24/03/2023

Eindrücke der Eröffnung und Einblicke in die Ausstellung Grazer Schule: Stil und Wert eines Phänomens, die bis Ende Mai im HDA in Graz zu sehen ist.

24/03/2023

Ausstellungdetail – Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Ausstellungsansicht, im Vordergrund Konrad Frey und Bernhard Hafner – Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Ausstellungsdetail mit Faltblatt– Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Ausstellungsansicht – Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Ausstellungsansicht, Protagonist:innen der Grazer Schule im Gespräch – Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Ausstellungsansicht, mehrgenerationen Diskurs – Grazer Schule. Stil & Wert eines Phänomens

©: Claudia Gerhäusser

Die Ausstellung Grazer Schule: Stil und Wert eines Phänomens – zu sehen bis Ende Mai im HDA – vermittelt den Blick junger Architekturstudierender auf eine Zeit, die schon etwas länger her ist, deren Mythos bis ins Heute schwappt und deren Kraft immer noch anziehend ist.

In der Ausstellung ist von den 1980ern die Rede, die lang genug zurückliegen, um reflektiert zu werden, nicht aber lang genug, um ignoriert, vergessen oder – architektonisch gesprochen – denkmalpflegerisch geschützt zu werden. Immer wieder stehen Bauwerke aus der Zeit, die für die österreichische Architektur von hoher Bedeutung sind, auf Abrisslisten. Die Lücken, die der Abriss der Gebäude der sogenannten Grazer Schule hinterlassen würde und in einigen Fällen hinterlassen hat, demonstrieren nicht nur einen baulich-architektonischen Verlust. Sie sind Desaster, da mit jedem Auslöschen die Nachspürbarkeit einer Zeit unwahrscheinlicher wird, deren politisches Klima für damals junge Architektinnen und Architekten bau-entscheidend war. Dabei eignet sich das Klima von damals hervorragend als Vorbild für Weiterentwicklung und Generationenablöse. Mit der Nachspürbarkeit verschwindet das Vertrauen, dass ähnliches wieder möglich wäre.

Kaum weniger als „international“ machte man Furore mit Gebäuden, die schon deshalb erstaunlich genannt werden könnten, da sie zwar innerhalb eines schmalen Zeitfensters von wenigen Jahren und auf verhältnismäßig engem Raum (Graz und Grazer-Umland) entstanden sind, sich aber trotzdem kaum unter einen Hut, einen Stil-Hut bringen lassen. Ein Versuch der Architekturwissenschaftler:innen Anselm Wagner und Sophia Walk gemeinsam mit Studierenden 2021 in der Zeitung SOS Grazer Schule dennoch über 125 Gebäuden eine Gemeinsamkeit im Sinne eines benennbaren Phänomens zu geben, führte interessanterweise bisher zu weiterer überregionalen Wertschätzung und einer Sichtbarkeit vor Ort, weniger aber zu einer Wertschätzung durch Stellen, die die Möglichkeit hätten, Gebäude von der Abrissliste zu nehmen.

Aber nun zum Eröffnungsabend selbst: Spannend war, dass man den Architektur-Heldinnen und -Helden aus den Grazer 1980ern zwischen Plänen und Modellen ihrer Arbeiten begegnen konnte. Man konnte sie zur Rede stellen oder mit ihnen Entwürfe diskutieren. Auf der Ausstellungseröffnung im HDA mischten sie sich ins Publikum – aufgeschlossen, interessiert und ansprechbar – mit einer besonderen Fähigkeit zur „Coolness“ ausgestattet, die sie vielleicht schon immer hatten oder sich allmählich durch Aufträge und Architekturgeschehen aneigneten.

Gemeinderätin Alexandra Würz-Stadler begrüßte in Vertretung der Vizebürgermeisterin Judith Schwentner mit dem Hinweis auf diese „Atmosphäre der Coolheit“, die den Architekt:innen wie ihren Gebäuden zu eigen ist. Schützenswert sei fast jedes Einzelne, in Summe sei es aber die Vielschichtigkeit in den Thematiken, die die Protagonist:innen der Grazer Schule in ihrer Architektur aufgriffen, die man sich heute zum Vorbild nehmen sollte, so die Gemeinderätin für Stadtentwicklung und Stadtplanung.

