15/12/2013

Im Gespräch mit Eugen Gross_Teil 2

Am kommenden Sonntag, dem 22.12.2013 erscheint auf www.gat.st ein Nachtrag von Bernhard Hafner zum Gespräch mit Eugen Gross.

15/12/2013

Demonstrativbau Terrassensiedlung Graz-St.Peter, 1965; 1972-78; Modell.

Architektur: WERKGRUPPE GRAZ©: WERKGRUPPE GRAZ

Eugen Gross

©: Thomas Raggam

Studentenwohnheim am Hafnerriegel, Graz (1961-64), Anicht von NW. Planung: Werkgruppe Graz (Eugen Gross, Friedrich Groß-Rannsbach, Werner Hollomey, Hermann Pichler).

©: WERKGRUPPE GRAZ

Die Werkgruppe wurde 1959 von Eugen Gross, Friedl Gross, Hermann Pichler mit Werner Hollomey als Architekt mit Befugnis gegründet, als die Erstgenannten diese noch nicht hatten. Sie arbeiteten im Angestelltenverhältnis bei ihm bis 1964. Im Wohnbau gab es eine Arbeitsgemeinschaft mit Walter Laggner und Peter Trummer.
Anlässlich der Ausstellung "Architektur als Partitur - Werkgruppe Graz 1959 - 1989" im HDA Graz (bis 20.12.) und der Neuerscheinung des Buches "Werkgruppe Graz 1959 - 1989" sprach Architekt Bernhard Hafner (ab 1961 zweimal im Büro der Werkgruppe tätig) mit seinem Kollegen Eugen Gross über das Schaffen der Werkgruppe.

Teil 2

Bernhard Hafner (HA): 1970/71 verbrachte ich ein Sabbatical Jahr der UCLA in Graz. Ich hatte das Projekt einer ‚Simulation alternativer Stadtprototypen‘ abgeschlossen, Teile der Arbeit auf Einladung der Gesellschaft für Architektur im Loos-Haus am Semmering gezeigt, und ein Simulationsprojekt für den Internationalen Wettbewerb Wien Süd eingereicht. Meine Arbeiten über das Weichbild der Stadt waren bekannt und Professor Schuster hatte mich zu einem Lehrauftrag überredet. So wandte sich Architekt Holub an mich, im Rahmen von Forschungsaufträgen als Begleitmaßnahmen für das Projekt Terrassensiedlung ein Projekt vorzuschlagen. Ich hatte die Bewertung der Standortgunst gewählt, das eines der Projekte sein sollte, andere vom Soziologen Freisitzer u.a. Im Herbst setzte ich meine Lehrtätigkeit an der UCLA fort. Ich hörte nie mehr davon.

Eugen Gross (EG): Architekt Holub hatte die Koordination und Abwicklung aller einzelnen Forschungsaufträge (Wohnwert, Bauphysik, sh. werkruppe-graz.at). Ein interessanter und unerwarteter Nebeneffekt der Terrassenhaussiedlung war, dass Einzelhandelsketten in der Nähe Niederlassungen gründeten, um Kaufkraft der zukünftigen Bewohner abzuschöpfen und auch die Bauarbeiter zu versorgen. An der Plüddemanngasse gab es damals ja keine Gebäude, auch die Wohnbauten dort sind erst später entstanden. Wir hatten dagegen selbst ein kleines Einkaufszentrum samt reservierten Standplätzen in der Tiefgarage geplant, das die Fa. Hornig betreiben sollte. Hornig wollte aber offensichtlich nicht mit Entschlossenheit expandieren und zog sich zurück. So gibt es an dieser Stelle einen Platz für Veranstaltungen und die Nahversorgung ist durch die Handelsketten gesichert.
Ein weiter Aspekt ist die Anzahl von Planänderungen, wurden doch Bauordnungen im zeitlichen Ablauf mehrfach geändert, ein anderer der Widmung nur des nordwestlichen Teils der Eustachio Gründer als Bauland, wo die abenteuerlichen Einfamilienhauskreationen entstanden sind. Der Rest, am Fuße des Hangs hinter der Terrassensiedlung blieb Grünfläche.

HA: Das Studentenheim Hafnerriegel wird umgebaut?

EG: Es ist nach über 45 Jahren abgewohnt – es wurde 1960 bis 1964 geplant und errichtet, die Mensa der Karl Franzens Universität 1963-66, – und erhält eine Nutzungsänderung als Wohnbau. Die Außenstiege ist unnötig geworden, da der Brandschutz im Inneren durch Schleusen erfolgen kann. Dagegen haben wird keinen prinzipiellen Einwand aber auch keine Kontrolle. Ich hätte gerne die Aufwertung der Freiräume durch Loggien an den Punkten gesehen, an denen der viertelgeschoßige Versatz aufeinandertrifft. Das hätte die innere Organisation des Gebäudes außen deutlich gemacht. Aber die dafür berechneten Kosten von 5 EUR. / m2 wollte der Bauherr nicht tragen.

HA: Hast du nicht an einem Wettbewerb in Saudi Arabien teilgenommen?

EG: Abraham, St. Florian ich und dann Jon Lundberg nahmen etwa 1957 als Studenten an einem Wettbewerb für eine Universität in Riad teil, für den uns Architekt Emi Meister den Stempel gab. Ich hatte aus Erschöpfung einen Zusammenbruch und Lundberg nahm dann meinen Platz ein. Wie erhielten den 3. Preis.

