das eigene Problem, so die Basis, auf der gearbeitet wird, existieren in anderen Kontexten vielleicht schon längst und schon lange.

LINA – Learning, Interacting and Networking in Architecture – ist ein Forschungsprojekt und Netzwerk, das europaweit junge Architekturschaffende zusammenbringt, um im Austausch unterschiedlicher Perspektiven neue Antworten auf die Frage nach dem Umgang mit dem Klimawandel zu erarbeiten. Die Liste der Initiatoren ist beeindruckend, reicht sie doch von der Fondazione MAXXI Roma über das SAM in der Schweiz, der Fundacio Mies van den Rohe Barcelona bis zur Oslo Architecture Triennale. Mit dem Projekt ist man auf der Suche nach innovativen baulichen Lösungen für die gebaute Umwelt in Zeiten des Klimawandels. Neue Kombinationen aus Low Tech und visionären Technologien sollen entwickelt werden.

Als hätte man mit Ende zwanzig nicht Schöneres zu tun, als sich einer düster drohenden Zukunft zu widmen, stürzten sich die Workshopteilnehmer:innen in Graz in drei Wochen gemeinsames Arbeiten. Aber vielleicht liegt im Versuch, durch viele anwendungsbezogene, architektonische Ideen Welt zu retten, eine unermessliche Schönheit. Zudem bleibt das, was die junge Generation hier macht, nicht nur ein Versuch. Sie meinen es ernst und sie werden ihre Ansätze und Ideen umsetzen, in Zukunft in die Welt bauen, wie Kazumasa Takada, Gründer von PAN projects aus London und eingeladener Lecturer erwähnt. “As a practitioner you have to study continuously“, erwähnt er, „as you are realising client-, art- and research-projects. LINA”, he states, “will not be implemented one to one into their practices”, aber der kollektive Ansatz und der globale Wissensaustausch seien die einzig effektiven Möglichkeiten, als Architekt mit dem Klimawandel wirklich umzugehen.

Die vier jungen Büros, die im Rahmen von LINA im HDA am 10.3.2023 die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit in einer 24h Popup-Ausstellung präsentierten, profitieren langfristig von dem Projekt. Sie haben eine Sammlung intelligenter Lösungen erarbeitet, in der konstruktive und gestalterische Vorschläge für Gebäude zusammengestellt sind, um zum Beispiel Starkregensituationen standzuhalten. Ansätze traditioneller Bauweisen, um auf verschiedene klimatische Bedingungen zu reagieren, stehen neben neuen Ideen. Eine Publikation wird folgen. In dieser werden die Lösungsvorschläge exemplarisch dargestellt und durch je ein Essay der beteiligten Büros ergänzt. Man reflektiert über Ökosysteme, Habitate, Reaktionen natürlicher Systeme auf äußere Einflüsse am Beispiel der Meeresküsten und feiert zudem den Akt des Bauens als bewusstseinsbildendes Instrument.

Etablierte Vordenker wie Konrad Frey und Eugen Gross schauten am Freitagabend aufmerksam auf einen langen Ausstellungstisch, der für „popup“ und „mit wenig, viel machen“, sehr ansprechend war. Farbige Zettel luden zum Lesen und Studieren ein und immer wieder begegnete man sich selbst, dem Menschen, dem eigenen Ich, auf der silberspiegelnden Oberfläche, der in Rettungsdecken gehüllten Tischplatten – Symbole eines Workshops, der Fragmente zum Ergebnis hat, die schon allein durch die zeitliche Kompaktheit von drei Wochen eine Klarheit behielten, also einfach nicht ins Unbewältigbare ausuferten. Obwohl Rettungsdecken ein bereits verbrauchtes Gestaltungsmittel in der Kunst- und Ausstellungswelt sind, passten sie diesmal noch hervorragend zum Thema des Workshops, „weil sie auch Symbol für Emergency sind“, wie die Gestalterinnen erklärten.

Man begann den Workshop mit den gleichen Tischen, „eigentlich ohne genau zu wissen, wo es in den drei Wochen hingehen würde“, erzählen Zerina Dzubur und Karin Oberhuber vom HDA. Das Ergebnis sei weit über das Erwartbare hinausgegangen. Das HDA unterstützte die Workshopteilnehmer:innen mit Exkursionen und Input, Netzwerk, Kontexten und Räumlichkeiten.

