08/11/2008
08/11/2008

Um die Identifikation als „Heimatstadt des Führers“ und Standort der Hermann-Göring-Werke kommt Linz 2009 ohnehin nicht herum, auch nicht um die Assoziation mit den nahegelegenen Vernichtungsorten Mauthausen und Hartheim. Da erschien es schon besser, mit einer groß angelegten Ausstellung über die Auswirkungen der NS-Kulturpolitik, den Kunstbetrieb in dieser Zeit und die megalomanen architektonischen Umgestaltungspläne für die Stadt sich diesem Image offensiv zu stellen. Um aber im Kulturhauptstadtjahr der Stadt Linz eine positive internationale Wahrnehmung jenseits dieser Rolle in der NS-Zeit zu ermöglichen, wurde die Eröffnung der Schau über diese dunkle Facette der eigenen Geschichte noch ins Jahr 2008 vorgezogen.

Doch ist die Ausstellung „Kulturhauptstadt des Führers“ sicher kein kulturpolitisches Feigenblatt, wurden doch in Linz und Oberösterreich in den letzten Jahren in zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen die regionalen Hintergründe und Auswirkungen der NS-Zeit konsequent bearbeitet. Linz erkennt damit seine tiefe Verstrickung mit dem NS-System als Teil seiner (kulturellen) Identität an, was ja in der österreichischen Gegenwart noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.
Die Ausstellungskuratorin Birgit Kirchmayr, Zeithistorikerin der jüngeren Generation, hat sich jahrelang mit NS-Kunstraub in „Oberdonau“ beschäftigt und im vergangenen Jahr dazu eine fundierte Publikation vorgelegt.

Die Ausstellung fasst, ohne die Geschichte wirklich auf neue Weise zu erzählen, das in den letzten Jahren Erforschte zusammen und macht es in zwei Kapiteln anschaulich: In einem ersten Teil wird ein zeithistorischer Blick auf die Jahre vor dem „Anschluss“ sowie auf Selbstbilder von Linz und Oberösterreich nach 1938 als „Patenstadt des Führers“ und „Heimatgau“ geworfen. Der Raum „Hitlers Linz“ ist erwartungsgemäß den gigantomanischen Umgestaltungsplänen der Stadt, über denen Hitler noch in seinen letzten Tagen im Bunker brütete. Ausgeführt wurden davon nur die Nibelungenbrücke und die beiden Brückenkopfbauten am Eingang zur Innenstadt, die sich auf jedem „Linz an der Donau-Foto“ ins Bild drängen. Ein besonderer Fokus wird auch auf das Projekt des unrealisiert gebliebenen „Führermuseums“ gelegt, dessen Bestände als „Sonderauftrag Linz“ durch Kunstraub, aber auch durch finanziell fast unbegrenzt dotierte Ankäufe auf dem „regulären“ Kunstmarkt zusammengerafft wurden. Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich schließlich dem künstlerischen Schaffen in der NS-Zeit in den Bereichen Malerei, Musik und Theater sowie Literatur.
Interessant sind nicht zuletzt die Interviews mit heute lebenden Kulturschaffenden wie Gerhard Haderer, Anna Migutsch, Franzobel etc., die die NS-Zeit in Linz und Oberösterreich als eine schwer lastende Hypothek betrachten, der man sich noch heute weder im Alltag noch in der Kulturproduktion je entziehen kann.

Der Besuch der Ausstellung „Kulturhauptstadt des Führers“ im Schlossmuseum kann mit einem Blick auf den noch im Bau befindlichen, vom Grazer Architektenteam HoG (Martin Emmerer, Clemens Luser, Hansjörg Luser) geplanten neuen Südflügel des Schlosses verbunden werden, der im Juli 2009 als zusätzliche Ausstellungsfläche des Landesmuseums eröffnet werden soll.
Ein weiterer Tipp für einen Linz-Besuch ist die Ausstellung „Politische Skulptur“ in der Landesgalerie. Sie stellt anhand der Arbeiten der sonst außer ihrer Profession wenig miteinander zu tun habenden Bildhauer Ernst Barlach, Ludwig Kasper, Josef Thorak und Fritz Wotruba die Frage, wie deren Werk „in den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen vor und nach 1945 funktionierte bzw. es auch heute noch tut“.

„Kulturhauptstadt des Führers“ – Kunst und Nationalsozialismus in Linz und Oberösterreich
Ausstellung im Schlossmuseum Linz
Tummelplatz 10, 4010 Linz
17. September 2008 – 22. März 2009
Di – Fr 9.00 – 18.00 Uhr, Sa, So und Fei 10.00 – 17.00 Uhr

Politische Skulptur
Barlach / Kasper / Thorak / Wotruba
Ausstellung in der Landesgalerie Linz
Museumstraße 14, 4010 Linz
18. September – 16. November 08
Di – Fr 9.00 – 18.00 Uhr, Sa und So 10.00 – 17.00 Uhr

Verfasser/in:
Antje Senarclens de Grancy, Rezension
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