07/02/2012
07/02/2012

Andreas-Hofer-Platz, Graz. Blick vom Westen zum Busbahnhof. Foto: Wenzel Mracek

Andreas-Hofer-Platz, Graz. Blick vom Norden. Foto: Wenzel Mracek

Seit Anfang 2010 wird der Start des Wettbewerbes zur Bebauung des Andreas-Hofer-Platzes ebenso regelmäßig angekündigt wie verschoben. So wurde für das Frühjahr 2010 von Acoton-Geschäftsführer Gerald Gollenz ein europaweiter, städtebaulicher Wettbewerb angekündigt. Ende 2011 sprach Gollenz noch von einem geladenen Wettbewerb, der Anfang 2012 starten sollte. Nun scheint wieder eine Pattstellung vorzuliegen, der Meinungsverschiedenheiten zwischen Gollenz und der Stadt Graz, betreffend die zulässige Bebauungsdichte, zugrunde liegen.

Die Vorbereitungen des Wettbewerbs reichen in das Jahr 2006 zurück, als die GBG (Grazer Bau- und Grünlandsicherungs GmbH) eine Bebauungsstudie bei der Arch. Consult in Auftrag gab. Der Platz, dessen Bestands- und Baurecht sich Gollenz 2008 für kolportierte 12,5 Millionen Euro von der Shell AG gesichert hat, ist im Flächenwidmungsplan als Bauland mit einer zulässigen Dichte von 2,5 ausgewiesen. Eine Überschreitung der daraus resultierenden 8.750 m² überirdischer Bruttogeschossfläche scheint angesichts der zentralen Lage naheliegend. Die Studie der Arch Consult ergab, dass auf dem Platz aus städtebaulicher Sicht 13.000 m2 BGF verträglich seien, was einer Dichte von 3,8 entspricht. Die Arch. Consult schlug dazu Bauvolumina mit sieben oberirdischen Geschoßen vor. Unabhängig von der Studie der Arch. Consult kam der Architekt und Universitätsprofessor Hans Gangoly im Rahmen einer Entwurfsübung mit Studierenden der TU Graz zu dem Schluss, dass dem Platz „eine bewusst hohe Dichte mit 13.500 m2 BGF“ gut täte. Die Studentenprojekte, die 2010 im Haus der Architektur ausgestellt waren, zeigten deutlich, dass mit diesen Kubaturen genügend Möglichkeiten bestehen, das Areal qualitativ hochwertig und spannend zu gestalten. Ebenfalls 2010 bestätigte schließlich eine weitere, vom Stadtplanungsamt beauftragte, umfassende Bebauungsstudie des Wiener Büros Artec die empfohlene BGF mit etwa 12.000 m2. Seitens Gollenz, der auf dem Areal 50 Millionen Euro in ein Hotelprojekt mit Gastronomie und Geschäften in der Sockelzone investieren will, wurde 2011 gegenüber der Stadt Graz der Wunsch geäußert, 17.000 m BGF zu errichten, was einer Dichte von 4,8 entspräche.

Wiederum holte sich das Stadtplanungsamt externen Rat und ersuchte den Architekten Bernd Vlay um die Darstellung von Bebauungsvarianten mit der von Gollenz geforderten Dichteüberschreitung. Vlay zeigte zahlreiche Varianten, die teilweise sogar die Hochhausgrenze erreichen und deutlich machen, wie wenig gestalterischen Spielraum eine derart hohe Dichte zulässt. Die Stadt Graz ist gewillt, an der Auslobung des Wettbewerbes mitzuwirken, so Stadtbaudirektor Bertram Werle.

