24/11/2015

DAHEIM – BAUEN UND WOHNEN IN GEMEINSCHAFT

Ausstellung
12. Sept. 2015 – 28. Feb. 2016

Deutsches Architekturmuseum
Frankfurt am Main
Schaumainkai 43

Bericht über die Ausstellung und einen Vortrag von Prof. Dipl. Ing. Marion Goerdt, Architektin und Stadtplanerin, FH Trier und Dipl. Ing. Birgit Kaspar, Diplom-Verwaltungswirtin und Stadtplanerin, Mitbegründerin des Netzwerks Wohnen Rhein-Main unter dem Titel Bezahlbares Wohnen in Metropolen. Zürich als Vorreiter des gemeinschaftlichen Wohnens.

24/11/2015

DAHEIM. Bauen und Wohnen in Gemeinschaft. Die Ausstellung im DAM. © Norbert Miguletz

Ausstellung DAHEIM: Dachaufbau, Wien (2012)

©: Roland Krauss

Ausstellung DAHEIM: Atelierhaus, Yokohama (2009), Architekten: ON design&partner. © Koichi Torimura

Ausstellung DAHEIM: Projekt BIGYard, Berlin (2010), Architekten: Zanderroth Architekten + Herrburg Landschaftsarchitekten. © Simon Menges

Ausstellung DAHEIM: Projekt Oderberger Straße, Berlin (2010), Architekten: BAR Architekten. © Jan Windszus

Ausstellung DAHEIM: Projekt Spreefeld, Berlin (2014), Architekten: ArGE Carpaneto, FAT Köhl, BAR Architekten, Die Zusammenarbeiter. © Ute Zscharnt

©: Ute Zscharnt

Seit Mitte September 2015 und bis Ende Februar 2016 läuft im Deutschen Architekturmuseum eine von Annette Becker und Laura Kienbaum zusammengestellte und kuratierte Ausstellung über das Bauen und Wohnen in Gemeinschaft. Ergänzend wurde ein ambitioniertes Begleitprogramm mit Entwurfsworkshops für Baugruppen und Speed-Dating-Aktionen für bestehende und zukünftige Baugemeinschaften zusammengestellt. Um die Alternativen zum üblichen Wohnungsmarkt zu vermitteln werden auch noch Schüler-Workshops und Lehrerfortbildungen, etliche Vorträge und Podiumsdiskussionen sowie Exkursionen in die Umgebung aber auch bis Wien angeboten.

Ausstellung
Die Ausstellung folgt dem Trend zum Wohnen mit Mehrwert. Das Interesse an neuen Wohnformen und gelebten Nachbarschaften nimmt besonders in den Großstädten beständig zu, da es ein Gegengewicht zur digitalisierten Umwelt schafft und Flexibilität aber auch nachbarschaftliche Unterstützung und Kommunikation offeriert.
Die Kuratoren vermitteln in der Ausstellung die ganze Bandbreite der Wohnprojekte mit gemeinschaftlichen Angeboten. Da werden exklusive kleine Projekte wie der, einem tunesischen Dorf nachempfundene, Dachaufbau von PPAG Architekten in Wien und das japanische Künstlerhaus in Yokohama den bekannten großen Siedlungsprojekten neuer Genossenschaften in Zürich gegenübergestellt.
Neben den Berliner Baugruppenprojekten wird aber auch mit den Bremer Stadtmusikanten von Artec Architekten sozialer Wohnbau aus Wien gezeigt und aus Südtirol die von einer Kleingenossenschaft errichtete Siedlung in Kaltern von feld 72. Diverse Einzelprojekte wie ein holländisches, kompaktes Villenprojekt am flachen Land und Arbeiten aus Kanada und Skandinavien runden das Bild ab.

Ausstellungskatalog
Nachzuschlagen sind die Beispiele im umfangreichen Ausstellungskatalog, herausgegeben von Annette Becker und Laura Kienbaum, Kristien Ring und Peter Cachola Schmal und dem Deutsch Architekturmuseum.

