20/03/2013

Stadträtin Lisa Rücker
Zuständigkeiten:
_ A 7 - Gesundheitsamt
_ A 16 - Kulturamt
, ausgenommen
: 
04.Hauptgruppe Stadtbibliotheken
 
06.Hauptgruppe Wissenschaftspflege und Fachhochschulen
Kulturbeteiligungen:
Graz Museum, Steirische Herbst GmbH, Universalmuseum Joanneum GmbH, Theaterholding ohne Eigentümervertretung im Lenkungsausschuss
_ A 23 - Umweltamt

20/03/2013

Stadträtin Lisa Rücker (Grüne)

©: Wenzel Mraček

Ein Gespräch mit Kulturstadträtin Lisa Rücker

Vormals Vizebürgermeisterin, übernahm die Grün-Politikerin Lisa Rücker nach der Grazer Gemeinderatswahl 2012 neben den Ressorts Umwelt und Gesundheit auch die erweiterten Agenden des Kulturreferats. Als Kulturpolitikerin ist sie damit  auch für die Stadtbeteiligungen an den Gesellschaften des GrazMuseums, Steirischer Herbst, des Universalmuseums Joanneum und der Theaterholding zuständig.

Nicht nur die Stadt Graz betreffend: Sieht man sich die politische Landschaft an, scheint die Kultur kein vorrangiges Anliegen im Zuge der Ressortverteilung zu sein. Man reißt sich nicht gerade darum. Haben Sie vor bzw. gleich nach der Gemeinderatswahl gewusst, dass Sie Grazer Kulturreferentin sein wollen?
Rücker: Prinzipiell verstehe ich nicht, warum man sich nicht darum reißt, weil es ein tolles Ressort ist. Ich finde sogar, es ist eines der spannendsten, vor allem in dieser Stadt. Die Diskussion darüber habe ich mit einzelnen Leuten schon vor der Wahl geführt. Warum ich am Anfang nicht sofort gesagt habe, ja, das mache ich, hängt damit zusammen, dass ich weiß, dass das Kulturressort in den letzten Jahren sehr knapp gehalten wurde. Ich musste darum verhandeln, ob ich neuen Gestaltungsspielraum bekomme. Ein Erfolg war, dass ich jetzt auch die großen Spielstätten – Bühnen, Kunsthaus usw. – in meiner Mitverantwortung habe. Außerdem hoffe ich, dass ich zumindest ein bisschen mehr Geld zur Verfügung haben werde, aber das ist noch in Verhandlung. Die Vereinigung der Ressorts hat den Vorteil, besser steuern zu können. Ich habe aber gesagt, dass wir deshalb mehr Budget brauchen, wobei ich weiß, man könnte auch fünf Millionen Euro mehr haben und noch immer wären viele Dinge nicht geklärt.

Gibt es ein Ihnen besonders wichtiges kulturpolitisches Anliegen, das Sie in Angriff nehmen möchten?
Rücker: Was mir auffällt, wenn ich mit Zuständigen in den unterschiedlichen Bereichen rede, ist, dass wir in Graz viel zu wenig Bewusstsein davon haben, was hier alles in hoher Qualität präsentiert wird. Sehe ich mir die Jazzszene an, die international einen sehr guten Ruf hat, so ist das den Grazerinnen und Grazern teilweise gar nicht bewusst. Hohe Qualität kommt aus den freien Produktionen. Überhaupt gibt es da ganz vieles, beispielsweise in der bildenden Kunst – oder aus der Oper. Die Vielfalt in hoher Qualität strahlt über die Stadt hinaus und ich will, dass sie auch wieder in die Stadt hinein strahlt. Das hat man 2003 ganz gut geschafft, nämlich den Scheinwerfer nach innen zu richten, und ich nehme an, dass man da, jetzt nach zehn Jahren, wieder ansetzen könnte. Man muss nicht das Gleiche wieder machen, man braucht dazu kein Kulturhauptstadtjahr.