Dieser Wille zeigt sich nicht zuletzt in den zahlreichen Vorbesprechungen mit Gollenz sowie in der Beauftragung der erwähnten Bebauungsstudien. Die Stadt Graz würde im Falle einer Einigung auch Vertreter in die Wettbewerbsjury entsenden, um das Ergebnis mitzutragen. Weiters wurden seitens Werle Abstimmungsgespräche mit der ASVK sowie den für das Weltkulturerbe verantwortlichen Vertretern der UNESCO geführt, im Rahmen derer zuletzt auch die geforderten 17.000 m2 BGF anhand deren Darstellung in der Studie von Vlay thematisiert wurden.
Vor allem seitens der UNESCO -Vertreter Bruno Maldoner (Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, österreichischer UNESCO-Beauftragter) und Friedrich Bouvier (lokaler ICOMOS- Beauftragter in Graz) kam ein klares Nein für Bauvolumina dieser Größe, so Werle. Seitens der beiden UNESCO -Beauftragten sähe man die Gestaltungsmöglichkeit der WettbewerbsteilnehmerInnen eingeschränkt, wenn die Bebauungsdichte derart hoch wäre. Es bestünde die Befürchtung, dass die Qualität der Bebauung leiden würde.
Aus diesem Grund beharrt die Stadt Graz auf den maximal zulässigen 13.000 m2 BGF für das etwa 3.500 m² große Grundstück und unterstützt einen Wettbewerb nur dann, wenn dieser Wert seitens Acoton akzeptiert wird. Ein weiterer Kompromiss stünde nicht zur Debatte, so Bertram Werle. Sollte Gollenz das nicht akzeptieren, so hätte er zwar die Möglichkeit, selbst und auf eigenes Risiko einen Wettbewerb auszuloben, müsste die Einigung mit der Stadt, den UNESCO- Beauftragten und der ASVK aber spätestens im Rahmen der Einreichplanung erzielen.
Vertreter der Stadt Graz sowie der UNESCO würden nicht in die Wettbewerbsjury entsandt werden, wenn Gollenz die 13.000 m2 BGF nicht akzeptiert. Zudem ist derzeit ein Teil des Bauareals noch öffentliches Gut, das per Gemeinderatsbeschluss umgewandelt werden müsste. Die Stadt Graz sitzt also am längeren Ast. Gollenz behauptete gegenüber der Kleinen Zeitung am 31.01.2012, ihm sei ein Kompromiss seitens der Stadtplanung zugesagt worden. Stadtplanungschef Heinz Schöttli dementiert das allerdings am 02.02.2012 gegenüber GAT – er habe keine Zusage betreffend die 17.000 m2 BGF gegeben.

Neben der Akzeptanz der Bebauungsdichte ist Acoton-Geschäftsführer Gollenz noch gefordert, die Nutzung der Sockelzone genauer zu definieren – ohne konkrete Nutzungsvarianten lässt sich die Verkehrslösung rund um den Platz nicht definitiv planen, so Bertram Werle. Vor allem seitens der Verkehrsreferentin Vizebürgermeisterin Lisa Rücker wird diesbezüglich Klarheit gefordert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass die Bushaltestellen auf den Marburger Kai verlegt werden, die Verlängerung der Landhausgasse den Charakter eine Fußgängerzone aufweisen wird und gegenüber der Albrechtgasse sowie an der Kreuzung zur Landhausgasse freie Areale zur Aufnahme der Fußgänger entstehen sollen.

Fix scheint zu sein, dass der Andreas-Hofer-Platz die Bezeichnung Platz in Zukunft nicht mehr verdienen wird, da vom ehemaligen Platz wenig übrig bleiben wird, wer auch immer sich in dem Streit um die Bebauungsdichte durchsetzen wird. Es wird sich zeigen, wie viel Einfluss die Investoren auf die Grazer Stadtplanung haben und ob das Geld tatsächlich die Welt regiert. Die Argumente der Stadt scheinen fundiert zu sein und basieren auf zahlreichen, objektivierenden Studien. Der Wunsch des Investors, ein Maximum an Flächen zu errichten, ist nicht überraschend. An einem so prominenten Areal darf die städtebauliche und architektonische Qualität aber nicht zugunsten wirtschaftlicher Argumente ausgehebelt werden. Es sollte die Chance gewahrt werden, dem umstrittenen Zubau der Steiermärkischen (ehemaliges Brandl-Haus) ein Bauvolumen gegenüberzusetzen, dessen Qualität im Vordergrund steht und nicht dessen maximales Volumen.

INFORMATION

"Der Andreas-Hofer-Platz, der ehemalige Fischplatz, ist in seiner heutigen Form weniger das Produkt gezielter Stadtplanung, als vielmehr eine durch den Abriss älterer Bauten entstandene großflächige „Baulücke“. Bis 1934 stand in der Platzmitte die barocke Kirchen- und Klosteranlage der Karmelitinnen, die nach der Säkularisierung unter Kaiser Joseph II. als ärarisches Monturdepot (Sammelort militärischer Kleidung) verwendet worden war. Kurz vor dem Abriss war das Stadtwerke-Gebäude, einer der wichtigsten Bauten der Zwischenkriegsmoderne in Österreich, nach Plänen von Rambald Steinbüchel-Rheinwall errichtet und 1933 fertig gestellt worden. Das Gebäude am Kai, die ehemalige Postdirektion, wurde um 1930 von Otto-Wagner-Schüler Leopold Hoheisel entworfen.
Das ganze 20. Jahrhundert hindurch bis heute war der Platz immer wieder Gegenstand von städtebaulichen Projekten, so war er eine zeitlang sogar als Standort des Grazer Kunsthauses im Gespräch. 1912 wurde ein Wettbewerb für den Bau einer Handels- und Gewerbekammer ausgeschrieben, der das ehemalige Kloster ersetzen sollte. 1935 wurde eine moderne Städtische Markthalle geplant, die das freie Terrain einnehmen sollte. Ein besonders interessantes, großstädtisches Projekt dazu von Herbert Eichholzer und Viktor Badl ist überliefert. Unter dem Paradigma der autogerechten Stadt entstand in den 60er-Jahren eine zentrumsnahe Tiefgarage, deren Lichtmast mit polygonalem Abschluss bis heute dem Platz als zentraler Blickpunkt dient." (Antje Senarclens de Grancy für GAT)

