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Mark ist ein sportlicher und gepflegter Mittfünfziger. Charismatisch und eloquent bewegt sich der Fotograf in der New Yorker Modeszene. Mark entspricht dem Bild des erfolgreichen, gesellschaftlich etablierten und gut situierten Kreativen, der es nach oben geschafft hat. Oben wandelt sich für Marks Leben jedoch zu einem bitteren Begriff, wenn er schlafen geht. Mark ist obdachlos. Seit Jahren verbringt er seine Nächte, in Planen eingehüllt, auf dem Dach eines East Village Wohnblocks. Mark kaschiert tagtäglich seine Situation eines gesellschaftlichen Verlierers durch penible Verwandlung und Inszenierung.
Homme Less nennt der Tiroler Thomas Wirtensohn seinen Debütfilm. Er lebt selbst seit Jahren als Werbefotograf und Filmemacher in New York. Wirtensohn kennt Mark aus einem gemeinsamen, früheren Leben, als sie beide noch gut verdienende Models waren. Der mittlerweile bei mehreren Festivals ausgezeichnete Film erzählt aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel vom Sein und Schein in einer Welt, in der nur Erfolg zählt. Homme Less seziert aber nicht nur den amerikanischen (Alb)traum. Er konfrontiert auch den Besucher selbst mit der Frage, wie weit jeder einzelne bereit wäre, ein potemkinsches Dorf zu errichten, nur um sein Gesicht in der Gesellschaft nicht zu verlieren.
Nach aktuellen Schätzungen haben Einkaufszentren in Europa inzwischen eine Fläche in der Größe von Liechtenstein erreicht. Der filmische Essay Global Shopping Village der Steirerin Ulli Gladik geht diesem Phänomen der letzten Jahrzehnte, das, vom Zwang nach permanentem Wachstum und dem Glauben an die unerschöpfliche Kaufkraft getrieben, sich durch grüne Wiesen frisst, nach. Während innerstädtischer Handel und damit Ortskerne verwaisen, zählen Einkaufszentren für einen Teil der Bevölkerung zu einem festen Platz in der Freizeitgestaltung. Aber auch die Branche selbst unterliegt so mancher Fehleinschätzung, wie Gladik anhand von leeren Malls in Osteuropa nach der Finanzkrise zeigt. Global Shopping Village ist ein Diskurs entlang der Grenzen zwischen verantwortungsvoller (Raumplanungs-)Politik, Investoreninteressen und Begriffen wie Nachhaltigkeit und Ökologie.
Josephinisches Belustigungskomitee nannte sich die immer in barocken Kostümen sich zeigende Widerstandsgemeinschaft, die im Wiener Augarten verhindern wollte, dass der Park durch den Bau einer Konzerthalle für die Wiener Sängerknaben beschnitten wird. „Wem gehört öffentliches Eigentum?“, stellte die Filmemacherin Doris Kittler in das Zentrum ihres Films Hinter den Barockaden und begleitete das bunte Volk der Protestgemeinschaft von ihren berauschenden Anfängen 2007 weg bis zur ernüchternden Räumung des Geländes 2010. Die Konzerthalle ist mittlerweile errichtet. Es verbleibt ein Zeitdokument über eine im wahrsten Sinn des Wortes stoffreiche Variante von zivilem Ungehorsam.
Double Happiness ist ein chinesisches Symbol, dass sich das Glück für Eheleute durch die Hochzeit verdoppelt. Anhand des bizarren Nachbaus von Hallstatt in der Nähe der chinesischen Millionenstadt Shenzhen geht Ella Raidel den Begriffen von regionaler Identität und Globalisierung nach. In Gesprächen mit Architekten und Stadtplanern versucht die Regisseurin gängige Bilder von China und damit auch Europas Zugang dazu zu hinterfragen.
„Existenz wird zur Frage der Verbindung“. Mit dieser Behauptung eröffnet Dreams rewired – Mobilisierung der Träume von Manu Luksch. Die Filmemacherin präsentiert in rund 200 Ausschnitten aus Filmen zwischen 1880 und 1930, dass der Widerstreit zwischen Technikjüngern und Verteidigern der Privatsphäre immer schon ein Thema in der Geschichte der Menschheit war.
Mit Michael Glawoggers Tod 2014 verlor die österreichische Filmlandschaft einen ihrer herausragenden Akteure. Seine langjährige Cutterin Monika Willi wird in memoriam Fragmente aus den unvollendeten Dreharbeiten zu Glawoggers Film ohne Namen präsentieren. Ebenso werden fünf, nur wenigen bekannte, Kurzfilme des Regisseurs aus den Jahren 1981 bis 1989 zu sehen sein.
Ein Kleinod aus dem ORF Archiv hat die Diagonale mit Draußen in der Stadt gehoben. Der legendäre Kurt Ostbahn Erfinder, der leider auch sehr jung verstorbene Günter Brödl, schrieb diese 18-teilige Miniserie 1978. Regie führte Hannes Rossacher.
Disco-trifft-auf-Rock’n’Roll-trifft-auf-Betonsiedlung-trifft-auf-Mundl, beschreibt der Diagonale-Katalog dieses Fundstück über das Leben von Jugendlichen in den 70ern, das, je länger die Serie läuft, desto mutiger, experimenteller, psychedelischer wird. Die jeweils 15 Minuten dauernden Folgen werden an drei Abenden hintereinander gezeigt.
Aufführungstermine der Empfehlungen:
- Homme Less
Freitag, 20.3., 16.00 Uhr, KIZ Royal
Sonntag, 22.3., 13.30 Uhr, Schubertkino 2
- Global Shopping Village
Sonntag, 22.3., 11.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
- Hinter den Barockaden
Mittwoch, 18.3., 18.30 Uhr, Rechbauer
- Double Happiness
Donnerstag, 19.3., 16.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
- Dreams Rewired – Mobilisierung der Träume
Donnerstag, 19.3., 11.30 Uhr, Schubertkino 1
Samstag, 21.3., 18.00 Uhr, Schubertkino 1
- In memoriam Michael Glawogger
Samstag, 21.3., 11.30 Uhr, Schubertkino 1
- Draußen in der Stadt
Eine Teen-Serie aus der Wiener Vorstadt der späten 1970er Jahre
Folge 1-6
Einführung: Mirjam Unger, Gerald Votava
Mittwoch, 18.3., 23:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Folge 7-12
Einführung: Mirjam Unger, Nikolaus Büchel ( Darsteller der Serie)
Donnerstag, 19.3., 23:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Folge 13-18
Einführung: Mirjam Unger
Freitag, 20.3., 23:00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Datum:
Terminempfehlungen
Infobox
Diagonale
Festival des österreichischen Films
in Graz
17.– 22. März 2015
Filmtipps für ArchitektInnen
siehe auch Links unten