Wie macht man das?
Rücker: Es geht vor allem darum, den Menschen den Zugang zu erleichtern und man muss natürlich auch die Häuser, die Institutionen, anregen, auf die Leute zuzugehen. Es gibt einiges, das ich als Idee faszinierend finde: Kann man sich als Orchester nicht einmal mit den neuen KomponistInnen zusammenreden und Dinge entwickeln, an die bisher noch nicht gedacht wurde. Verschränkungen sind überhaupt ein großes Thema für mich. Wir werden nicht das Eine abschaffen wollen, um das Andere finanzieren zu können. Vielmehr gilt es, stärker zu verschränken, was einerseits den Szenen selbst und andererseits den KonsumentInnen zugute kommt. Ausgliederungen wird man nicht zurücknehmen können. Das basiert auf breitem politischen Willen und ich glaube nicht, dass damit etwas getan wäre. Klar ist, dass so der Ertragsauftrag an die Häuser stärker ist. Was mir trotzdem wichtig ist - und da sind wir gerade bei den Spielstätten auf einem richtigen Weg - ist, dass die Ressourcen, die innerhalb eines Hauses stark für Eigenproduktionen gebunden waren, wieder frei werden und so die verschiedenen Szenen diese Räume wieder nutzen und sich auch leisten können. Das hat dann auch Einwirkung auf günstigere Eintrittspreise zur Folge.

Sie sind Mitbegründerin von Woment. Gibt es frauenspezifische Anliegen oder Themen, die Sie als Kulturpolitikerin ins Auge fassen wollen? Es gibt etwa Stimmen, die sich für Quotengleichheit im Kulturbetrieb aussprechen.
Rücker: Ich glaube nicht, dass man im kreativen Bereich mit Quote arbeiten kann. Wohl aber kann man, wie Emmy Werner angeregt hat, mit Quote agieren indem man sagt: Bitte schauts, dass in Auswahlverfahren stärkerer Blick auf Komponistinnen oder Autorinnen gerichtet wird. Es ist nicht so, dass es das bisher nicht gegeben hat, aber an der Wahrnehmung mangelt es. Qualität muss im Vordergrund stehen, aber die wird nur vielfältiger, wenn man in Richtung eines Gleichgewichts denkt. Und das kann man schon steuern. Meine Jugend in Graz ist mit Eva & Co und Frauenfabrik verbunden und das wird mir weiterhin ein Anliegen sein. Den feministischen Kontext in der Kulturpolitik muss man heute natürlich anders behandeln. Allerdings sind manche Bereiche – eben auch in der Kulturpolitik – zwischen Männern und Frauen unglaublich ungleich verteilt; spürbar vor allem immer noch dort, wo es um Macht, Entscheidungen und Einkommen geht.

In einem Interview haben Sie bereits Vorbehalte gegenüber dem Beirats- und Evaluierungssytem angesprochen. Evaluiert wurde in den letzten Jahren ja ausgiebig, aber wo hapert es im Beiratssytem?
Rücker: Was ich fix plane ist, den Kulturbeirat neu aufzusetzen und neu zu besetzen. Dem Kulturbeirat würde ich gerne die Funktion des Think Tank zurückgeben. Die Fachbeiräte habe ich mir jetzt genau angesehen, ich halte das für ein gutes System. Ich halte auch deren Beurteilungen für nachvollziehbar und transparent. Vorbehalte, dass da Leute sitzen, die eigene Interessen verfolgen, sehe ich so nicht gegeben. Ich finde auch die Zusammensetzung mit Leuten von außen in Ordnung und dass die verschiedenen Sparten auf einander schauen. Daraus entstehen hoch seriöse Arbeit und gute Entscheidungsgrundlagen. Dass man trotzdem als Kulturreferentin manchmal anders entscheidet ist klar, es sind schließlich Entscheidungsgrundlagen und die Beiräte sind keine Entscheidungsgremien.

Mit den Beiräten steht man immer wieder vor dem Problem, dass diese nicht involviert sein sollen. Ist das aber der Fall, besteht die Gefahr, dass die Kompetenz fehlt.
Rücker: Das ist bei der Architektur in Graz auch nicht anders. Alle in dem Bereich haben miteinander studiert, ob die jetzt auf einer Verwaltungsebene miteinander entscheiden, ob sie jetzt miteinander in irgendwelchen Beiräten, Kommissionen oder Jurien sitzen. Natürlich kennt man einander und natürlich muss man Bescheid wissen, was passiert. Aber wichtig ist, dass man trotzdem trennen kann und ich habe das Gefühl, dass da sehr seriös gearbeitet wird und dass niemand in den Beiräten sitzt, der womöglich über sein Projekt alleine entscheidet. Deshalb kann ich dem Fachbeiratssystem momentan viel abgewinnen. Also: Der Kulturbeirat wird neu aufgestellt, der Fachbeirat wird einstweilen so belassen. Da wird ohnehin alle paar Jahre durchgewechselt. Bereffend Evaluierungen bin ich derzeit damit beschäftigt, Fragen so aufzusetzen, dass es für die Evaluierten zu einem besseren Nutzen führt. Eine Evaluierung soll ja nicht nur ein Legitimationsmittel sein, das man politisch vertritt, um Gelder zu verteilen, sondern auch eine Hilfestellung, nach der man sich weiter entwickeln kann. Gerade die Kultur ist politisch offensichtlich einem so hohen Legitimationsdruck ausgesetzt, während zugleich nichts so gut dokumentiert und evaluiert ist wie die Kultur in Graz. Bis auf fünfhundert Euro kann jeder wissen, wer was in Graz bekommt. Das gibt es in keinem anderen Bereich. Wahrscheinlich hat das auch damit zu tun, dass der Druck der Öffentlichkeit, zu wissen, was mit Steuergeld passiert, hier höher ist als bei manchem anderen, mehr oder weniger sinnvollen Projekt.

