14/04/2014

Im Fokus:
ENERGIE BAU KULTUR

Richard Resch ist Ingenieurkonsulent für Raumplanung und Lehrbeauftragter an der Universität Graz.
Er betreibt ein ZT-Büro für Regionalplanung in Graz.

14/04/2014

Der österreichische Traum ??

©: Richard Resch
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Energieverbrauch nach unterschiedlichen Siedlungsformen, Quelle: Projekt EFES, ÖIR, Mecca, POS.
x-Achse: EFH peripher 1970, 1990, Niedrig-E / EFH Stadtrand Niedrig-E / MFH zentral / MFH Niedrig-E.
y-Achse: kWh/Pers./Tag für Heizung, Strom / Mobilität

Entwicklung des Energetischen Gesamtverbrauchs in PJ, Quelle: Statistik Austria, Umweltbundesamt.
x-Achse: 1970 - 2010.
y-Achse: Verkehr / Industrie, Gewerbe / priv. Haushalte / Dienstleistung öff.+priv. / Landwirtschaft

Anteil der Wohngebäude mit 1 oder 2 Wohnungen an den Wohngebäuden insgesamt 2013 in %, Quelle: Statistik Austria, ÖROK. Anteil in %: Von 75 (hell) - 95 % (dunkel). Oben klein: Wien

Der UN-Klimabericht zeigt wieder einmal Folgen und Folgekosten sowie die Hauptverantwortung des Menschen zur Verringerung des CO2-Ausstosses auf. Gerade die Raumordnung stellt ein wesentliches Aktionsfeld für eine Annäherung an die Energie- und Klimaziele dar, wenn man bedenkt, dass der Verkehr 33 % und die privaten Haushalte 26 % des energetischen Endverbrauchs ausmachen. Dieser Anteil am Energieverbrauch von über 60 % hängt von der Energieeffizienz des Gebäudebestandes, insbesondere aber auch von der Siedlungsstruktur und der Anbindung an umweltfreundliche Verkehrsinfrastruktur als wesentliche Einflussbereiche der Raumordnung ab.

Während die objektbezogenen Standards zur Erreichung der Klimaziele – zumindest im Neubaubereich – schon weit entwickelt sind, fehlen diese in der Raumordnung noch bei Weitem. Die energiepolitischen Ziele und Klimaziele werden zwar in vielen raumordnungsrelevanten Gesetzen und Programmen festgeschrieben, die Umsetzungspraxis ist davon aber noch weit entfernt. So wird der Bodenverbrauch in Österreich auf eine Größenordnung um die 20 ha / Tag geschätzt, der Motorisierungsgrad macht einen EU-weiten Spitzenwert aus, Österreich und hier wiederum Teile der Steiermark können als besonders zersiedelt ausgewiesen werden, Trendänderungen sind nicht in Sicht. Ein Monitoring zu diesen Entwicklungen und Folgenabschätzungen für private und öffentliche Haushalte besteht erst in Ansätzen, aktuelle Daten für eine öffentliche Diskussion sind kaum verfügbar.   

Verschiedene Modelle von Infrastruktur- und Energiekostenrechnern weisen nach, dass der Primärenergieverbrauch von schlecht gelegenen Einfamilienhaussiedlungen beim Vierfachen von günstig gelegenen Mehrfamilienhausstrukturen liegt und diese Mehrkosten zu einem Gutteil von der öffentlichen Hand und damit wieder vom Steuerzahler abgefangen werden. Trotzdem setzt sich der Trend zum Einfamilienhaus gerade in Ostösterreich ungebremst fort.

Mögliche Instrumente einer energie- und budgetsparenden Raumordnung wie Wohnbauförderung, Pendlerpauschale, Infrastrukturkostenbeiträge, aber auch Ausnahmebestimmungen außerhalb des Baulandes subventionieren die österreichische Idealform – das freistehende Einfamilienhaus im Grünen – als teuerste Wohnform für private und öffentliche Haushalte.

Eine unzureichende Raumordnung, Zersiedelungstendenzen und damit zusammenhängende Kostenbelastungen privater und öffentlicher Haushalte betreffen insbesondere auch die Steiermark. Gerade die Bezirke Graz-Umgebung, Deutschlandsberg, Leibnitz, Südoststeiermark und Hartberg-Fürstenfeld weisen die höchsten Baulandflächen pro Einwohner aus. Die Bezirke Deutschlandsberg, Südoststeiermark und Hartberg-Fürstenfeld haben einen Einfamilienhausanteil von über 95 %. Gleichzeitig sind die Anschlussqualitäten der Räume Südwest- und Südoststeiermark an den öffentlichen Verkehr deutlich schlechter als in der übrigen Steiermark und entstehen gerade in diesen eher dynamischen Räumen immer neue, hohe Mobilitätskosten.