Ralph aus London, Mitarbeiter bei PAN project, macht deutlich, dass die erste Entscheidung, die sie getroffen haben, war, dass man ein gemeinsames Ergebnis erarbeiten wolle. „Wir wollten voneinander lernen und von den unterschiedlichen Hintergründen profitieren. Uns interessierte der unterschiedliche Umgang mit gleichen Problemen. Wir stellten fest, dass sich Problemstellungen zwar zeitliche und räumlich versetzt darstellen, damit aber meist jemand die Lösung für das eigene bereits formuliert hat. So geht es oftmals eher um Adaption, nicht um völlige Neuentwicklung.“ Er nehme mehr als alles andere die Art gemeinsamen Arbeitens mit nach Hause nach London. Und wie es ihm in Graz gefallen hätte? „Super friendly city and so open minded“, bricht es aus ihm heraus.

LINA hätte mehr Aufmerksamkeit aus der Grazer-Szene verdient. Die Publikation erreicht hoffentlich mehr Interessierte. Festgehalten wurde die Arbeit der jungen Forscher:innen noch durch Walter Felber. Der Stadtzeichner, kam täglich, um zu zeichnen.

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Beteiligte Studios:
Ralph Nabil Nasrallah, PAN- PROJECTS, Großbritannien | Dänemark
Laura Solsona & Eduard Fernàndez, self-office, Spanien
Kateřina Krupičková & Martin Zwahlen, Zwahlen Krupičková, Schweiz | Tschechien
Róisín Cahill, Irland

Ralph Nabil Nasrallah ist ein französisch-englisch-libanesischer Architekt und Forscher. Er studierte in London an der Central Saint Martins, wo er sich im Rahmen seines Abschlussprojekts mit Fragen des städtischen Abfalls und dessen Bewirtschaftung in East London beschäftigte. Das Projekt wurde später auf dem London Festival for Architecture ausgestellt. Seit 2022 arbeitet er bei PAN- PROJECTS an einem experimentellen Forschungsprojekt mit dem Titel Architecture of By-products, das städtische Abfälle als potenzielle architektonische Materialien erforscht.



self-office, Barcelona, wurde von Laura Solsona und Eduard Fernández gegründet. Das Büro verbindet Architektur und Landschaftsdesign mit wissenschaftlicher Forschung. Sie suchen den architektonischen Diskurs aktueller Themen durch die Verwendung von Raum, Objekten, Worten und Bildern, die sie als Forschungswerkzeuge verstehen.

Laura Solsona ist Architektin und Stadtplanerin. Sie studierte in Barcelona und Berlin. Anschließend war sie beim katalanischen Büro Jornet Llop Pastor Arquitectes beschäftigt, danach arbeitete sie bei Aspect Studios (Australien). Sie lehrte außerdem an der University of Technology Sydney.
Eduard Fernández ist Architekt und Lektor. Er studierte in Barcelona und Porto und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros sowie kulturellen Institutionen in Barcelona und Sydney. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der UPC Department of Urbanism and Regional Planning und Teaching Associate an der Monash University in Melbourne und der University of Technology Sydney, wo er mehrere Designstudios leitete.

Zwahlen Krupičková, Basel, wurde von Kateřina Krupičková und Martin Zwahlen gegründet. Die jungen ArchitektInnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung. Sie schreiben für Zeitschriften und Online-Blogs.

Kateřina Krupičková studierte Architektur in Prag und war Austauschstudentin an der ETH in Zürich.
Martin Zwahlen absolvierte sein Bachelorstudium in Architektur in Lausanne und sein Masterstudium an der ETH Zürich. Nach seinem Abschluss arbeitete er in einem Landschaftsbüro.

Róisín Cahill, Dublin, ist Architektin im Büro Henry J Lyons und beschäftigt sich dort vor allem mit dem Thema „nachhaltiges Bauen“ mit Schwerpunkt im Bereich Städtebau. Sie hat einen Bachelor in Architektur, einen Master in Urban Design and Planning und strebt ein Diplom in Circular Economy Leadership an. Róisín ist Mitglied des Graduate Panel der Irish Architecture Foundation, Autorin von Architekturpublikationen, Preisträgerin des 2022 Engaging with Architecture Awards des Irish Arts Councils und Mitbegründerin von Unbuilt.ie.

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