Vortrag von Marion Goerdt und Birgit Kasper
Bezahlbares Wohnen in Metropolen. Zürich als Vorreiter des gemeinschaftlichen Wohnens nannte sich ein Vortrag im Deutschen Architekturmuseum Anfang November 2015.
Unter dem Motto Lernen von Zürich stellten Marion Goerdt von der FH Trier und DI Birgit Kasper vom Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V. an einem Abend 6 Züricher Wohnprojekte vor, die vor allem wegen ihrer gesellschaftlichen und städtebaulichen Relevanz beispielgebend sind.
An den Beginn ihres Vortrags stellten sie einen Vergleich zwischen Zürich und Frankfurt. Beide Städte sind verhältnismäßig kompakt und weisen eine hohe Einwohnerdichte auf. In Zürich leben jedoch dreizehn mal mehr Personen in alternativen, gemeinschaftsorientierten Wohnprojekten als in Frankfurt. Allein von den untersuchten Züricher Projekten ist jedes einzelne größer als die Frankfurter Wohnprojekte zusammen, so wohnen im Quartier der Genossenschaft mehr als wohnen über 1000 Personen.
Die von Marion Goerdt und Birgit Kasper vorgestellten Siedlungen und Genossenschaften Karthago, Kraftwerk und Dreieck sind Paradebeispiele erfolgreicher innovativer Einhausgenossenschaft, die sich professionalisiert haben und zur Mehrhausgenossenschaft entwickelten. Sie wurden Anfang der 1990er-Jahre aus Alternativbewegungen gegründet und brachten in den letzten Jahren ihr Know-How bei den Beteiligungsprozessen für die Überbauung Kalksbreite (Fertigstellung 2014) und in die Genossenschaft mehr als wohnen ein.
Das Herausragende an den letztgenannten Projekten ist ihr städtebaulicher Mehrwert als Ergebnis des Dialogs der Betroffenen, der Fachleute und der Stadt.
Die daraus resultierende Mischung öffentlicher und privater Nutzungen, der graduelle Wechsel von öffentlichem zu privaten Raum und die unterschiedlichen Wohnformen und Gemeinschaftseinrichtungen machen die jeweiligen Qualitäten der Quartiere aus.
Im zweiten Teil des Vortrags gingen Marion Goerdt und Birgit Kasper auf die neuen Wohnformen ein, die neben herkömmlichen Wohnungen in den Projekten für mehr Flexibilität und Gemeinschaft sorgen.
Das sind zuerst die Großhaushalte – der erste wurde Ende der 1990er Jahre in dem Wohnprojekt Karthago umgesetzt. Insgesamt 50 Bewohner und Bewohnerinnen leben in 9 Wohneinheiten und teilen sich einen großen Essraum und eine Küche mit Koch / Köchin.
Die Baugenossenschaft Kraftwerk1 entwickelte um die Jahrtausendwende neben einem vielfältigen Wohnungsangebot Suiten (eine Suite ist der Zusammenschluss mehrerer Kleinwohnungen) und mehrgeschoßige Wohngemeinschaften in Zürich-Hardturm. In ihrem 2. Projekt, den um- und zusammengebauten Häusern von Kraftwerk2 in Zürich-Höngg (2011) verbinden terrasses communes die Wohnungen. Die Standardwohnungen werden hier durch sogenannte Clusterwohnungen ergänzt, das sind mehrere kleinere private Wohneinheiten, eingebettet in einen großzügigen Gemeinschaftsbereich.
Kommunikative Einrichtungen wie gemeinsame Freiflächen, Schwimmbäder und Saunen ergänzen die Siedlungsanlagen, aber auch Bibliotheken, Fitnessräume und Gästezimmer sind in der Gemeinschaft leistbar. Da selten genutzte Flächen ausgelagert werden, kann der Pro-Kopf-Flächenverbrauch (und damit alle Kostenfaktoren, die über den Flächenverbrauch gerechnet werden) reduziert werden. Durch die temporäre Anmietung von sogenannten Jokerräumen wird auch der zeitweise individuelle Mehrbedarf an Raum abgedeckt.
Das große Potenzial dieser gemischten Wohnprojekte liegt demnach im geringeren Flächenverbrauch bei höherer Wohnqualität. Mit den Worten von Birgit Kasper: „Luxus liegt im Teilen“.

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