Die Wohnbauleistung in der gesamten Steiermark hat sich zwar generell zu einem erhöhten Anteil von Gebäuden mit drei und mehr Wohnungen verschoben, trotzdem sind in den letzten Jahren 2.000 bis 2.500 Wohnungen pro Jahr bewilligt worden, wo die Gesamtenergiebilanz im besten Fall bei 50 kWh/Person/Tag, im schlechtesten Fall bei über dem Doppelten liegen dürfte. Effiziente Steuerungsinstrumente dazu werden nicht angewandt.        

Bei einer Fortschreibung der Einfamilienhausentwicklung mit zusätzlichen 20.000 Einfamilienhäusern bis 2030 werden Infrastrukturkosten und damit zusammenhängende Betriebskosten in der Größenordnung von 500 Mio € kalkuliert. Mit gezielten raumplanerischen Maßnahmen könnten diese – zu einem Gutteil der öffentlichen Hand aufgebürdeten Kosten – auf die Hälfte gedrückt und deutliche Einsparungen in den öffentlichen und privaten Haushalten erreicht werden.

Als mögliche Ansatzpunkte für eine dringend notwendige effiziente Raumordnungs-, Energie- und Haushaltspolitik, auch vor dem Hintergrund leerer Kassen und noch immer hoher Luftbelastungen in der Steiermark, werden – in Anlehnung an eine Reihe von Expertisen und Forderungen – zusammengefasst:

_ Die Einführung eines Monitorings zu Siedlungsentwicklung und damit zusammenhängenden Auswirkungen auf Flächenverbrauch, Umwelt und private bzw. öffentliche Haushalte. Umsetzung der Berichtspflicht entsprechend Stmk. ROG und öffentlicher Diskurs darüber.

_ Die verpflichtende Anwendung von Instrumenten der Energieraumplanung in der örtlichen Raumplanung, Koppelung dieser umfassenden, raumplanerischen Parameter mit dem schon derzeit verpflichtenden Energieausweis für Gebäude.

_ Die Einführung von Kostenwahrheit und Kostengerechtigkeit sowie dementsprechende Anpassung der Tarifsysteme bei Infrastrukturleistungen der öffentlichen Hand.

_ Die Anpassung der Wohnbauförderung an Ziele der Energieraumplanung, keine Belohnung verschwenderischer Raum- und Mobilitätssysteme.

_ Die Abschaffung der Auffüllungsgebietsregelungen im Stmk. ROG als klares politisches Bekenntnis zu nachhaltigen, energiesparenden Raumstrukturen.

_ Die rechtliche Deckung und Verstärkung der Instrumente zur Baulandmobilisierung, die Einführung eines   Bodenwertausgleichs.

_ Eine sozial verträgliche, raumsparende Umgestaltung der Pendlerpauschale mit Anreizen zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs.

_ Eine stärkere Differenzierung der Raumplanungsinstrumente mit einer kritischen Überprüfung des Baulandes in dynamischen Regionen und eine geordnete Baulandrücknahme in der steirischen Peripherie.

_ Die tatsächliche Verknüpfung ausgewiesener Siedlungsschwerpunkte mit entsprechenden ÖPNV-Qualitäten, wie es im Entwurf zum Sachprogramm Luft vorgeschlagen wird.

_ Eine regionale, energiesparende Standortoptimierung und -sicherung bei überlegtem (inter)kommunalem Nutzungsmix von Wohnen, gewerblicher Entwicklung und ergänzenden Funktionen im Zusammenhang mit der neuen Generation regionaler Entwicklungsprogramme und der Erstellung der Entwicklungskonzepte für die neuen fusionierten und die „alten“ Gemeinden. 

_ Ein klares „politisches Statement“ für eine zukunftsfähige Raumordnung, Information und Bewusstseinsbildung zur Erhöhung der Aufmerksamkeit für Gemeinwohl, nachhaltige Raumentwicklung und Nutzerverhalten anstatt populistischer Klientelpolitik.

Gerade die ambitionierte Gemeindestrukturreform in der Steiermark müsste Anlass sein, diese Vorschläge im Sinne eines effizienten Einsatzes des Raumordnungsinstrumentariums kritisch zu diskutieren und nachzubessern. Nur mit einer Effizienzsteigerung der Raumordnung können die erwarteten Einsparungseffekte der Gemeindestrukturreform auch mittel- und langfristig lukriert werden.    

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