In einem auf GAT erschienenen Artikel wird die Altstadt-Sachverständigenkommission (ASVK) massiv kritisiert – „wettbewerbsähnliche Verfahren“, die ASVK nähme eine „Projektentwicklerrolle“ ein.
Rücker: Ich habe die Denkmalschutzdiskussion der Altstädte sehr intensiv verfolgt, weil ich ja auch Umwelt- und Ökologiereferentin bin. Ich glaube es ist wichtig, eine Balance zu finden darin, dass eine Stadt mit ihrem Kulturschatz gepflegt und erhalten werden muss und trotzdem muss sie lebbar sein und darf kein Museum werden. Mit der architektonischen Mischung zwischen Alt und Neu sind wir in Graz bisher einen guten Weg gegangen. Die Besetzung der ASVK scheint mir eine brisante Angelegenheit zu sein, ich kann mir dazu aber keinen Einblick verschaffen; ich bin nicht zuständig. Ich bemerke nur – wie alle – den Unmut gegenüber dieser Angelegenheit.

Gibt es Ihrerseits Gespräche mit dem Kulturreferat des Landes, mit LR Buchmann?
Rücker: Wir hatten gerade einen ersten Termin, wir werden im Jour fixe zusammenarbeiten. Besprochen haben wir aktuelle Themen: Wie gehen wir mit den Ateliers für bildende Kunst in der Stadt um – das sind wirklich Baustellen, weiters ging es um die Spielstätten. Ich habe da keine Berührungsängste, vielmehr sehe ich im Landesrat durchaus jemanden, der Kulturpolitik machen will, einen Macher. Wir werden uns inhaltlich schon immer wieder treffen, auch wenn ich glaube, dass wir oft unterschiedliche Vorstellungen haben. Mit Sicherheit haben wir einen unterschiedlichen ideologischen Background, aber generell, wenn ich mich umhöre, ist LR Buchmann einer, der sich auch um die Dinge kümmert – und da treffen wir einander.

Die geplanten Künstlerateliers – Stadt, Land und das Freie Atelierhaus Schaumbad – auf dem Tagger-Areal sehen auf den ersten Blick wie die lange gesuchte Lösung aus, erweisen sich aber als hoch komplizierte Angelegenheit.
Rücker: (lacht) Ja! Wir arbeiten gerade daran, eine Lösung zu finden zwischen einerseits selbst verwalteten Ateliers – ein wichtiger Aspekt, da sind wir uns mit dem Landesrat einig – und andererseits wollen wir trotzdem eine gute Struktur finden, in der nicht alles mehrgleisig läuft. Je lebendiger und vielfältiger die Ateliersituation wird und je unterschiedlicher die Arten der Bespielung sein werden, desto interessanter wird die Konstellation.

Heißt das, die Ateliers könnten nur der Anfang von etwas Größerem sein, das in der Puchstraße entwickelt wird?
Rücker: Ich hoffe schon. Ein großes Problem dort ist allerdings der Geruch, ein wirklich heißes Thema. Wenn man den Freiraum am Atelierkomplex nutzen will, muss hier ebenfalls eine Lösung gefunden werden. Wir sind dran!

Tritt, Kulturschaffende betreffend, das Tagger-Areal jetzt an die Stelle der Reinighausgründe?
Rücker: (überrascht) Nein! Ich hoffe, dass es in dieser Stadt weiterhin viele Kulturorte gibt und dass gerade im Bereich der bildenden Kunst bzw. in der Verschränkung der Sparten noch einiges drinnen ist. Wir sind ja eine wachsende Stadt. Wir wollen, dass viele junge Leute und viele Kreative hier leben und arbeiten. Für mich ist da nach obenhin alles offen. Es hängt nicht allein an der Frage, wie viel Geld man wo rein steckt, sondern dass man rechtzeitig Vorsorge trägt, damit Dinge entstehen können. Dabei ist das nördliche Stadtgebiet Reinighaus Gegenstand der Überlegungen, nämlich wie man einen Mix aus Wohnen und Kultur zusammenbringt. Als Grüne haben wir uns von Anfang an für einen Beschluss eingesetzt – der wurde jetzt auch so getroffen, nämlich für eine begleitende Verantwortung der Stadt. In Reinighaus darf nicht einfach punktuell investiert werden, sondern es ist darauf zu achten, wie ist man dort mobil, wie geht man mit Energie um und vor allem, wie sieht der soziale Zusammenhang und die Mischung dort aus.

