28/04/2009
28/04/2009

v. li.: Peter Pretterhofer und Reinhard Schafler (Architekten in Graz; Entwickler und Betreiber von "baustelle land", Initiatoren der gleichnamigen Diskussion, am 22.04. im HDA Graz) sowie Architekt Wolfgang Ritsch (Dornbirn; erfahrenes Mitglied von Gestaltungsbeiräten in Vorarlberg und Südtirol)

v. li.: Reinhard Schafler, Wolfgang Ritsch, Fabian Wallmüller (Moderation), Walter Werschnig, Hans Gangoly, Andreas Tropper und Günter Koberg.

volles Haus der Architektur, am Abend des 22.04. Fotos: M. Brischnik

Dank des Baukulturreportes wissen wir seit 2008, wie es in unserem Land um die Baukultur bestellt ist. Jetzt gilt es, darauf zu reagieren und den bekannten Ist-Zustand nach Möglichkeit zu verbessern, weshalb das HDA Graz am 22. April 2009 zu einer, von Fabian Wallmüller moderierten Diskussion unter dem Titel „baustelle land“ lud.

Das Problem liegt auf der Hand und lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. So werden z.B. in Vorarlberg 100% der Kommunalbauten von Architekten geplant - in der Steiermark nur etwa 50%. In Vorarlberg sind 27 Gestaltungsbeiräte tätig, die Steiermark kann mit dem Gestaltungsbeirat im südsteirischen Weinland (aktiv seit 2008) lediglich auf einen einzigen verweisen.

Wolfgang Ritsch (Architekt, Vorarlberg) und Walter Werschnig (Raumplanung Land Oberösterreich ) konnten aus Bundesländern berichten, wo Architektur einen höheren Stellenwert zu haben scheint, als den eines (im besten Fall umgehbaren) Übels. Patentrezepte zur Lösung unserer Probleme hatten freilich beide nicht, bei genauem Hinhören allerdings wertvolle Ratschläge.
Laut Ritsch ist in Vorarlberg die Ausgangslage eine andere. Der ländliche Raum ist politisch wie topografisch wesentlich stärker an die Stadt gebunden, weshalb die Politik das Verantwortungsbewusstsein in Baufragen aktiv einfordert. Die Einhaltung von Vergabegesetzen gilt als Selbstverständlichkeit.
Erregten die Vorarlberger Baukünstler in den 1960er und 1970er Jahren noch durch provokante Aktionen Aufmerksamkeit, so ist man sich inzwischen einig, dass ein gesundes Gesprächsklima auf Augenhöhe die Voraussetzung darstellt, um den Bauherren das nötige Wissen und Architekturbewusstsein zu vermitteln. So wie Winzer von den (Hobby-) Sommeliers profitieren, lebt die Baukultur vom grundsätzlichen Verständnis der potentiellen Bauherren für zeitgenössische Architektur.
Die Vorarlberger Fach- und Gestaltungsbeiräte scheinen perfekt zu funktionieren. Sie beraten die Bürgermeister in deren Funktion als oberste Baubehörde und bilden damit ein Qualitätssicherungswerkzeug. Nicht das Aburteilen von Projekten stehe im Vordergrund, so Ritsch, sondern der konstruktive Dialog und die nachhaltige Beratung.

Auch Walter Werschnig stellt die Notwendigkeit der Kommunikation in den Vordergrund. Oberösterreichische Gemeinden, die Bauprojekte positiv umsetzen, werden in Architekturbroschüren präsentiert, welche unter ungezwungenen Titeln wie „Sommer/frische“ (*) zeigen, was machbar ist. In diesen Publikationen sowie im Rahmen der dazugehörigen Präsentationen und Podiumsdiskussionen werden neben Bürgermeistern auch involvierte Firmen, Nutzer und Planer eingebunden – unter den Nachbargemeinden soll dadurch die Begeisterung geschürt werden. Auch seitens der Landesregierung wird die Baukultur in Oberösterreich mitgetragen – seit 2005 ist für alle Hochbauprojekte mit Baukosten über 250.000 Euro entweder ein Architekturwettbewerb oder die Konsultation des „fliegenden Gestaltungsbeirates“ vorgeschrieben.

