15/05/2009

Am 15. Mai 09 wurde im nördlichen Abschnitt des Grazer Zentralfriedhofs das Columbarium eröffnet. Der Flügel einer Taube (lat. columba, die Taube) hat sich in den ehemaligen Gruftarkaden niedergelassen.

Architektur
Hofrichter-Ritter Architekten ZTGmbH, Graz

Bauherr
Stadtpfarre Graz

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15/05/2009

Engelsflügel / Columbarium; Baustelle

©: Karin Wallmüller

Informationstafel, Hauptportal, Zentralfriedhof Graz. Planung: Hofrichter-Ritter Architekten (zur Vergrößerung auf das gewünschte Bild klicken)

Farbspektrum: Immaginärer Hintergrund für die Glasabdeckungen der Urnennischen. Planung: Hofrichter-Ritter Architekten

Individuelle Glastafeln ergeben sich durch die Anordnung der Nischen.

Spielerisch tänzelnd sind die Urnennischen in die Betonelemente gesetzt. Die Farben wurden im Laufe der Bearbeitung induvidualisiert.

Baustelle Ende April 2009

06Jeweils vier Urnen werden in die 40/40/60 cm großen Edelstahlnischen gestellt, die schräg in die Urnenwand eingeschoben sind. Baustelle am 28.04.2009. Foto: Karin Wallmüller

Die horizontale Fläche für die Urnenaufstellung wird mit Erde (Heimat- oder Lieblingsplatzerde) hergestellt. Schnitt Urnenwand: Hofrichter-Ritter Architekten

2 cm starke, individuell gefärbte Glastafeln decken die Urnennischen ab. Foto: Karin Wallmüller

Rechts im Bild eine Nische mit Edelstahlplatte abgedeckt, links noch offen. Sichtschlitze zur Rückwand der ehemaligen Gruftarkaden bleiben offen. Baustelle am 28.04.09. Foto: Karin Wallmüller

Gruftarkaden dieser Art hätten den Zentralfriedhof rundum einfassen sollen. Baustelle Columbarium am 28.04.2009. Foto: Karin Wallmüller

Die historische Darstellung zeigt die von Architekt Carl Lauzil geplante Begrenzung des Arials mit Gruftarkaden.

Engelsflügel / Columbarium; Baustelle

Am 15. Mai 09 wurde im nördlichen Abschnitt des Grazer Zentralfriedhofs das Columbarium eröffnet. Der Flügel einer Taube (lat. columba, die Taube) hat sich in den ehemaligen Gruftarkaden niedergelassen.

Behutsam erdacht und gemeinsam mit der Stadtpfarre Graz entwickelt, haben die Grazer Hofrichter-Ritter Architekten ZTGmbH eine Urnenwand in die denkmalgeschützte Anlage gestellt. Gleich dem Flügel einer Taube oder eines Engels als Symbol für den Zwischenort Columbarium, wo Leben, Tod und Erlösung einander begegnen. Respektvoll vor die Rückwand der Arkaden mit ihren Grabdenkmälern positioniert, nimmt die schwebende Wand aus gegossenen Betonfertigteilelementen den Dialog mit dem Altbestand auf.

In unregelmäßigen Abständen und unterschiedlichen Höhenlagen wurden Edelstahlnischen (40/40/60 cm) für bis zu 4 Urnen in die Betonelemente eingelassen. Dazwischen sind immer wieder Sichtschlitze zur Betrachtung der dahinter liegenden aufgelassenen Grabstätten ausgespart. Verschlossen werden die Nischen mit Edelstahlplatten in der Größe der vorderen Nischenteile. Den Abschluss und die eigentliche Außenansicht aber bilden die etwas größeren, farbigen Schmelzglastafeln (45/45/2 cm).

Das Farbkonzept für die Schmelzglastafeln hat seine Wurzeln in der Offenbarung nach Johannes, in der das himmlisches Jerusalem und seine mit Edelstein geschmückten Stadtmauern beschrieben werden. Die Steine wurden von den Architekten in ein Farbspektrum übersetzt und als verbindendes Element der Urnennischen aufgefasst. Indem sie das Farbspektrum im Entwurfsprozess hinter die Urnenwand legten, wurde durch das Ausschneiden der Nischen aus der Urnenwand das dahinter liegende Farbspektrum sichtbar gemacht. Und genau nach diesen Farbausschnitten wurden die Schmelzglastafeln gefertigt, Keine Glastafel ähnelt der anderen und doch sind alle verbunden.

