23/08/2017

Ein Türöffner zu Möglichkeitsräumen _ Teil 3

Emil Gruber im Interview mit Thomas Trummer, dem Leiter des Kunsthaus Bregenz;
Juli 2017

23/08/2017

Fassade des Kunsthaus Bregenz

Architektur: Peter Zumthor©: Emil Gruber

Kunsthaus und Verwaltungsgebäude mit dem KUB-Cafe

©: Emil Gruber

Villar Rojas: The Theater of Disappearance: offenes Feuer in der zweiten Etage des KUB

©: Emil Gruber

Heimo Zobernigs Installation 'Apropos' (2014) vor dem Verwaltungsgebäude. Zobernig hatte 2015 eine Personale im KUB.

©: Emil Gruber

Gottfried Bechtolds Betonporsche parkt zwischen KUB und Verwaltungsgebäude

©: Emil Gruber

Sie sind seit über 25 Jahren im Kunstbereich  tätig… Welche Veränderungen hat Ihre Arbeit in dieser Zeit erfahren?

In Österreich hat sich mit dem EU-Beitrag eine Öffnung ergeben, die es früher nicht gab. Insgesamt hat sich in der Kunstwelt viel verändert, die Distribution, die Wahrnehmung, der Umgang mit Bildern. Man akzeptiert Bilder praktisch nur mehr im digitalen Format. Die digitale Fotografie gab es ja bei meinem Einstieg in die Kunst ja noch nicht. Jetzt sind wir sie gewohnt. Ein ganz interessantes Phänomen, wenn wir hier fotografieren. Es ist vertrauenswürdiger für Menschen, wenn sie mit einer professionellen Kamera fotografiert werden, als mit dem Handy. Das ist ein Umkehreffekt. Früher wäre es genau umgekehrt gewesen. Wenn ein Tourist kommt und fotografiert, war es mir egal. Aber wenn ein Profi mit seiner Kamera kommt, dann war es mir unangenehm. Die professionelle Kamera ist vertrauenswürdiger auch in Hinsicht zur Distribution des Bildes.
Das Kunsthaus dagegen ist immer ein Hort des Analogen geblieben, einer authentischen Wahrnehmung von Dingen. Ganz toll ist, festzustellen, dass die Menschen hier Gewohnheiten von draußen ablegen; Geschäftigkeit, Termine, Tagwerk. Sie gehen ins KUB hinein. Niemand verwendet ein Handy, niemand checkt Emails. Das tun sie in anderen Museen schon.

…sogar bei den Bregenzer Festspielen…

…während der Vorstellung, genau. Das hat hier schon etwas mit der Eindrücklichkeit zu tun. Was sich auch verändert hat, ist die Provinz. Diese Biennalen gibt es nun an allen Enden der Welt. In Patagonien, in Shanghai usw. Die Globalisierung hat die Kunst in immer absurdere Weltgegenden getrieben. Und das was exotisch und fremd ist, ist immer noch weiter woanders. Bei der Gründung des Kunsthauses vor zwanzig Jahren war Provinz immer noch innerhalb Europas. Provinz ist jetzt Feuerland und komischerweise müssen wir heute damit aber auch konkurrieren. Aber in der Moderne gibt es einen Zusammenhang zwischen Moderne und Provinz, der sich nicht ausschließt. Es heißt zwar, Kunst sei ein Phänomen von Metropolen, das glaube ich nur bedingt, denn es gab immer Enklaven, wo sich Kunst entwickelte. Ein Beispiel ist Donaueschingen, südlich von Stuttgart, praktisch das wichtigste Musikfestival der Nachkriegszeit – immer noch. Keiner weiß genau, wo es ist, aber es ist der Hort der Musikkultur des 20. Jahrhunderts. Der steirische herbst ist auch so ein Beispiel, der für große künstlerische Leistung steht und nicht in London oder Paris sitzt. Dort kann die Gegenwartskunst anbeißen und ein Klima vorfinden, wo sie sich entwickeln kann.

Politik und Förderwesen funktionieren in Bregenz?

