28/01/2016

ArchitektInnen wehren sich gegen den Verlust von Planungs- und Auftraggeberkultur.

Rund 30 Medienvertreter nahmen an der Presse-konferenz der ZT-Kammer für Wien, NÖ & Bgl. am Do, 21. Jänner 2016 teil. Die Kammer hatte gemeinsam mit dem VZI (Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe) und der Rechtsanwaltskanzlei Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik geladen.

Fast alle österreichischen Medien haben berichtet – siehe Links unten.

Der OE1-Bericht im Mittagsjournal am 21.01.2016 ist noch abrufbar.

28/01/2016

Wer hütet die Wettbewerbs-, Planungs- und Vergabekultur?

©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Bauprojekte der öffentlichen Hand sind erheblicher Teil unserer Baukultur. Umso wichtiger ist ihre transparente und qualitätsvolle Abwicklung. Von der Ideenfindung über die Planung und Vergabe bis zur Ausführung und Inbetriebnahme.
In diesem Zusammenhang möchten wir ganz deutlich festhalten, dass wir gerade die Stadt Wien als verantwortungsvolle und besonders kompetente Auftraggeberin kennen, die wesentlich zu einer gedeihliche Entwicklung dieser Stadt beiträgt.
Mit Sorge beobachten wir daher einen Verlust der Planungs- und AuftraggeberInnenkultur in bestimmten Fällen. Das reicht von der systematischen Verweigerung offener, fairer und transparenter Auslobungen für Architektur- und städtebauliche Wettbewerbe auf der einen Seite bis hin zum Beschneiden, Verkürzen und Verflachen des Planungsprozesses auf der anderen Seite.
Und es ist falsch:
Diese Vorgangsweisen bedrohen nicht nur die lebendige, kompetente und innovative Expertise der österreichischen ZiviltechnikerIinnen, sie bedrohen auch die Qualität öffentlicher Bauvorhaben und nicht zuletzt das Budget der Öffentlichen Hand.
Wenn Planungsleistungen beschnitten und nicht zu Ende gedacht werden können, dann steigt das Risiko des Entstehens von Mängeln, Kosten und Terminüberschreitungen enorm. Auch noch so ausgefeilte Verträge können dann nicht mehr schützen, wenn die umfangreichen Planunterlagen fehlen.
Wie in jedem komplexen Prozess können und werden hier auch Fehler passieren. Unser Thema heute ist es, aufzuzeigen, was Fehler besonders begünstigt ­– ja sie fast zwangsweise hervorruft – und wie mit Fehlern umgegangen werden sollte, wenn sie passiert sind. Seien sie nur vermeintlich oder tatsächlich.

Fehlerursache Nr. 1 - Mangelnde Projektvorbereitung
Die Öffentliche Hand beginnt mit dem Bau von Projekten oft ohne entsprechende Projektvorbereitungen, also zu einem Zeitpunkt, wo weder die Finanzierung der Projekte in vollem Umfang gesichert noch deren Planung hinreichend abgeschlossen ist.
In Zeiten knapper Haushaltskassen werden auch riskante Finanzierungsmodelle gewagt. Diese Modelle haben oft eines gemeinsam, nämlich dass ihre Planung und Steuerung durch viele Hände geht. Damit steigt der Kontroll- und Zeitaufwand unnötig.
Durch diverse Auslagerungsmodelle wird auch die Kompetenz zur Lösung von komplexen Bauaufgaben und Problemen der Öffentlichen Hand untergraben. Damit kann folglich auch qualifiziertes Schlüsselpersonal nicht länger gehalten werden. Die Schuld wird dann auf andere geschoben, oft auf PlanerInnen und ZiviltechnikerInnen.
Ein weiterer Effekt der mangelnden Vorbereitung sind sich daraus ergebende Änderungswünsche während des Planungs- und Bauprozesses. Projekte werden dadurch teurer, die Planungs- und Bauphase dauert erheblich länger.

Fehlerursache Nr. 2 - Billigstbieter statt Bestbieter
Anstelle von Bestbietern werden Billigstbieter beauftragt. Oft, weil es scheinbar einfacher ist, den billigsten Preis zu ermitteln, als das beste und nachhaltigste Angebot auszuwählen. Die Folge sind Claim-Management und Konkurse. Eine weitere Folge ist das unvermeidliche Auftreten von Mängeln sowie die Zerstörung von solide und fair wirtschaftenden Klein- und Mittelbetrieben. Das alles wird zu einem zunehmenden Schlachtfeld für Juristen. Die Anliegen an das Bauprojekt selbst gehen da oft unter.

Fehlerursache Nr. 3 - Mangelnde Fehlerkultur
Wie schon erwähnt, werden in komplexen Systemen immer Fehler auftreten. Es kommt darauf an, wie man mit diesen umgeht. Priorität dabei hätte Transparenz in der Aufklärung, Verantwortung übernehmen und lösungsorientiertes Vorgehen bei deren Beseitigung. Selbstverständlich müssen die ­ – in einem fairen Verfahren festgestellten Mängel und Schäden – vom Verursacher beseitigt werden.
Es muss aber nicht jeder Baumangel, der vor Fertigstellung und Übergabe entdeckt wird, automatisch zu einem Gerichtsverfahren führen, er kann auch einfach behoben werden. Hier ist Augenmaß von allen Beteiligten einzufordern.
Nicht gerechtfertigte Baustopps, Klagen und die Suche nach Schuldigen außerhalb der eigenen Netzwerke und politischer Verantwortlichkeiten führen nicht zu Lösungen und zum Erfolg. Die Kosten in enormen Höhen trägt letzten Endes immer die Bevölkerung, der Steuerzahler.
Es ist mittlerweile auch zu beobachten, dass durch irrationales Konstruieren von vermeintlichen Schadenssummen die Prozesskosten ins Unermessliche gesteigert werden, ohne dabei einer sachlichen Lösung näher zu kommen. Dies führt u. a. dazu, dass Versicherungen keine Haftungen mehr für Projekte übernehmen können.

Das Problem erreicht bei der Causa Stadthallenbad seinen vorläufigen Höhepunkt. Es geht uns hier nicht um den speziellen Fall an sich. Es geht uns darum, dass am Beispiel dieser Causa ein drohender Verlust an AuftraggeberInnenkompetenz zu beobachten ist, der sich ganz allgemein negativ auf die Bau- und Planungskultur, aber auch auf den Umgang mit öffentlichen Budgets auswirken wird.  

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