14/03/2014

Diagonale 2014
Festival des österreichischen Films
18. - 23. März 2014
in diversen Grazer Kinos

Mit Ausdauer und gutem Zeitmanagement gerüstet, sind 190 Filme in 6 Tagen zu sehen

14/03/2014
©: DIAGONALE

Der Wolfgang Murnberger Abschlussfilm an der Wiener Filmakademie 'Himmel oder Hölle' in der Reihe 'Ein anderes Land'

©: Österreichisches Filmmuseum

Peter Lorre Hommage 'Der Verlorene'

©: synema.at

Austrian Pulp Die Zweite: 'Mädchen für die Mambo-Bar'

©: Filmarchiv Austria

Population Boom

©: Thimfilm

Yo no veo crisis

©: David Krems

Earth’s Golden Playground

©: Andreas Horvath

Tower House

©: Karl-Heinz Klopf

Focus on Infinity

©: Joerg Burger

Landscape Suicide, Kadervergrößerung Georg Wasner

©: Österreichisches Filmmuseum

Wie viele neue Werkzeuge für das eigene Leben Filmeanschauen bringt?
Die Meinungen dazu bleiben selbst unter Cineasten geteilt. Ziemlich einhellig werden jedoch die Antworten von erfahrenen Kinoliebhabern ausfallen, wenn es um die Frage geht, welche Werkzeuge für einen Filmfestivalbesuch unumgänglich sind: Gute Ausdauer, effizientes Zeitmanagement und ausgezeichneter Orientierungssinn, wobei Letzterer weniger für das Auffinden der Spielorte, dafür aber um so mehr für den Parcours durch das Programmheft unabdingbar ist.

Die Kombination aus allen drei Fähigkeiten wird auch bei der heurigen Diagonale eine bedeutende Rolle spielen, gilt es doch aus einer Auswahl von rund 190 Filmen in sechs Tagen ein zufriedenstellendes Potpourri zusammenzustellen.
Für ein gelungenes Gesamtpaket am Ende dürfen die neben Wettbewerb und Rückschau der Vorjahrsproduktionen angebotenen Spezialprogramme, Personalen und Rahmenveranstaltungen ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben.
Wie jedes Jahr werden als kleine Erleichterung für den bevorstehenden Seh- und Gehörtest wieder Tipps für Filme, abseits der „Blockbuster“, hier unterbreitet, wohl wissend, dass Filme anderen zu vorzuschlagen, die gleiche Gefahr birgt, wie den eigenen Zahnarzt einem Freund zu empfehlen.

Trotzdem....

Fünfzig Jahre alt ist 2014 das Österreichische Filmmuseum geworden. Im Rahmen der Diagonale werden in der fünfteiligen Reihe Ein anderes Land dreiunddreißig zwischen 1896 und 1994 entstandene Filme aus dem Fundus des Museums gezeigt. Ob „zwielichtig, glanzvoll, verkommen oder endlos berückend“, wie die Kuratoren im Programmheft schreiben, der Blick auf Österreich wird etwas Fremdartiges einnehmen.

Ein Fremdkörper im eigenen Land blieb auch der Ausnahmeschauspieler Peter Lorre. Augen sehen dich an ist eine Hommage an den – wie Intendantin Barbara Pichler Lorre in der Pressekonferenz bezeichnete – zweifach Vertriebenen.  Bedeutete 1931 M- Eine Stadt sucht einen Mörder den Durchbruch für Lorre, ehe er zwei Jahre später ins amerikanische Exil musste und dort seine Karriere in weiteren Klassikern fortsetzte, war der Misserfolg des 1949 nach seiner Rückkehr nach Deutschland in Eigenregie gedrehten Streifens Der Verlorene der Grund für ein neuerliches Verlassen seiner eigentlichen Heimat.  Mit Schuld und Verdrängung, noch dazu aus Sicht eines Emigranten, wollte sich Nachkriegsdeutschland zu diesem Zeitpunkt nicht im Kino konfrontieren lassen.

