02/02/2014

Der Artikel über den Dämmwahn mit Styropor ist am 25.01.2014 auf faz.net erschienen

02/02/2014
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Früher jubelten alle über das Styropor. Es galt als billiger Dämmstoff und Garant für eine bezahlbare Energiewende. Heute steht es für Feuer, Algen und Gift. Die Geschichte eines Imagewandels.

An einem Maitag vor zwei Jahren, kurz nach siebzehn Uhr, hat das Styropor seine Unschuld verloren. Mitten in Frankfurt, während des Feierabendverkehrs, in der Nähe des Polizeipräsidiums. Aus der warmen weißen Bauplatte ist in wenigen Minuten ein Monster geworden. Ein brandgefährliches, gifttropfendes Stück Kunststoffmüll, mit dem sich die Industrie eine goldene Nase verdient.

Erst schien es so, als wäre es ein üblicher Wohnhausbrand. Aber dieser Brand war anders. Das sechsstöckige Eckhaus wurde gerade saniert, und vermutlich hätte es gar nie gebrannt, wenn es die Styroporfassade nicht bekommen hätte. Irgendetwas in der Nähe des Hauses hatte sich entzündet, die Flammen schlugen auf die Fassade über, Sekunden später stand das Haus in Flammen. Parkende Autos wurden von der Feuerwalze gepackt. „Wie bei einem infernalischen Feuerwerk“, sagte der Frankfurter Branddirektor später.
Die Styropor-Lobby war keine Krisen gewohnt

Von „Baustellenschlamperei“ sprachen die Vertreter der Baustoffindustrie, ähnlich äußerte sich auch die einberufene Bauministerkonferenz. Richtig verbaut und ordentlich gesichert, dann hätte es diesen Brand nicht gegeben. Schlamperei – das Wort ist fatal. Es soll bedeuten: Die Technik ist sicher, solange keiner Fehler macht. Tatsächlich bedeutet es auch, schon eine kleine Schlamperei genügt, um ein Inferno zu entfachen. Mit dieser Kommunikationsstrategie sind schon viele gescheitert. Statt Vertrauen zu gewinnen, haben sie nur Angst erzeugt. Die Rente ist sicher, die Titanic ist sicher, der Euro ist sicher. Und das Styropor auch.

Vielleicht wäre heute die Gentechnik akzeptiert, vielleicht würden sogar die Atommeiler noch weiter laufen, wenn die Befürworter nicht immer so getan hätten, als gebe es keine Risiken, solange sich nur ein deutscher Ingenieur darum kümmert. Dass die Styropor-Lobby nach dem Brand in Frankfurt in dieselbe Kommunikationsfalle tappte, konnte kaum verwundern, denn sie war in Krisen unerfahren. Nicht wenige ihrer Vertreter fühlen sich bis heute zu Unrecht angeprangert.

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