07/06/2022

Baukultur wird Chefsache?

Seit 3. Juni ist Landesrat Christopher Drexler designierter Landeshauptmann der Steiermark. Er bietet an, in den kommenden vier Wochen Gespräche über die Situation der Steiermark zu führen. Wir möchten mit ihm über Baukultur und den Stellenwert der Architektur im Land sprechen. Wolfgang Feyferlik, Architektur Landespreisträger der Steiermark 2019 mit Feyferlik/Fritzer, formuliert in seinem Kommentar erste Gesprächsgedanken.

07/06/2022
©: Redaktion GAT / Wolfgang Feyferlik

Es ist endlich so weit. Klar war es schon länger. Christopher Drexler wird ab 1. Juli Landeshauptmann der Steiermark. Wie man das in Zeiten, in denen eine Katastrophe die andere jagt, bewerten oder beurteilen soll, weiß ich für meinen Teil nicht. Es wurde ja nicht viel geredet bei der Pressekonferenz am Freitag, dem 3. Juni 2022, bei der Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer den Hut an Drexler weitergab. Politische Kommentare auf orf.at oder in anderen Medien sind nicht überraschend, eher bescheiden ausgefallen. (Oder interessiert den Rest Österreichs immer noch nicht wirklich, was in der Steiermark passiert?)

Persönlich kommt mir jedoch einiges längst Vergessenes wieder ins Bewusstsein. Für die Kreativbranche, zu der man die Architektinnen und Architekten durchaus zählen kann, sollte es nach Jahren der Dürre mit Drexler als LH wieder signifikant aufwärtsgehen. „Kultur wird Chefsache“, so war zumindest im Standard Podcast Thema des Tages am 3. Juni zu hören. Um Spuren als Landesrat für Kultur und Sport zu hinterlassen, war Drexlers Zeit wohl zu kurz. Die große Landes-Schau war durchaus interessant, aber das als Superlativ angekündigte Spektakel war es denn meines Erachtens nicht. Zu viel und vor allem zu viel des Eigenlobs scheint eine Rolle gespielt zu haben. Ob das gedachte Konzept der Innovation wirklich aufgegangen ist, kann ich natürlich zum aktuellen Zeitpunkt nicht ausreichend beurteilen. Vielleicht zeigen sich aber auch erst in Zukunft entsprechende Auswirkungen der großen Schau.

Zur Pressekonferenz

Aber zurück zur Pressekonferenz: Drexler sagte nichts, außer, dass er die nächsten vier bis fünf Wochen bis zu seiner Wahl und Amtseinführung für Gespräche nutzen möchte. Sowohl der Ex-Landeshauptmann als auch der Neue beteuerten mehrmals, „dass wir Steirer eben immer die Besten sein wollen“. Ich möchte daher den Moment nutzen und den neuen Landeshauptmann an so manches Gespräches erinnern.

11.03.2014 - 18.06.2015 Landesrat für Wissenschaft & Forschung, Gesundheit und Pflegemanagement
18.06.2015 - 25.04.2017 Landesrat für Gesundheit, Pflege, Wissenschaft und Personal
25.04.2017 - 19.12.2019 Landesrat für Kultur, Gesundheit, Pflege und Personal
seit 19.12.2019 Landesrat für Kultur, Europa, Sport und Personal

Man muss ein bissel zurückschauen, um die Aussichten richtig einschätzen zu können. Als Landesrat für mehrere Inhalte zuständig, unter anderem für Forschung, Wissenschaft, Kultur, Pflege etc. muss man nachfragen, was zeichnet ihn aus, was hat er bewegt – dieser Christopher Drexler? Das sollen andere beurteilen.

Persönliche Begegnungen

Persönlich bin ich dem Noch-Landesrat zum ersten Mal 2019 bei der Verleihung des Architekturpreises des Landes Steiermark im Haus der Architektur begegnet. Acht Projekte und ihre Architekt:innen wurden ausgezeichnet. Schon damals ist es allen aufgefallen, dass kein Bau der öffentlichen Hand unter den gewürdigten Projekten war. Insofern war es schon mutig von Drexler zu dieser Veranstaltung zu kommen, auf der ausschließlich private Bauprojekte Preise bekamen. Wo war das Land als vorbildlicher Auftraggeber damals? Wo ist es heute? Als gewürdigter Preisträger – ich fühlte mich durchaus dazu berechtigt, meine Fragen zu stellen – nahm ich das Mikro in die Hand und sprach den Landesrat direkt an. Zusammengefasst ging es mir darum, „dass wir uns in der Steiermark doch wieder etwas überlegen sollten, damit Innovation und Kreativität nicht nur in Sonntagsreden gefördert und gefordert wird, sondern tatsächlich zugelassen wird“. Nicht, dass wir das nicht schon früher bewerkstelligt hätten. Von Graz aus hat die Kultur und auch die Architektur eine Zeit lang Spuren in Europa hinterlassen. Dieser Ruf veranlasst heut noch junge Menschen nach Graz zu kommen, um hier zu studieren. Der Stern ist längst verglüht, aber das Licht schimmert noch ein wenig nach. Deshalb verirren sich noch Menschen nach Graz.

