21/09/2006
21/09/2006

Eisenerz

Ausstellung Aufbruch/Umbruch, Die Welle der Auf- und Abentwicklung im Eingangsbereich, Foto: Rainer Rosegger

Ausstellung Aufbruch/Umbruch, Denkspiralen, Foto: Rainer Rosegger

Ausstellung Aufbruch/Umbruch, Alterspyramiden, Foto: Rainer Rosegger

Ausstellung Aufbruch/Umbruch, Bevölkerungsdichten, Foto: Rainer Rosegger

Das Ausstellungsteam: v.l. Ingeborg und Werner Nussmüller, Rainer Rosegger, Richard Resch, Foto: Nussmüller Architekten

Dreht sich in Venedig alles um das seit Jahren diskutierte Phänomen der Megacities, diskutiert die Ausstellung Aufbruch/Umbruch in Eisenerz das umgekehrte, nicht weniger brisante Thema der schrumpfenden Städte.

Dabei ist gerade Venedig selbst massiv vom Prozess des Schrumpfens betroffen, genauso wie Eisenerz eben. Auch wenn die Ursachen andere sein mögen: Bekannte Methoden und Modelle von Stadtplanung scheinen obsolet angesichts der ohnehin längst vorhergesagten tief greifenden Veränderungen von Lebens-, Arbeits- und Gesellschaftsformen. Dass mit der Ballung der Städte – bald leben mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Städten – auf der anderen Seite die Schrumpfung ganzer Gebiete einhergehen muss, ist eigentlich logisch.

Im ehemaligen Osten Deutschlands ist man seit längerem mit dieser Tatsache konfrontiert und arbeitet seit 2002 mit dem Projekt Shrinking Cities an der Entwicklung von neuen Konzepten im multidisziplinären Team aus Architekten, Künstlern, Stadtgeographen, Ethnologen, Journalisten, Grafikern u. a. Die Zwischenergebnisse waren im Herbst 2005 in einer Ausstellung in Berlin, Halle und Leipzig zu sehen. Mittlerweile ist auch ein beachtenswertes Werk erschienen: Der „Atlas of Shrinking Cities. Atlas der schrumpfenden Städte“, eine ebenso ausführliche wie fundierte Untersuchung des globalen Phänomens aus unterschiedlichen Blickwinkeln. „Shrinking Cities“ ist auch der Beitrag Deutschlands auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig.

Und im besten Sinne des Wortes "Vernetzung" nutzten die Gestalter der Ausstellung „Aufbruch/Umbruch“ in Eisenerz, Inge und Werner Nussmüller, Richard Resch und Rainer Rosegger, die Ressourcen von bereits Vorhandenem, um sie mit den Ergebnissen ihrer eigenen vorangegangenen Studien Vorort zu verbinden und mit wenig Budget in dem Ort eine Ausstellung zu gestalten, der ganz massiv vom Prozess der Schrumpfung betroffen ist. Ausgewählt wurde dafür das Stadtmuseum Eisenerz, das verstaubt sein Dasein fristete, aus dem noch die Reste der steirischen Landesausstellung von vor 20 Jahren herausgekarrt werden mussten, um Raum für Neues zu schaffen. Die Ausstellung ist auch eine wichtige Geste für die verbliebenen Bewohner: sie schenkt ihnen, die in einer vergessen geglaubten Stadt leben, Aufmerksamkeit. Denn unbestreitbar ist die Identifikation mit dem Ort wohl eine ganz wesentliche Motivation zu bleiben, auch wenn die Statistik anderes ausweist. Hatte die Stadt vor 30 Jahren noch ca. 12.000 Einwohnern Platz geboten, leben derzeit lediglich 6000 Menschen dort. Leerstehende Häuser haben eine Auswirkung auf die Stimmungslage der Menschen, so wie auch leere Auslagen und eine triste Arbeitssituation.

Ein erster Schritt ist somit der Rückbau, d.h. der Abbruch von fast leerstehenden Gebäuden – eine ebenso wirtschaftliche wie psychologische Notwendigkeit. Weitere Innovationen erwartet man sich vom Ideenwettbewerb „Eisenerz 2021“, dessen erste Runde entschieden ist, fünf Teams sind mit der Weiterbearbeitung ihrer Ideen beauftragt. Das Konzept der Ausstellung stellt den Prozess der Schrumpfung in einen übergeordneten, globalen Zusammenhang. Sehr ansprechend, mitunter mit verblüffend einfachen, aber umso wirkungsvolleren Mitteln werden Begriffe wie Krise, Chance, Fortschritt, Rückschritt, Bevölkerungsdichten, Abbruchsituationen, demografische Entwicklungen und vieles mehr veranschaulicht. Etwa die Jalousien, die auf der einen Seite die steigende Lebenserwartung der westlichen Bevölkerung zeigt und auf der anderen Seite jene der Bevölkerung Afrikas und Indiens, oder unterschiedlich dicht gehängte Schnüre, die hautnah die weltweiten unterschiedlichen Bevölkerungsdichten spüren lassen.
Insgesamt bietet die Ausstellung eine dichte Packung an Inhalten, lehrreich, sinnlich aufbereitet, sehr lohnenswert, sich anzuschauen.

Zur Ausstellung ist auch eine Broschüre erschienen, die sich ausgehend vom Um- und Aufbruch mit Zukunftsmöglichkeiten beschäftigt: "Umbruch. Aufbruch. Herausforderungen und Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Steiermark." Hrsg.: Abteilung 16, Landes- und Gemeindeentwicklung, Stempfergasse 7, 8010 Graz. Redaktion: DI Richard Resch. Die Broschüre ist kostenfrei!

Das Ausstellungs-Team:
Nussmüller Architekten ZT GmbH, Ingeborg und Werner Nussmüller,
www.nussmueller.at
Mag. Rainer Rosegger, Agentur für Markt- und Gesellschaftsanalytik,
www.scan.ac
DI Richard Resch, Ingenieurkonsulent für Raumplanung,
www.regionalentwicklung.at

Ausstellungsort:
Stadtmuseum Eisenerz
Schulstraße 2, 8790 Eisenerz
Ausstellungsdauer:
09.09. - 10.12.2006
Öffnungszeiten:
DI-So: 10.00 – 17.00 Uhr
Literaturhinweis:
Atlas of Shrinking Cities. Atlas der schrumpfenden Städte
Redaktion: Philipp Oswalt, Tim Rieniets
Hatje Cantz Verlag GmbH & Co. KG, 2006
39,80 €, 160 Seiten, ISBN 3775717145

Verfasser/in:
Ute Angeringer, Empfehlung
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