Die Landesbaudirektion Steiermark war mit Landesbaudirektor Andreas Tropper und Günter Koberg vertreten. Letzterer ist gegenwärtig als Koordinator für Baukultur in der Landesbaudirektion tätig. Auf die Frage, welchen Beitrag die Steiermärkische Landesregierung von politischer Seite zu leisten gewillt ist, konnten beide nur ausweichend antworten. Derzeit werde intensiv daran gearbeitet, den Umgang mit der Baukultur für das Land selbst in einen Leitfaden zu fassen. Bis Herbst soll dieser dann beschlussfähig sein.

Baustelle Land

Die Architekten Peter Pretterhofer und Reinhard Schafler sind seit 2001 als Architekturvermittler im Rahmen ihres Projektes „baustelle land“ wortwörtlich auf Achse. Im Rahmen von organisierten Busexkursionen fahren sie steirische Bürgermeister in Kleingruppen zu gelungenen, gebauten Projekten bis nach Vorarlberg, fördern den Erfahrungsaustausch über den Umgang mit Fachbeiräten und Planern und dokumentieren die Gespräche und Erlebnisse in kurzweiligen Videoberichten (gefilmt von Klaus Schafler, Anm.). Die Veranstaltungen entsprechen dem, was Wolfgang Ritsch und Walter Werschnig fordern – sie bilden eine Kommunikationsplattform und zeigen Architektur in ihrer größten Glaubwürdigkeit, in Form gebauter Objekte. Die Filme zeigen aber auch frappant, welches Image dem Berufsstand des Architekten in der Steiermark anhaftet und wie schlecht die Voraussetzungen für die Wissensvermittlung an Bauherren und für Gespräche über Architektur hierzulande sind.

Hans Gangoly (Architekt, Dekan und Professor am Institut für Gebäudelehre der Architekturfakultät Graz) berichtete von seiner Tätigkeit im Gestaltungsbeirat Südsteirisches Weinland (in dem auch Günter Koberg vertreten ist). Gangoly sieht seine Erwartungen nicht erfüllt. Die zu knapp bemessene Zeit diene eher der Einforderung von Planungsqualität als dem fruchtbaren Gespräch über Baukultur. Oft werde bereits während der Planeinreichung gebaut, und der Umgang mit von der Planung abweichend realisierten Projekten ist bislang ungeklärt.

Die Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen: Im Umgang mit der Baukultur bestehen im Land Steiermark deutliche Missstände und wir wissen wie am Land gebaut werden sollte. Wir wünschen uns Fach- und Gestaltungsbeiräte, und möchten, dass die Bürgermeister diese einsetzen. Peter Pilz, Bürgermeister von Rohrmoos und Teilnehmer der Autobusreisen der Initiative „baustelle land“ bringt das Problem auf den Punkt: Wie sollen Bürgermeister sich für etwas einsetzen, wofür der Bevölkerung das grundlegende Verständnis fehlt? Wenn Gestaltungsbeiräte Bauvorhaben ablehnen oder auch nur verzögern, stärkt das die politischen Gegner und wird sich bei den kommenden Gemeinderatswahlen rächen.
Auch der Architekturwettbewerb verursacht Ängste. Was, wenn irgendein Architekt aus der Ferne, der keine Ahnung hat, was der Ort braucht und was im Ort gefällt, den Wettbewerb gewinnt? Was, wenn dann die Firmen im Ort den "verrückten" Entwurf nicht ausführen können? Wiederum – siehe oben – sehen die Bürgermeister Ärger auf sich zukommen. Da scheint es doch wesentlich vernünftiger, den Umbauplan abzusegnen, den z.B. die Feuerwehr selbst mit der ortsansässigen Baufirma ausgeheckt hat – die wissen doch schließlich selbst am besten, was gebraucht wird.
Der vermeintliche Druck durch Investoren hält schließlich selbst die Stadt Graz davon ab, einen seit langem geforderten Gestaltungsbeirat einzusetzen.