„Vom Besuch sei dringend abzuraten“, empfahl 1960 der katholische Film-Dienst. Grund genug, den Mädchen für die Mambo-Bar einen Besuch abzustatten. Auch heuer erlaubt sich die Diagonale einen Abstecher in die Niederungen des Genrekinos. Austrian Pulp – Die Zweite wird wieder beweisen, dass sinnfreie Handlungsstränge mit einer Prise Neckermannkatalog-Erotik kein intellektuelles Fremdgehen darstellen, solange die Konzentration auf den einmaligen Set-Dekors der Wirtschaftswunderzeit bleibt.

Genug der Vergangenheitsbewältigung, hin zum Heute.

Gier könnte durchaus ein Leitmotiv für eine Reihe spannender, neuer Filme sein. Werner Boote durchmisst den Planet Erde in Population Boom und stellt sich die Frage, ob unser Planet für sieben Milliarden Menschen wirklich zu klein sei oder ob doch eher die mangelnde Bereitschaft zur Umverteilung Horrorszenarien entwickeln lässt. (Übrigens, würde die gesamte Weltbevölkerung nach Österreich einwandern, stünden für jedes Individuum noch immer elf Quadratmeter zur Verfügung.)

In Spieler verfolgt Katharina Copony den monotonen Alltag eines Online-Poker-Gamblers und demontiert dabei den vermeintlichen Glanz von Erfolg und Gewinn.
David Krems zeigt in seinem Kurzfilm Yo no veo crisis anhand der Ruine eines ehemaligen Vergnügungsparks den Schwanengesang der spanischen Wirtschaft.
Earth’s Golden Playground von Andreas Horvath nähert sich den verbissenen Goldgräbern im unwirtlichen Yukon County Alaskas. Nicht viel weist in Dawson City mehr hin, dass die heutige Beinahegeisterstadt einmal um 1900 für Tausende der Ausgangspunkt in Richtung Traum vom großen Fund war.

Mensch gegen Maschine lautet die Auseinandersetzung in Lukas Feigelfelds Interferenz. In einer von Betonmonstren dominierten, menschenentleerten Landschaft versucht ein Einzelner entgegen den Anordnungen von oben eine drohende Katastrophe zu verhindern.
Wesentlich versöhnlichere Bilder zeigt uns Karl-Heinz Klopf, der die aktuellen Bewohner des 1966 gebauten Tokioer Tower House aus ihrem Leben erzählen lässt. Das visionäre Projekt des damals jungen Architekten Takamitsu Azuma auf nur 20 m2 Grundfläche wird dem urbanen Wandel Japans gegenübergestellt.
In Focus on Infinity sucht Joerg Burger nach dem Bild von Unendlichkeit in unseren Köpfen. Der Film lotet Positionen von Religion und Esoterik über Philosophie bis Wissenschaft hin aus, verdichtet die gefundenen Bilder zu einem Essay, bleibt aber bewusst, ohne für einen Standpunkt Position zu beziehen, im Unbegreiflichen. Das Programmheft  zitiert dazu Woody Allen: „Eternity is very long, especially towards the end.“

Special Mention
Parallel zur Diagonale ist im Kunsthaus Graz die empfehlenswerte Ausstellung Decoding Fear des amerikanischen Filmemachers und Multimediakünstlers James Benning zu sehen. In dieser seziert Benning den Begriff des zivilen Ungehorsams, indem er das Leben zweier bekannter Aussteiger gegenüberstellt: Henry Walden Thoreau und Theodor Kacynski, dem „Unabomber“. Auf der Diagonale ist Benning mit dem 1986 entstandenen Film Landscape Suicide vertreten. In dieser Collage werden anhand zweier Aufsehen erregender Fälle der amerikanischen Kriminalgeschichte die Beziehungen  zwischen Landschaft und Gewalt hinterfragt

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