w

eine durch den Abriss älterer Bauten entstandene großflächige „Baulücke“'
...so wie der platz am eisernen tor, die herrengasse oder der hauptplatz - alles bauluecken die in zukunft wohl auch wieder bebaut werden sollen?

Do. 09/02/2012 11:19 Permalink
max

Sorry, aber die Entwurfsübung des Professors für Gebäudelehre hat meiner Meinung nach nur deutlich gezeigt, wie man es NICHT machen darf - nämlich den Platz zu ignorieren und damit auch sein Potenzial, das jetzt nicht ausgeschöpft ist und das in keinem der damaligen Studententwürfe ausgeschöpft wurde (nicht mal erkannt) Mit einer Dichte, wie Gollenz sie verständlicherweise will, wird der Platz genauso Vergangenheit sein wie er es in den Studentenarbeiten gewesen ist.

Fr. 10/02/2012 2:41 Permalink
arch. gerald hirsch

die problematik des "bauplatzes andreas-hofer-platz" ist keine frage der bebauungsdichte. die wünschenswerte stadtraumqualität wird sicherlich nicht über die zu erreichende|verhindernde geschoßfläche realisiert. maßgeblich für die urbane qualität einer bebauung ist die nutzung der stadtebene und damit der sockelzone eines gebäudes in dieser lage. stadtplanung muß sich in dieser situation mit den vernetzungen der stadtebene des gebäudes mit dem urbanen umfeld beschäftigen - seien es platzsituationen, durchwegungen, nutzungen - und diese im sinne der durch die stadtplanung vertretenen bewohnerinnen beim errichter durchsetzten. der preis dafür kann durchaus eine hohe dichte sein.
erst wenn die qualität der stadtebene definiert ist machen studien|wettbewerbe wirklich sinn.

Fr. 10/02/2012 8:08 Permalink
Arch. Elisabeth Lechner

Seit wann vertritt in Graz die Stadtplanung die BewohnerInnen.
Wäre dies so, müsste sie mal nachfragen, was bewohnerInnen sich beim andreas hofer platz so vorstellen.
sockelzonen, die "besonnte" luftige Plätze ersetzen sollen, im gegenzug zu noch mehr höhe und dichte halte ich hier für sehr unpassend.

Mo. 13/02/2012 11:42 Permalink
Arch. Elisabeth Lechner

nur weil dieser "Platz" einmal bebaut war mit einem Kloster, sei er kein Platz, obwohl er Fischplatz hieß. In anderen Städten werden auch Plätze an Orten geschaffen, wo früher keine waren. Das heißt, glaube ich Stadtentwicklung.
Städte und Ihre Anforderungen ändern sich im Laufe der Zeit. Wenn Graz wachsen will, muss es auch für genügend öffentlichen Raum sorgen, gerade wo verstärkt über Nachverdichtung und Dense City diskutiert wird. Und da wäre der Andreas Hoferplatz eine ideale Möglichkeit. Ein Platz, der sich zur Mur hin öffnet, wo man Nachmittagsonne genießen kann.
Die Nutzung durch Schell war im Sinne der autogerechten Stadt- aber sie hat zukünftige Möglichkeiten nicht vernichtet. Die nun zugesagten 13.000 m2 sind und werden diesen Platz für immer vernichten.
Gute Nacht Kulturhauptstadt, Weltkulturerbe und City of Design.
Schade, dass der Entwurf von Eichholzer für diesen Platz nicht umgesetzt wurde, das hätte Qualität gehabt.
Vielleicht löst ja eine intensive Diskussion noch ein Umdenken aus.

Di. 07/02/2012 1:57 Permalink
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