29/01/2021

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29/01/2021
©: Claudius Pratsch

Der kontrollierte Kontrollverlust – quergedacht

Kaum ein kollektives Bedürfnis beschäftigt die Politik, die Medien, die Wirtschaft und unseren Alltag derzeit mehr, als endlich die Kontrolle über das Virus zu erlangen, das nahezu keinen Bereich unseres Lebens verschont lässt. Ein Virus, das nun seit gut einem Jahr über die Welt hinwegfegt und alles, was uns scheinbar sicher war, unkontrolliert durcheinanderwirbelt. Das Bedürfnis nach Sicherheit, das als Grundbedürfnis unmittelbar jenem der Befriedigung physiologischer Bedürfnisse folgt, war gesamtgesellschaftlich seit den Weltkriegen kaum dermaßen ins Wanken geraten.
Nach zögerlichen Versuchen, sich das Coronavirus zunächst mittels verharmlosender Vergleiche mit der gemeinen Grippe unseren Angstzentren fernzuhalten, folgten gelenkte Maßnahmen: das Tragen von Gesichtsmasken, Händewaschen, Einkaufswagen desinfizieren, regelmäßiges Lüften, um nur einige davon zu nennen. In einer Zeit, in der man über das kursierende Virus noch kaum etwas wusste, sollten diese Maßnahmen dazu beitragen, zumindest irgendetwas gegen die unbekannte Gefahr zu unternehmen, und einen Hauch von Kontrolle über die sich immer schwieriger gestaltende Lage zurückzuerlangen. Dass dies nur in geringem Maße erfolgreich war, ist kein Geheimnis, sonst würde ich jetzt nicht hier sitzen und diesen Beitrag schreiben.
Stattdessen nahm der Staat all seine und sogar noch mehr Macht, als ihm zur Verfügung stand, in die Hand, und zog die Zügel noch enger. Die Kontrolle über das Virus mutierte rasch zur Kontrolle der Bevölkerung: Contact-Tracing, Apps, Lockdowns und Kontaktverbote folgten, um dem gewohnten und geliebten Gefühl der Sicherheit über den gegenwärtigen und zukünftigen Alltag näherzukommen. Eigentlich doch ein höchst löbliches Ziel, und wie wir wissen, heiligt nach Pandemieethos der Zweck die Mittel.
Doch warum schreibe ich hier, was doch so offensichtlich ist? Weil mir eines keine Ruhe lässt, und das ist die Frage, weshalb immer mehr Menschen, die aktuell gerne unter dem Begriff „Querdenker“ zusammengefasst werden, so vehement versuchen, die seidenen Fäden, an denen unsere scheinbare Sicherheit hängt, zu durchtrennen. Wenn ich in meinem Umfeld, und ja, auch hier sind sie prominent vertreten, einen „Querdenker“ (dass mir dieser Begriff immens sauer aufstößt, sollte an dieser Stelle erwähnt werden, da quer zu denken doch bedeuten sollte, sich breit und kritisch mit einem Thema auseinanderzusetzen, ohne dabei die wissenschaftliche Faktenlage außen vor zu lassen) frage, wogegen er oder sie bei der nächsten geplanten Demonstration eigentlich protestiere, dann kommt wie aus der Pistole geschossen: „Gegen die Maßnahmen der Regierung“. Ich stimme nickend zu, immerhin ist es derzeit gang und gäbe, grundsätzlich allem, was seitens der politischen Kräfte beschlossen wird, ablehnend gegenüberzustehen. Auf die Antwort, was denn nun seiner oder ihrer Meinung nach stattdessen passieren sollte, folgt eine breite (aber nicht tiefe) Erklärung darüber, dass wir alle Opfer einer massiven Verschwörung wären, ausgehend von einem prominenten Milliardär, der Menschenversuche in Afrika unternimmt und in Wirklichkeit die WHO besitzt. Dass meine eigentliche Frage unbeantwortet blieb, ignoriere ich gekonnt und lausche interessiert weiter einem Vortrag darüber, wie jeder einzelne Regierungschef der Welt derzeit seine Arbeitszeit damit verbringe, das eigene Volk mürbe zu machen, bis sich jeder Staatsbürger bereitwillig einer Impfung unterzieht, die uns mittels implantierter Chips nicht nur dem freien Willen, sondern auch unserem Nachwuchs beraubt. Dem müsse natürlich mit aller Kraft entgegengehalten werden und aus diesem Grund protestiere man gegen die Corona-Maßnahmen. Ist doch ganz logisch, oder?
Ja, ist es tatsächlich. Denn was viele dieser „Querdenker“ unbewusst erkannt haben, ist, dass wir in der derzeitigen Phase, von der wir noch nicht wissen, wie lange sie noch anhält, mit den gesetzten Maßnahmen lediglich Symptome der gesamtgesellschaftlichen Auswüchse dieser Pandemie behandeln. Von einer „Kontrolle“ über die Lage und einer Rückkehr zur „Normalität“ sind wir noch weit entfernt. Und diese Einsicht ist dann leichter zu verkraften, wenn hinter der Bedrohung ein fassbarer Schuldiger steht, der nicht mutiert, sondern der Hand und Fuß, ganz viel Geld und vor allem ein Gesicht hat.
Die Vorstellung, dass der Kontrollverlust nur scheinbar ist und im Hintergrund doch so etwas wie Kontrolle existiert, gibt ein gewisses Maß an Halt, ganz im Gegenteil zur Einsicht und Akzeptanz, dass wir diese Welt eigentlich nicht kontrollieren können. 

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