05/06/2014

Die Fakultät für Architektur der TU Graz präsentierte auf der greenEXPO14 vom 22. bis 24.05.2014 in Wien erstmals Ergebnisse aus universitärer Lehre & Forschung und machte damit einen wichtigen Schritt in ihrer Öffentlchkeitsarbeit

05/06/2014

C-Shell: Keramik-Beton-Verbundtragwerk, Kooperation des Instituts für Tragwerksentwurf mit der Design Robotic Group der Harvard Graduate School of Design

©: Cornelia Steiner

C-Shell: Keramik-Beton-Verbundtragwerk, Kooperation des Instituts für Tragwerksentwurf mit der Design Robotic Group der Harvard Graduate School of Design

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Das IAT - Institut für Architekturtechnologie mit dem Projekt einer Neuorganisation des Kaiser-Josef-Platzes in Graz

©: Cornelia Steiner

Diplomarbeiten am IAT - Institut für Architekturtechnologie

©: Cornelia Steiner

Vordergrund: Modelle von Diplomarbeiten am IAT / Hintergrund: Projekt Donau-Schwimminsel am ITE - Institut für Tragwerksentwurf

©: Cornelia Steiner

Koje des Instituts für Raumgestaltung

©: Cornelia Steiner

Die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung des Wissenschaftlers ist ein weites Feld – das wissen wir spätestens seit Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“. Wahnvorstellungen und die Flucht in den entrückten Raum einer Irrenanstalt als Ausweg vor der Rechenschaftspflicht der Forschung? Wir geben zwar nicht vor, Newton oder Einstein zu sein, um dank Unzurechnungsfähigkeit Gewissenskonflikte zu vermeiden aber ein größeres Bewusstsein für die gesellschaftlichen Zusammenhänge von Forschungsvorhaben und insbesondere eine öffentlichkeitswirksame Kommunikation ihrer Inhalte wären wünschenswert.

So war es ein gute Entscheidung der Architekturfakultät der TU Graz, sich unter dem Motto architektur forscht bei der greenEXPO14 mit einem Querschnitt ihrer Ergebnisse aus Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekten zu präsentieren. Die greenEXPO ist eine bereits zum vierten Mal veranstaltete Umwelt-, Technologie- und Green Lifestyle-Messe und fand vom 22. - 24.05.2014 auf dem Messegelände Wien statt. Unter dem bewährten Zauberwort Grün versuchte der Veranstalter prima vista, eine ambitionierte Themenvielfalt abzudecken. Die Ausstellung umfasste alternative Mobilitätskonzepte und Umwelttechnologien aber auch gesunde Ernährung, Naturkosmetik und eco-fashion. Das Angebot wurde von einem zweitägigen Kongress begleitet, der führende Namen der sustainability-Szene nach Wien holte, so u.a. Michael Braungart, dessen Cradle-to-Cradle Ansatz ja bekanntlich in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregte.

Die thematische Breite und damit Undifferenziertheit der Veranstaltung muss als einer der größten Kritikpunkte und gleichzeitig als eine durchaus publikumswirksame Strategie gewertet werden. Der Mythos Grün ließ sich wieder einmal gut vermarkten und hat dabei auch seinen Anreiz für ein am Thema Nachhaltigkeit interessiertes Publikum bewiesen. Dies war sicher auch den auflockernden Events zu verdanken, bei denen der umweltbewusste Besucher lernen konnte, wie man „nachhaltig kocht“ oder wie man sich ökologisch vertretbar kleidet, ohne auf den guten alten Jutesack zurückgreifen zu müssen. Für das leibliche Wohl war ebenfalls gesorgt. Und nach einer Stärkung mit Tofu Burger und Fair Trade Kaffee stellte sich der kritische Beobachter dann vielleicht doch die Frage, was der anwesende Tierschutzbund zum Thema Grün zu sagen hat oder ob die Wiener Tafel nicht in erster Linie ein soziales Projekt ist.