Alles in Allem scheint keine Änderung der Situation in Sicht zu sein. Das Land ist noch damit beschäftigt, seinen eigenen Standpunkt der Baukultur gegenüber zu definieren, anstatt den Gemeinden einen Weg vorzugeben und sie politisch zu stärken.
Die Gemeinden werden aus eigener Kraft keinen Paradigmenwechsel herbeiführen können, vor allem nicht, solange das Verständnis in der Bevölkerung ausbleibt.
An den steirischen ArchitektInnen liegt es nun einerseits, sich gemeinsam zur Qualität zu bekennen und Gestaltungsbeiräte zu fordern, und andererseits aktiv einen Imagewechsel des Berufsstandes in die Wege zu leiten: Weg vom Bild des realitätsfremden, akademischen Besserwissers, hin zum überzeugenden, kommunikationsfähigen Ansprechpartner für nachhaltiges Bauen. Peter Pretterhofer und Reinhard Schafler setzen diesbezüglich Maßstäbe.
MARTIN BRISCHNIK lebt und arbeitet als Architekt in Graz. Mitgründer und -betreiber von LIVING ROOMS - Grazer Kulturverein und Architekturnetzwerk (http://www.living-rooms.at) und der Offene Architekturwerkstätte "gries_40".

(*) LITERATUR

Sommer/frische
Beispiele neuer Architektur im Salzkammergut
Zentralvereinigung der Architekten Oberösterreichs (Hg.)
2008 Verlag Anton Pustet / ZVA-OOE

Hausverstand
Beispiele neuer Architektur im Mühlviertel
Zentralvereinigung der Architekten Oberösterreichs (Hg.)
2004 Verlag Anton Pustet

Verfasser/in:
Martin Brischnik, Bericht
viktor jung

s.g. herr wagendorfer!
..meine vorschläge wurden nicht in meinem büro, sondern bei den beamteten veranwortlichen in der schublade entsorgt!
..und wenn ich an die excursion auf "befehl" der damaligen lh, frau klasnic im jahre schnee denke,...ich weiss nicht ob sie dabei waren??..der auftrag lautete-zitat klasnic:...ich möchte nicht immer von den vorzüglichen bedingungen in voralberg vorgeschwärmt bekommen....!..ich möchte , man möge sich die sache anschauen, und dann auch umsetzen..!
frage:..was ist daraus geworden??..ich weiss von nichts!- sie?
..ich bezeichnete die damalige fahrt ins ländle als " bürointernen betriebsausflug!"- und das war es auch!
..aber da wir bei den vorschlägen sind:...ein vorschlag, auf einen ganz einfachen nenner gebracht- das kapieren auch die einfältigsten bürgermeister-gerade wenn sie wie immer " kräftig " die hand aufhalten, sprich:..steuergelder abhamstern wollen!
die formel lautet:
architektur des projektes nix gut!...nix geld aus dem steuersack!-so einfach ist das!
..wenn weitere vorschläge erwünscht??..ein gespräch ist das einfachste.
..ich ersuche um vereinbarung eines termines!
mit kollegialen grüssen
arch di jung
ps:..aus vorgenannten gründen habe ich mich von öffentlichen auftraggebern verabschiedet...!