HA: Gab es für dich Referenzbauten, besonders geschätzte Architekten? Ich habe zuerst, weil es beim Architekten in Wuppertal ein großes Neutra-Bilderbuch gab, Neutra, dann in LA FL Wright und Schindler studiert, als Student am meisten aber Le Corbusier, den ich selbst noch in Paris getroffen habe. Ich habe große Achtung vor qualitätvoller Architektur, in der ich Ordnung und ästhetische Disziplin sehe, wenig für Willkür. Ich habe alle großen Bauten Corbu’s in Frankreich und auch sein schönes Haus mit Ordination für den Curuchet in La Plata, Argentinien, gesehen. Die Holländer Duiker, Mart Stam und van Eyck. In meiner Studienzeit entstand die Siedlung Halen bei Bern vom Atelier 5, die wir alle schätzen. Es gab wenig Gutes, das auch geistige Dimension hatte, nicht nur Zeitgeist. Für Förderer, Otto und Zwimpfer, die sich Huth-Domenig zum Vorbild nahmen, hatte ich keine Wertschätzung, ich sah diese Architektur als Zwimpferei. 

EG:  Als Architekten sind es Le Corbusier und Aalto, so gegensätzlich sie Architektur in der Landschaft sahen. Le Corbusier setzte sie als Gegenpol zur Landschaft –

HA: Wobei ich einen seiner großen Beiträge zur modernen Architektur im Abheben des Baukörpers vom Boden sehe, was die Landschaft auf Augenhöhe nicht unterbricht: Villa Savoy, die Unités d’Habitation –

EG: Ja. Aber bei Aalto ist es die Naturbezogenheit, die Verwendung von Materialien und die Raumbildung, die Verwendung von Ziegel -

HA: Seine Dachkonstruktionen mit Lichteinfall, die, in anderer Weise nur Kahn erreichte.

EG: Hat er nicht in den USA ein Gebäude errichtet?

HA: Ja, beispielsweise das Baker Haus des MIT in Cambridge, Mass. ein Studentenheim mit großartig geschwungenem Grundriss am Charles River. Faszinierend finde ich seinen Werdegang, beginnend mit dem Internationalen Stil des Sanatoriums Paimo in Finnland, zu seinem organisch wirkenden, im Kontext niemals fremd wirkenden Bauten. Ich fand beispielsweise den schräg abgeschnittenen Baumstumpf des Theaters in Essen als wirklich großes Bauwerk.
Wie steht es um Konrad Wachsmann?

EG: Viele meiner Generation, etwa Kurrent, Spalt, Holzbauer, Gsteu, Achleitner, Uhl und ich besuchten die Salzburger Sommerakademie unter Konrad Wachsmann. Sein Modulares Bauen wurde für mich ausschlaggebend. Es ist eine Wachsmannsche Hypothek.

HA: Ich möchte dir abschließend noch sagen, wie ich selbst euch damals sah. Für mich wart ihr Architekten, die der guten, österreichischen Tradition der klassischen Moderne hier am nächsten kamen. Einmal das Weiß des Hafnerriegels und der Mensa. Dann die Liebe zu Ordnung und Geometrie, beispielsweise die Idee, den Grundriss des Hafnerriegels in vier Einheiten einer Schachtel höhenmäßig so zu ordnen, dass jede gegenüber der vorigen um ein Viertelgeschoß versetzt ist. Zugleich das Loslösen von der Schachtel etwa bei der Mensa. Hinsichtlich dieser klassischen Tradition stellt die Terrassensiedlung in Graz-St. Peter meiner Ansicht nach einen ziemlichen Bruch dar. Ihr wart vom Brutalismus eingeholt worden.
Das soll ja ein Gespräch über euch sein und keine baukünstlerische Erörterung. Und dazu gehört es, das außerordentlich kollegiale Klima zu würdigen, das ich bei euch vorfand. Ihr wart das einzige Architekturbüro, in dem ich zeitweise, insgesamt zweimal arbeitete, denn wie sehr verabscheute ich doch die Architekten der Kriegsheimkehrer, die sich den Architekturmarkt sicherten, dass sie mit der Kammer Absolventen fünf Jahren Bürodienst verordneten, bevor diese selbständig sein konnten. Bei dem langen Gedicht, das ich für meine Ausstellung ‚Struktureller Städtebau‘ 1966 in der Neuen Galerie schrieb, hatte ich von Hof- und Un- und anderen Räten gesprochen, um meine Verachtung für den erdrückenden Einfluss des Kammer- und Beamtenwesens auszudrücken. Da hattet ihr es einfacher, ihr hattet keinen Frondienst zu leisten und auch ich konnte mich ihm durch meine Lehrtätigkeit in den USA entziehen, wobei mich Eilfried Huth in absentia anstellte. Ich bin dann erst als Architekt auf eine viel feindseligere Gesinnung getroffen, als sie in den fünfziger und sechziger Jahre herrschte.
Eugen, worum geht es?

EG: Ich greife dein Wort der klassischen Tradition auf. Es geht um Reduktion statt Fülle. Das Notwendige an Struktur. Um Raum, von dem nichts weggenommen oder hinzugefügt werden kann, ohne ihn zu beeinträchtigen: Sparsamkeit der Mittel.
So wenig wie möglich festlegen, um so viel wie möglich zu entfalten.

HA: Bist du sicher, dass das nicht von mir ist? (Eugen Gross lächelt). Aber da ich ja nicht das letzte Wort haben soll und will, danke ich dir für das Gespräch. Schließen wir es mit der Wiederholung dieses Satzes:

EG: So wenig wie möglich festlegen, um so viel wie möglich zu entfalten.   

GAT: Danke für das Gespräch!

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