Die Vorarlberger sind sparsam, sagen sie selber. Das Kunsthaus hat auch viel mehr gekostet, als ursprünglich geplant war. Aber die Mehrinvestition hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Das KUB ist zu einem wichtigen Gebäude der Gegenwartsarchitektur geworden und beinahe jeden Tag kommen Studentengruppen aus aller Welt, nur um das Haus zu sehen. Es ist ein wichtiger touristischer Faktor geworden. Wann immer ein Vorarlberger in eine Großstadt der Welt fährt, kennen viele das Kunsthaus dort. Noch mehr als die Bregenzer Festspiele. Die Bregenzer Festspiele sind natürlich unglaublich erfolgreich, sind aber ein regionales Phänomen in Süddeutschland und der Schweiz während das Kunsthaus Bregenz ein großer Name ist und zu den zehn, zwölf besten Kunsthäusern der Welt gehört. Das erfüllt die Leute mit Stolz und damit ist ihnen auch klar, dass es mehr kosten darf.
Aber das ist generell so. Bei der Elbphilharmonie gab es zehn Jahre Debatten, Katastrophen. Jetzt wurde sie eröffnet und kein Mensch spricht darüber. Alle bewundern nun die Akustik, die Atmosphäre, das schöne Gebäude. Das geht oft schnell, dass sich so etwas in einen bedeutenden Faktor der Identität verwandelt. Auch in Graz, kaum ist das Kunsthaus gestanden, haben es die Menschen schon geliebt, fotografieren es, besonders vom Schloßberg.
Kunst und Kultur muss nicht immer hunderte Jahre alt sein, um vom Menschen angenommen zu werden. Natürlich, Kunst kostet, aber sie bringt auch viel und zwar Nachhaltigkeit. Zwanzig Jahre sind nicht viel, aber das KUB ist so verwurzelt im Selbstverständnis, dass es nicht mehr wegzudenken ist aus dieser Stadt.

Spielt Mäzenatentum hier eine Rolle? Das ist an sich in Österreich ja nicht wirklich vorhanden.

Wir haben einen Freundeskreis, der großartig ist, mehr als tausend Mitglieder. Das ist für 29000 Einwohner enorm. Das sind Mäzene, Sponsoren aber auch Sympathisanten, die das KUB weiter in die Öffentlichkeit tragen. Hier ist es durch den Einfluss der Schweiz und Süddeutschlands immer schon anders gewesen. Aber Sie haben recht, in Österreich ist es schwächer ausgebildet, dass sich Private an öffentlichen Kunstinstitutionen beteiligen. Da ist sicher, wie man so schön sagt, Luft nach oben. Besonders in den anderen österreichischen Städten .

Im Zeitalter der Globalisierung, der Netzwerke, der Kommunikation über alle Kontinente hinweg – sind Kooperationen, Projekte des KUB über Bregenz hinaus, ein Thema?

Kooperationen sind an sich gut, ein Impuls. Aber ich gehe stark von der Kunst aus und da will ich Einmaliges und Unverwechselbares und Unaustauschbares, das heißt mir ist schon wichtig, dass hier etwas entsteht, das man sonst nirgends sehen kann. Das hat nichts mit Abschottung zu tun, sondern das ist eine Stärke des Hauses.

An Ihrem seinerzeitigen Arbeitsplatz im Grazer Kunstverein gibt derzeit Ernst Fischers 'Von der Notwendigkeit der Kunst' das Thema vor. Fischer sagte einmal: "Die Kunst muss nichts. Die Kunst darf alles."

Ja, absolut, die Kunst muss alles dürfen.

Herr Trummer, danke für das Gespräch

Nachtrag
Anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums des Kunsthaus Bregenz ist von Rudolf Sagmeister, der seit 1992 als Kurator für das Museum tätig ist, ein sehenswerter Bildband herausgegeben worden: KUB Artists’ Portraits versammelt beinahe alle Künstlerinnen und Künstler, die hier Ausstellungen machten. Eine Rezension des Buches folgt im Herbst 2017 auf GAT.

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