02/12/2015

Am nördlichen Stadtrand von Basel steht das VoltaZentrum von Buchner Bründler Architekten – ein markanter Baukörper, der aus einem massiven Block herausgeschnitzt zu sein scheint. Eine einzige Schicht aus Dämmbeton übernimmt alle statischen und thermischen Aufgaben. 

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Monolithisch Bauen.

02/12/2015

Blick auf das Voltazentrum vom Osten. Rechts davon das Volta West Gebäude von Degelo Architekten.

©: Fabian Reisenberger

Öffnung zum Vogesenplatz. Im Hintergrund, die Autobahnzufahrt Luzernenring.

©: Fabian Reisenberger

Eckpunkt am Vogesenplatz/Ecke Voltastraße

©: Phillipp Schnitzhofer

Die haptischen Qualitäten der porösen Oberfläche laden zum Berühren ein.

©: Phillipp Schnitzhofer

Ein dreieckiges Restgrundstück zwischen einem Kreisverkehr, einer Autobahnbrücke, einer Bahnstation und einer dichten Blockrandbebauung war die Ausgangssituation beim Wettbewerb „Neubebauung VoltaZentrum“ im Jahr 2005. Unweit vom Novartis Campus gelegen, war die Lage im Quartier St. Johann am nördlichen Stadtrand von Basel so prominent wie anspruchsvoll. Das Gewinnerprojekt von Buchner Bründler Architekten setzte deswegen einen markanten Baukörper, der die Fragmentierung der Umgebung aufnimmt und in einem prägnanten Volumen vereint – kontextuell und ikonisch zugleich. Andreas Bründler: “Wir sehen unsere Gebäude zwar als eigenständige Objekte, aber im Entstehungsprozess sind immer auch der Kontext und die Reaktion darauf ein zentrales Motiv. Allerdings war die Kritik am Kontext für uns immer auch ein wichtiger Teil des Kontextualismus. Ein Gebäude soll auch die Möglichkeit haben, einen Ort zu verändern.” (2)

Wie in vielen anderen Projekten von Buchner Bründler Architekten scheint hier die Form aus einem massiven Block herausgeschnitzt zu sein. „Wir haben stark am Modell entworfen“, sagt Daniel Buchner (1). Nur so ist die Entstehung dieser Skulptur möglich, die von jeder Seite anders zu sein scheint und trotzdem auf Eigenständigkeit und Identität nicht verzichten muss. Die monolithische Materialität ist hier die Kraft, die aus mehreren unterschiedlichen Fassaden – mal scharfkantig, mal abgerundet, mal vertikal gefaltet – einen einzigen Baukörper bildet. Die Masse faltet sich auch einmal horizontal, um den Niveauunterschied zwischen der Autobahnbrücke und dem tiefer liegenden Vogesenplatz mit einer größeren Öffnung zu verbinden, und bildet dabei einen an sich widersprüchlichen Eckpunkt an der Ecke zur Voltastraße, der aber von der Massivität der Stirnseite etwas aufgefangen wird.

Die Materialität der Fassade bindet auch die unterschiedliche Nutzungen zusammen, die sich vertikal vom Coop Supermarkt über Büros bis hin zu 74 Wohnungen unterschiedlicher Größe entwickeln. Die Höhe der Öffnungen und ihre Proportionen bleiben zwar konstant, aber die Position der verglasten Elemente variiert: außenbündig in den öffentlicheren Nutzungen, innenbündig in den Wohnungen, bis zu drei Meter zurückversetzt in den Loggien. Die so entstandenen Schattenspiele tragen zusammen mit den schwarzen Rahmen der Verglasungen zum massiven, monolithischen Eindruck bei. Alle anderen Details ordnen sich ebenso dem Gesamtbild unter: es gibt keine sichtbare Verblechung der Attika und keinen Sockel. Das Wegfallen von Bauelementen, die als selbstverständlich gelten, ist oft bei den Details von Buchner Bründler zu finden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel Freiheitsraum sie innerhalb des Normenwerks finden, um einmalige, extrem reduzierte Lösungen zu ermöglichen. Diese werden aber nicht in Szene gesetzt, sondern wirken absichtlich auf dem ersten Blick völlig selbstverständlich und unspektakulär.  