Die Ausstellung ist Produkt des Seminars Architekturkommunikation am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften (AKK) an der TU Graz. Margareth Otti-Wagner leitete die Studierenden durch ein Semester der Auseinandersetzung mit den Details und den Grundrissen einer beeindruckenden Menge an Gebäuden, die mit der Grazer Schule assoziiert werden. Die Schule selbst sei aufgrund der vielfältigen architektonischen Ansätze und der Qualität im Detail bemerkenswert, sei aber nur Dank eines progressiv denkenden und handelnden Beamtentums in Graz möglich gewesen. Otti-Wagner betont, dass sich die Gebäude der Grazer Schule besonders zur Vermittlung detailfokussierter und anspruchsvoller, wenn auch heute nicht so mehr herstellbarer Architekturen eignet. Die Ausstellung will zeigen, dass die Grazer Schule Studienobjekte par excellence hervorgebracht hat, die in der Praxis ihre Tauglichkeit beweisen.

Aufgabe der Studierenden war es, die 2021 am AKK erarbeitete Zeitung SOS Grazer Schule in eine Ausstellung zu verpacken. Man entschied sich infolge der Bearbeitung dafür, neun Projekte unterschiedlicher Typologien darzustellen. Die Projekte werden durch Fotos, Pläne, Texte und vereinzelt durch Modelle in der Ausstellung erfassbar gemacht. So etwa der Zubau zu einem Einfamilienhaus durch Konrad Frey. Die Studierenden bauten Treppe bzw. Steg nach.

Passend zu den Konzepten der Grazer Schule wählten die Studierenden für die Ausstellungsgestaltung eine Struktur – ein langer pinkfarbener Tisch, schräg in den Raum gestellt – die alles beinhaltet, alles zusammenfasst, umfasst und aufnehmen kann. Ergänzend zu dem Tisch, stellten sie Gitter aus Stahl, bestückt mit Fotos und Plänen in den Raum, die aus der Ausstellung Ferdinand Schuster: Lehrer. Denker. Architekt stammen. Schuster war als Lehrer und Universitätsprofessor nicht unbedeutend für die Grazer Schule, auch wenn er selbst ganz anders architektonisch agierte. Der Modellbau und die Aufbereitung der Inhalte, die Auswahl und Ausstellungsarrangements wurden sämtlich von den Studierenden umgesetzt.

Beate Engelhorn kommentierte als Leiterin des HDAs, dass die Grazer Schule eine Strömung sei, die in vielen Aspekten international wesentlich bekannter ist, als in Graz selbst. So sei die Ausstellung und die Erinnerung an diese Zeit in Graz selbst besonders wichtig.

Einigen aus dem Publikum fehlte in der Ausstellung die politische Dimension und die Vermittlung der Rahmenbedingungen, in denen damals agiert wurde. Dass eine nachfolgende, neue und wenig etablierte Gruppe von Architektinnen und Architekten in den 1970ern und 1980ern in Graz so viel bauen und ihre Vorstellungen durchsetzen konnte, lag vornehmlich daran, dass man von politischer und von Verwaltungsseite bewusst Verfahren einsetzte, in denen man Aufträge an progressivere Architekt:innen vergab und man damit den Markt für sie öffnete. Diesen Aspekt der Zeit und ein genauerer Blick auf die Rahmenbedingungen der Architekturproduktion sucht man in der Ausstellung leider vergeblich. So repräsentativ die Darstellung von Detail und Form bzw. von Stil und Wert durch die Ausstellung gelungen ist, so nachlässig erscheint die Nichtauseinandersetzung mit Betriebsklima und Bedeutung. Es sei schon immer in der Grazer Schule und der Grazer Architekturszene eher um eine Nichtwertigkeit und um die Wirkung der Umsetzung von Architektur gegangen, so eine Stimme aus dem Publikum. Das politische Fenster, das sich mit Wolfdieter Dreibholz und Landeshauptmann Josef Krainer für progressivere Strömungen der Architektur damals auftat, war bemerkenswert. Die Förderung experimentellen Wohnbaus nach dem Modell Steiermark zum Beispiel ermöglichte den Einstieg einer komplett anders funktionierenden und denkenden Generation in das Architekturgeschehen Österreichs. Eine Art Biotop scheint das gewesen zu sein, schwer auf Stil und Details zu reduzieren.

Wer alle neun Projekte genauer betrachten möchte, kann die Ausstellung bis 28.5. tägl. außer montags zwischen 10:00 und 18:00 Uhr besuchen. Auch die Zeitung SOS Grazer Schule kann eingesehen und für 12 Euro im HDA gekauft werden. Mit dieser unter dem Arm, lässt sich eine Entdeckungsreise unternehmen, die zu prominenten und weniger prominenten Bauten der Grazer Schule führt. Beeilen muss man sich bei den 125 Projekten der Zeitung leider schon, da einige stark renovierungsbedürftig sind, hinter wenig sensiblen Sanierungen verschwinden oder wie die Metallwerkstätten des WIFI Steiermark kurz vor dem Abbruch stehen sollen. Auch „Raumschiffe“ sind heutzutage enttäuschenderweise abrissgefährdet.

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