09/02/2011
09/02/2011

Am Mittwoch, dem 09.02.2011 stimmten SPÖ und ÖVP im zuständigen Landtagsausschuss, gegen die Stimmen der Grünen, von FPÖ und KPÖ, für ein generelles Bettelverbot für die Steiermark, das am 15.02. im Landtag beschlossen werden soll.
Der Grazer Menschenrechtsbeirat kritisiert das geplante Verbot als verfassungswidrig.

Betteln soll generell verboten werden. Gemeinden sollen aber die Möglichkeit haben, Betteln in bestimmten Gebieten und zu bestimmten Zeiten, ausdrücklich zu erlauben. Bisher war im Landessicherheitsgesetz nur aggressives Betteln und das Betteln von Kindern verboten.

Aus aktuellem Anlass bringt GAT nochmals die nachfolgende Glosse von Günter Eichberger. (Erstabdruck auf www.gat.st, am 22.12.2010):

DIE HERZLOSEN FASSADEN

spar aus dem schönen bild den menschen aus
damit die tränen du, die jeder mensch verlangt,
aussparen kannst; spar jede spur von menschen aus
(Ernst Jandl)

Graziöses Graz, von oben, aus der Perspektive der Überflieger betrachtet: Diese gelungene Mischung aus Weltkulturerbe und Weltkulturzukunft! Die ganze Stadt ein gemaltes Haus in vielen Stilen. Ihre Schönheit legt sich sanft aufs Gemüt und beruhigt den Magen. Man möchte diese Genusshauptstadt essen! In ihr nicht nur wohnen, sondern ihr beiwohnen!
Von unten, auf ebener Erde stellt sich die Sache anders dar. Da wird das Stadtbild wie üblich empfindlich gestört durch Menschen. Die einen gehen, die anderen stehen. Und von denen, die da stehen, gehen viele betteln. Was denken die schönen Fassaden von den unansehnlichen Menschen? Denken sie: Da möchte ich doch einstürzen, diesen Bettelmann unter mir zu begraben. Oder sind Fassaden so herzlos, dass es sie nicht berührt, wenn so ein armseliger Mensch ihre Makellosigkeit beleidigt durch sein provokantes Elend?
Hat dieses Juwel von einer Stadt es wirklich nötig, sich durch eine schmutzige Fassung um seine Wirkung gebracht zu sehen? Wann erhebt sich endlich das gutbürgerliche Volk, wenn schon die Prunkbauten ruhig stehenbleiben?
Menschenrecht? Was heißt da Menschenrecht? Es gibt ein Menschenrecht auf Schönheit. Und diesem Schönheitsempfinden steht der Mensch im Weg, drum werden wir erst gar nicht lange fragen, sondern mit den Bettelleuten abfahren. Die setzen wir in einen Zug, der bringt sie sicher nach Hause oder einen noch schöneren Ort, wo sie ganz unter ihresgleichen sind.
Und wenn wir diesen unschönen Anblick aus unserem Gesichtsfeld verbannt haben, werden wir uns den anderen Ärgernissen zuwenden: den Missgestalteten, den Gebrechlichen, den Schlechtgekleideten. Auch für sie werden wir ein Plätzchen finden. Und in der Folge alle ausweisen, die uns nicht zu Gesicht stehen. Irgendwann werden wir dann in Schönheit allein sein.
GÜNTER EICHBERGER

Verfasser/in:
Redaktion GAT Graz Architektur Täglich
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+