Und leistbares Wohnen wird es auch geben?
Rücker: Schaut so aus! Die Hummelkaserne ist jetzt immerhin der nächste Schritt. Wir haben seit Jahrzehnten in Graz keine Gemeindewohnungen mehr gebaut und in der letzten Regierungsperiode wieder damit begonnen.

Graz ist seit 2011 City of Design. Woran merkt man das?
Rücker: Wenn man genau hinschaut, bemerkt man das in Bereichen, in denen junge Designer in Ausbildung sind oder an Designern, die international unterwegs sind. Ich kenne einige Designer, die davon leben. Als Wirtschaftsförderungs-Ansatz macht CoD sehr wohl Sinn. Dieser Motor ist angeworfen und deshalb schätze ich CoD auch. Wenn Leute hier von Design leben wollen, braucht es Initiativen, die über die Stadt hinaus leuchten und die Möglichkeit bieten, international ins Geschäft zu kommen. Das andere ist natürlich, dass wir innerhalb der Stadt keine klare Haltung zu CoD haben. Schwarz/Grün war dafür, die anderen dagegen und ein gegeneinander Ausspielen findet statt. Ich fürchte, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich die Stadt entscheiden muss, weiter City of Design zu bleiben. Da muss man aber auch Geld in die Hand nehmen und zugleich muss man darauf achten, dass ein Nutzen für die gesamte Kulturlandschaft entsteht. Da wird auch Eberhard Schrempf [GF Creative Industries Styria] gefragt sein, in eine stärkere Verschränkung zu gehen, das ist nicht allein politisch zu steuern.

Das Stadtarchiv soll an das GrazMuseum angebunden werden?
Rücker: Das wird gerade erst geprüft. Ich bin für beide Einrichtungen zuständig und habe gesagt, bevor wir weiterreden, möchte ich objektivierbare Daten haben. Wenn der Zusammenschluss der Sache dient, machen wir’s. Personalpolitische Überlegungen sind für mich kein Antrieb für so immense Strukturveränderungen.

Es gibt erneute Bemühungen mehrerer Grazer Kultur- und Kunstvereine, eine Akademie für bildende Kunst zu etablieren. In einer Anlaufphase sollen Sommerakademien organisiert werden.
Rücker: Das ist schon fast ein historisches Kapitel in der Stadt Graz bis zu Papieren, die zuletzt beim Bund gelandet sind. Es gibt derzeit eine aktive Arbeitsgruppe, die an einem Modulsystem arbeitet. Als pragmatischen Ansatz finde ich das zunächst einmal okay. Aber für nicht sinnvoll halte ich es, eine Akademie neben die Unis Wien, Linz, Salzburg, zu setzen. Betreffend Graz müsste man eine Verknüpfung mit bestehenden Institutionen anstreben, neue Infrastruktur würde letztlich nur wieder immensen Verwaltungsaufwand bedeuten.

Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum (am Universalmuseum Joanneum) sieht sich bei der Realisierung von Projekten im Stadtraum Graz immer wieder in Diskussionen um Zuständigkeiten verwickelt. Ist diesbezüglich an ein praktikables Abkommen zwischen IKiöR, Kulturamt und Beiräten der Stadt gedacht?
Rücker: Grundsätzlich hat Kunst im öffentlichen Raum eine enorm hohe Bedeutung, gerade in unserer Gesellschaft, wo man sagt, die Kunst soll auf die Leute zugehen. Andererseits weiß ich, auch weil ich zuletzt für das Straßenamt verantwortlich war, dass es ein Grundproblem mit temporären und langfristigen Installationen gibt. Wir müssen Diskussionen in eine Richtung führen, die den temporären Aspekt betont, nachdem sich ja auch der Stadtraum selbst stetig verändert. Aber in diesem Fall, wie generell, muss ich betonen: Ich bin nicht die Kultur-Macherin. Ich bin nur die, die politisch zuständig ist und die Rahmenbedingungen erleichtern will.

Frau Stadträtin, wir danken für das Gespräch.

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