So. 03/05/2009 1:33 Permalink
Robert Wagendorfer / FA 7A

Auf "Politik und Beamtentum mit all den Mitläufern und Helfeshelfern" loszugehen, ist natürlich immer fein. Einfach hindreschen! Noch dazu auf jene, wie in diesem Falle LBD Andreas Tropper und Günter Koberg, die sich immerhin der Diskussion stellen und sich derzeit auf breiter Beamten- und Fachebene um eine umfassende Verbesserung bemühen.
Zum Artikel selbst: Die 50% stammen von mir. Ob 100% oder 50% Kommunalbauten durch Architektenhand ist auch noch nicht wirklich das Problem. Die Frage ist, in welcher Projekt- und Vergabekultur überhaupt Projekte - egal ob mit oder ohne Architekten - zustande kommen. Hier darf ich nur beispielsweise darauf hinweisen, dass viele Architekturplaner nur zu gerne - was auch verständlich ist - einen Direktauftrag annehmen, auch wenn vom Auftragswert her ein Wettbewerb oder ein Verhandlungsverfahren (mit mind. 3 Teilnehmern) angebracht wäre. Und dass nach wie vor viele der Projekte ohne gesonderte Projektentwicklung zustande kommen, trägt auch nicht gerade zur Entwicklung baukultureller Qualitäten bei.
Alle, denen zu einer Verbesserung etwas Konkretes und Konstruktives einfällt - darf ich ersuchen, ihre Vorschläge an die Baudirektion bzw. Günter Koberg oder auch an mich zu richten. Danke!

Mi. 29/04/2009 3:33 Permalink
Robert Wagendorfer

Sehr geehrter Herr Jung!
Wenn Vorschläge schubladisiert wurden, ist das immer bedauerlich. Sie sind damit nicht allein. Vielleicht ist jetzt aber die Zeit günstig, diese Schublade(n) zu öffnen ...
Hinsichtlich der engagierten Projekte und der überforderten Projekte: Das ist ja eines der Probleme, die sich mitunter aus nicht abgearbeiteten Projektentwicklungen = Grundlagenermittlung und Bedarfsplanung, ergeben.
Entwicklungs- und Planungsprozesse sind vielen Gemeindevertretern ohnehin entweder fremd oder zu umständlich (Stichwort produktorientierte Gesellschaft, Legislaturperioden u.a.m.).
Nur so - mit "wer hat an was schuldß", ich spare mich da selbst gar nicht aus - kommen wir halt auch nicht weiter.
Die Frage ist auch, ob 50% Architektenbeauftragungen in der Steiermark gegen 100% in Vorarlberg auch gleichbedeutend sind mit 50% der Vorarlbergerschen Projekt-, Vergabe- und Baukultur.
Die Steiermark ist bei öffentlichen Bauten kein Entwicklungsland. Dazu gibt es - auch im kommunalen Hochbau - zuviele sehr gute Realisierungen, die wirklich locker mit Vorarlberger Referenzen mithalten können.
Offenbar werden diese aber zu wenig medial aufbereitet. Hier wäre eine gut dotierte Öffentlichkeitsarbeit wie Baustelle Land u.a. erforderlich.
Leider gibt es in der Steiermark aber auch viele Realisierungen mit Mittelmaß und auch viel Schatten ......

Fr. 01/05/2009 11:56 Permalink
arch viktor jung

sehr geehrter herr wagendorfer!
........wieviele engagierte projekte seitens der baubehörde, sprich überforderter bürgermeister in kooperation mit andienenden bausachverständigen in diesem lande verhindert wurden.....???...die zahl ist eine nicht enden wollende!
..das meinte ich!
mit kollegialen grüssen!
viktor jung
PS:..diesbezüglich vor jahren gemachte vorschläge meinerseits verschwanden in der schublade!

Do. 30/04/2009 11:47 Permalink
arch di viktor jung

....sich in der steiermark für architektur zu engagieren, heisst nichts anderes als" perlen vor die säue werfen!"...ergo:..die bezeichnung entwicklungsland ist ja noch zu hoch gegriffen!... der zugang zu diesem thema wird auf niedrigstem niveau abgehandelt!- dank politik und beamtentum, mit all ihren mitläufern und helfeshelfern!
ps:..vorarlberg ist halt nicht österreich!

Di. 28/04/2009 3:40 Permalink
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