Inhalte benennen

Später am Buffet der Veranstaltung hatte der Landesrat die um ihn stehende Architektenschaft aufgefordert, ihm Inhalte zu nennen. Vorschläge kamen prompt. Einer davon: Er solle sich als Landesrat doch bitte dafür einsetzten, dass jedes Projekt der öffentlichen Hand nicht nur dem Vergabegesetz folgend einer Auswahl zugeführt werde, sondern dass es entsprechend dem Baukulturreport an sich schon selbstverständlich sein müsste, dass Projekte nur nach entsprechenden Qualitätskriterien vergeben werden. In der Regel wäre demnach ein Wettbewerb für die Auswahl des besten Projekts durchzuführen. Darüber hinaus könne er sich durchaus bei dem Kollegen Landesrat Seitinger dafür starkmachen, dass auch in dessen Wohnbauressort Architekturwettbewerbe zur Anwendung kommen – Architekturwettbewerbe, die es verdienen, als solche bezeichnet zu werden. Dazu gehört Diskursbereitschaft, gute diverse Preisgerichte und der grundsätzliche Wille zur Innovation, ja diese zu fordern.

Und ist jetzt was passiert?

Bisher zumindest nicht ausreichend. Die Vorschläge von damals liegen alle noch auf dem Tisch! Daher nehme ich die Pressekonferenz zum Anlass, um den neuen Landeshauptmann, der in den nächsten vier Wochen sein Programm schreiben möchte, das überragend sein wird, ihn daran zu erinnern, dass er jetzt die hervorragende Möglichkeit hätte, einiges von damals in sein Programm aufzunehmen. Möge er der Architektur den Stellenwert geben, den sie braucht, um ihre innovative und kreative Kraft zu entfalten.

Es ist einfach beschämend und … dass der Wettbewerb, das seit über hundert Jahren bewährte Instrument der Qualitätssicherung, immer wieder neu herbei gebettelt werden muss. Neben der unverbindlichen Bekennung zur Baukultur im Landtag wäre es an der Zeit, klare und verbindliche, politische Absichten auszusprechen und in Regeln zu gießen.

Die unterste Stufe der Diskussion verlassen

Es wäre an der Zeit, dass wir die unterste Stufe der Diskussion beiseitelassen und höher einsteigen, um der Aufgabe entsprechend die richtigen Forderungen und Formulierungen zu finden. Die Notwendigkeit von Wettbewerben im Baugeschehen darf nicht diskutiert werden. Stattdessen könnte es einer der Programmpunkte des neuen Landeshauptmanns sein, alle Projekte im Land über ein Qualitätsverfahren abzuwickeln – und das ab sofort. Zumindest jedes Projekt, das öffentliche Interessen berührt.
Des Weiteren müsste die Forderung nach Kreativität und Innovation in diesen Verfahren selbstredend sein, das Potenzial auch entsprechend aufwands-entschädigt werden. Wie, wenn nicht durch finanzielle Anerkennung, könnte man die Wertschätzung für Einsatz und Zeit der Teilnehmenden besser ausdrücken?

Sie fragen, wer das bezahlen soll? Ich denke da zum Beispiel an Tony Blair, der durch seine Wettsteuer der Kultur in England einen finanziellen Impuls gegeben hat, der allen – den Schaffenden wie den Besuchenden – zugutekam. Es würde genügen, wenn ein Promille pro Euro-Bauumsatz in einen Landesfonds gezahlt wird, aus dem finanzielle Anerkennungen für Wettbewerbsteilnehmende bezahlt werden. Aus jedem Kanalrohr, aus jedem Fundament etc. ginge ein Promille in den Fonds. In der Summe würde dieses Vorgehen die Hemmschwelle abbauen, dass Gemeinderäte am Beginn eines Projektes für ein Wettbewerbsverfahren Geld locker machen müssen.

Als Landesrat für Wissenschaft, für Sport, für Kultur, für Pflegepersonal wissen sie eventuell, dass es unwirtschaftlicher nicht sein kann, Menschen auszubilden, um sie dann nicht zu fordern. Machen Sie die politischen Regeln klarer, einfacher und fordern Sie ein. Das kreative Potenzial gibt es im Land! Momentan verkümmert es im Hochziehen von gesichtslosen, mit Sondermüll eingehüllten, Kubaturen. Es ist schön, dass Günther Domenig heuer an vielen Ecken und Enden anlässlich seines Todestages geehrt wird. Aber die Zeit von Lippenbekenntnissen auf Veranstaltungen sollte vorbei sein. An zu vielen Ecken und Enden brennt es.

Für ein Gespräch innerhalb der kommenden vier Wochen stehe ich natürlich zur Verfügung, wenn es ernsthaft der Wille ist, etwas ins politische Programm aufzunehmen, sehr geehrter Herr Noch-Landesrat Christopher Drexler. Wir Steirer wollen eben nicht nur immer die Besten sein, sondern auch gehört werden.

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