10/12/2013

Das neue Buch  "Konrad Frey: Haus Zankel - Experiment Solararchitektur",
herausgegeben von Anselm Wagner und Ingrid Böck, wurde am 06.12.2013 in den Räumlichkeiten der IG Architektur in Wien präsentiert

10/12/2013
©: Peter Eder

unter der frischen ägide von anselm wagner am institut für architekturtheorie der tu graz zeigt sich eine beachtliche, theoretisch-kritische reflexion der neueren geschichte der architektur in/aus graz.
als zweites produkt dessen wurde gestern in der ig-architektur in wien das buch über das haus zankel von konrad frey vorgestellt. die von jan tabor in bewährter unorthodoxie geleitete diskussion mit frey und wagner, mit ingrid böck als mitherausgeberin und vertreterin jener studentinnengruppe, welche eine profunde dokumentation des oberhalb von genf nahe dem jura gelegenen hauses erarbeitet hat, verlief höchst anregend - allerdings in eher kleinem, "familiärem" rahmen.

besondere würze hatte die sache darin, dass mit dem ehepaar lerch authentische kenner - und zeitweise nutzer - des hauses das wort ergriffen, und dass konrad frey selbst in für architekten ungewohnt offener weise kritische stellungnahmen einforderte - und auch in extenso selbst von der besonders engen, fordernden kooperation mit dem bauherrn berichtete, aber auch vom (fast tragischen) scheitern der kommunikation mit der bauherrin.

frey fiel für mich schon immer aus dem in den 1980er jahren aufgebauten mythos der "grazer schule" heraus und steht zu unrecht sehr im schatten von formal und szenepolitisch viel auffälligeren akteuren dieser region. dass wagner nach der sehr ergiebigen tour d´horizon "was bleibt von der grazer schule"  (band 1 der reihe) eine erste einzelstudie nun diesem experimentellen, heute zum verkauf stehenden und sehr reparaturbedürftigen unikat widmet, bürstet nur konsequent die bisherige historiografie weiter gegen den strich.
frey am nächsten stehen für mich - mit allen differenzen - am ehesten heidulf gerngross und manfred wolf-plottegg in seiner generation, in der nächsten, schon mit mehr einschränkungen, volker giencke, in der übernächsten wohl wolfgang feyferlik, gerhard mitterberger...

wie frey selbst betont, orientierte sich seine haltung unter anderem sehr an cedric price, den er in seinem jahrzehnt in london mit florian beigel aus nächster nähe wahrnehmen konnte, sie ist für mich aber auch eine art entdogmatisierte, spielerische variante zu reyner banhams "architecture of the welltempered environment" - oder eine unpathetische paraphrase zu buckminster fullers systemischen visionen. neben den vielen erhellenden reflexionen in dem buch zur singulären, langen entstehungsgeschichte und auch zum theoretischen umfeld des hauses fällt spontan eines auf:

für mich spielen im hintergrund auch viele grundsätzliche qualitäten der alten osmanischen haustypologien mit, auch das konzept der altjapanischen häuser als leichter wetterschirm, als dritte, ephemere haut; man könnte es sogar auch als neue exegese der semperschen "urhütte" sehen, mit der massiven plattform, dem pfostenwerk des stützgerüstes, und der leicht gewebten, menbranenhaften hülle...ist es nicht wie ein etwas massiver gewirktes zelt, ein osmotischer wetter- und sichtschirm samt thermisch aktiv gemachter fundierung und gewandung?

frey (und zankel) collagierten da technische innovationen mit akzidentistischen aspekten und teils ironisch eingesetzten retro-details. es ist ein "gerät", das freien aufenthalt bietet, und eben nicht den bürgerlichen kokon, das etui, - obwohl es auch mit solchen andeutungen spielt. es ist eine sehr präzise komposition in ort und terrain, dennoch zugleich leicht und fragil, ephemer wie ein zelt - und so auch mit dem bauphysikalischen ablaufdatum versehen und damit ohne allgemeingültigkeit von nachhaltiger "betriebssicherheit"...

"das unbekannte meisterwerk der grazer schule"?? - wie am buchdeckel vermerkt? frey selbst würde sowohl die "meisterwürde" als auch die etikettierung als erster scharf zurückweisen. - was ihn einmal mehr als jene nachdenkliche, kreativ eigenständige, mit witz und selbstdistanz ausgestattete persönlichkeit auszeichnet, die in der szene sich niemals vorgedrängt hatte und letztlich aus meiner sicht dort viel zu wenig adäquate, gleiche chancen für realiserungen oder lehrmöglichkeiten erhalten hatte.

ein sehr empfehlenswertes buch, ein sehr anregender, nachdenklich machender und zugleich sehr inspirierender abend.

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