Dass so viel Vision und Eleganz realisierbar war, verdanken sich Bauherr und Architekt gegenseitig. Die Stadtpfarre Graz, die nicht nur für den (interkonfessionellen) Zentralfriedhof, sondern auch für den Steinfeld- und den St.Peter-Friedhof zuständig ist, hat mit Propst Dr. Schnuderl einen profunden Anwalt ihrer kulturellen Verpflichtung. Mit ihm konnte das Architektenduo kreativ und partizipativ Neues erarbeiten. Selbst das Denkmalamt sieht die Symbiose von Alt und Neu als Zeichen, dass der Zentralfriedhof nicht nur ein Ort des Bewahrens ist, sondern auch ein Ort des Lebens.

Geplant wurde der Zentralfriedhof 1885 vom Wiener Architekten Carl Lauzil, dem damaligen Direktor der k.k. Staatsgewerbeschule in Graz. Sein Konzept war zeitgemäß und sah einen „Camposanto“ nach dem Vorbild italienischer Gotik vor, der rundum (3,5 km Länge) von Gruftarkaden eingefasst werden sollte. Mehr als das erwähnte 60 m lange, bestehende Arkadenbauwerk wurde von diesem großzügigen Einfriedungsplan aber nicht verwirklicht.

Die Informationstafeln am Haupteingang des Zentralfriedhofs geben Einblick in die Entstehungsgeschichte, die Planung einst und jetzt und die laufenden Sanierungsarbeiten. Denn die Gebäude, angefangen vom Hauptportal über das Zentralgebäude bis zu den Verwaltungs- und Nebengebäuden, sind alle stark renovierungsbedürftig. Das Hauptportal musste wegen Einsturzgefahr gesperrt werden und das wird auch bis zum Ende der Arbeiten so bleiben.

Um die Sanierung und Neubelebung des Grazer Zentralfriedhofes zielgerichtet umsetzen zu können, entwickelte der Friedhofsausschuss der Stadtpfarre Graz unter der Leitung von Propst Dr. Schnuderl und Friedhofsombudsmann Hans Frühstück gemeinsam mit den Architekten ein Leitbild in 8 Punkten:

Der Grazer Zentralfriedhof ist ein …

Ort der Trauer und der Hoffnung
Ort der Kultur und ihres Wandels
Ort des Gedächtnisses
Ort der Begegnung
Ort der Geschichte
Ort der Ruhe
Ort des Glaubens und der Toleranz
Ort des wirtschaftlichen Handelns und der Zusammenarbeit

Dieses Leitbild definiert den Masterplan und eine Generalsanierung bis ins Jahr 2015. Den Auftakt zur Generalsanierung, für die es auch der Zuschüsse öffentlicher Mittel bedarf, bildet die fachkundige Sanierung der ehemaligen Gruftarkaden. Dort wurde als Zeichen der Erneuerung, aber auch aufgrund der wachsenden Nachfrage nach Urnenbestattungen – Graz verzeichnet 60 % Einäscherungen – die neue Urnenwand, das Columbarium, integriert.

Daten
Bauherr: Stadtpfarre Graz
Architekten: Hofrichter-Ritter Architekten ZTGmbH, Graz
Sanierungsplanung: DI Markus Zechner, Denkmalconsult, Graz
Statik: Dr. Peter Mandl, Graz
Bauzeit: 1.10.08 bis 15.05.09
Baukosten Sanierung und Columbarium: 782.000 Euro netto

Geplante weitere Sanierungsschritte
Zentralgebäude mit Kirche und Aufbahrungshallen, Pfarrhof, Verwaltung, Hauptportal; Gesamtkosten: ca. 2,200.000 Euro

Fotos/Pläne (falls nicht anders angegeben und mit Ausnahme der histor. Darstellung): Hofrichter-Ritter Architekten.

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