Selbstverständlich wirkt auch die Fassade, obwohl sie erst nach Durchführung zahlreicher Tests und Versuche entwickelt werden konnte. Eine einzige Schicht aus 40(!) cm Dämmbeton übernimmt alle statischen und thermischen (3) Aufgaben. Zum Einsatz kam ein Liapor-Leichtbeton mit Zuschlag der Korngruppe 0/8 Millimeter, welcher mit Liaver der Korngruppe 1/4 Millimeter verschnitten ist (4). Damit wurden bei einer Frischbetonrohdichte von ca. 950 kg/m³ sowohl eine Druckfestigkeit von 10-12 MPa als auch eine Wärmeleitfähigkeit von 0,27 W/m.K erreicht. Weiters sind alle geankerten Metallteile (Schrauben, Dübel usw.) aus Edelstahl, um etwaige Wärmebrücken zu verringern (5).

Die standardisierten Schalungsformate werden durch den großen Öffnungsanteil in den Hintergrund gerückt. Die Betonierabschitte sind zwar erkennbar, aber die homogene, poröse Oberfläche verdrängt die Geschossigkeit in eine zweite Ebene, um den monolithischen Eindruck nicht zu gefährden. Die Ausführung fand mit gewohnter Schweizer Qualität statt, die Faltungen sind scharfkantig und präzise umgesetzt. Eine helle Lasur gleicht etwaige Unregelmäßigkeiten aus und reduziert die Feuchtigkeitsaufnahme des Betons. Die haptischen Qualitäten der porösen Oberfläche wären mit einer dünneren Schicht nicht zu erreichen gewesen. Vor allem dort, wo die Leibungen sichtbar werden (zum Beispiel im Bereich der Loggien), profitiert der Baukörper von der ungewöhnlichen Bauteilstärke.

Das VoltaZentrum war eines der ersten Projekte, bei denen Dämmbeton im dichten städtebaulichen Kontext eingesetzt wurde, und ist wahrscheinlich derzeit das größte Dämmbetonbauwerk. Seine Werte liegen aber nicht nur in diesem Innovationscharakter, sondern vor allem in der durchgehenden Kohärenz zwischen der genialen entwerferischen Lösung und ihrer materiellen Umsetzung. 

Mittlerweile hat der Einsatz von Dämmbeton in zahlreichen Einfamilien- und Ferienhausprojekten in ländlicher Umgebung seine Fähigkeit, einen Dialog mit der umgebenden Landschaft einzugehen, ausreichend unter Beweis gestellt. Buchner Bründler Architekten zeigen mit dem VoltaZentrum, wozu Dämmbeton im dichten städtischen Kontext fähig ist.



Referenzen

(1) „The good, the bad and the ugly im Basler Norden: im Basler St. Johann-Quartier lassen drei markante Wohnbauten das Loch über der Nordtangente zusammenwachsen”. Simon. Hochparterre: Zeitschrift für Architektur und Design. 5/2010. p.18-26

(2) “Buchner Bründler. Bauten”. Ruby et. al. Zurich: gta verlag, 2012. ISBN: 978-3-85676-297-1, p.20

(3) Die Dämmleistung des Betons erfüllte zu der Zeit der Einreichung alle thermischen Anforderungen. Diese wurden in der Zwischenzeit restriktiver, so dass dieser Wandaufbau heutzutage nicht mehr möglich wäre. 

(4 ) Weitere Infos aus der Pressemitteilung von LIAPOR (10.2010): 
Konsistenzklasse C3, E-Modul von rund 5-6 GPa. Um eine gleichmäßige Verteilung der Liapor-Blähtonkugeln in der Matrix zu erhalten und ein Aufschwimmen der Körnung zu verhindern, kamen als Betonzusatzmittel ein Fließmittel, ein Luftporenbildner und ein Stabilisierungsmittel zum Einsatz. 

(5) “Wohn- und Geschäftshaus in Basel”. DETAIL 4/2011. p.370

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