In diesem Jahr waren erstmals auch Hochschulen eingeladen, ihre Arbeiten und Ausbildungsschwerpunkte zum Thema zu präsentieren. Das Portfolio der Architekturfakultät der TU Graz umfasste Projekte mit unterschiedlichem Maßstab – von neuen Verbundbauteilen und Gebäudesanierungskonzepten zu Szenarien städtischer Nachverdichtung und einer Studie zu vertical farming. Hier wurden die Handlungsmöglichkeiten auf Gebäude- und Stadtebene deutlich. Die Erläuterung der unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Eingriffen im Objekt und deren Auswirkungen auf das Quartier spielten dabei eine wesentliche Rolle. Ein Beispiel dafür ist die städtebauliche und architektonische Neuorganisation des Kaiser-Josef-Platzes in Graz, mit dem Ziel, seine Bedeutung als Sozialraum wie auch Ort kleinmaßstäblicher Wirtschaft und regionaler Produktvermarktung zu stärken. Das Projekt versuchte, die bestehende lokale Infrastruktur gemäß zukünftigen Anforderungen weiterzuentwickeln. 

Eine ähnliche Annäherung fand sich auch bei dem ausgestellten Prototyp einer zweiachsig gekrümmten Dachhaut aus Keramikplatten – das Ergebnis einer Forschungskooperation des Instituts für Tragwerksentwurf mit der Design Robotic Group der Harvard Graduate School of Design. Auch hier wurde das Altbekannte als Ansatz für eine Neuentwicklung verstanden. Die einzelnen Keramikmodule sind mit Hohlräumen versehen, die nach dem Aneinanderfügen der Elemente mit Beton vergossen werden. Es entsteht eine Struktur aus gekreuzten Betonrippen. Der als Sanitärobjekte oder traditionelle Dachdeckung bekannte Baustoff wird somit zu einem effizienten Keramik-Beton-Verbundtragwerk, welches im Modul wie auch im Gesamtsystem neue Geometrien bei geringem Schalungsaufwand realisierbar macht.

Mit der Präsenz auf der greenEXPO14 unterstützt die Fakultät eine engere Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, die bereits auf EU-Ebene durch das Horizon 2020-Programm gefordert und gefördert wird. „Science with and for Society“ bedeutet dabei nicht nur Forschungsinhalte an gesellschaftlichen Anforderungen zu orientieren, sondern auch die Attraktivität und Akzeptanz von wissenschaftlicher Arbeit zu steigern. Dieser Anspruch kommt einer Forschung im Bereich Architektur besonders entgegen. Muss sich der Architekt nicht ohnehin als Dienstleister der Gesellschaft verstehen, wobei eine Stellungnahme zu ökonomischen, sozialen aber eben auch ökologischen Fragen von zunehmender Bedeutung ist? Die Verantwortung des Architekten scheint mir in dieser Hinsicht nicht allzu fern von der Verantwortung der Universität als Forschungs- und Bildungseinrichtung, d.h. Bildung nicht nur für Semesterbeitrag zahlende Studierende. Zudem ist das „kontextbezogene Entwerfen“ ohnehin ein wesentlicher Baustein der Architekturlehre. Diesen Ansatz auch in der Forschung zu verankern, wäre also der nächste Schritt.

Wenn auch die mit dem grünen Label versehene Ausstellungskultur zu hinterfragen bleibt, ist es der Architekturfakultät gelungen, einen informativen und qualitativ hochwertigen Stand zu realisieren, der bei den Besuchern auf großes Interesse gestoßen ist und neue Kooperationen, z.B. mit Schulen, angeregt hat. Die Entscheidung der Fakultät sich in dieser Hinsicht zu engagieren und Öffentlichkeitsarbeit ernst zu nehmen, ist zu begrüßen und lässt auf eine Weiterentwicklung hoffen. Mit anschaulichen Projekten und Freude am Austausch wird es möglich, die elitäre Festung Universität für ein Wechselspiel zwischen Forschung und Realität zu öffnen. Dies ist ein unumgänglicher und gewinnbringender Schritt, wenn man den Anspruch hat, wissenschaftliche Arbeit mit gesellschaftlicher Relevanz zu betreiben. Also bitte mehr Forschung mit und fürs (grüne) Volk.

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