18/07/2008
18/07/2008

das Tor im Juli 2008, mit Blick vom Hof der Villa, in dem bis Ende 2007 das HDA Graz untergebracht war. Foto: w

Das noch intakte Tor zum einstigen Haus der Architektur Graz, mit Blick von der Engelgasse. Planung: Franz Sdoutz, Wettbewerb (1. Preis) 1991, Realisierung 1993, Abbruch 2008.
Foto: (c) Paul Ott

Oder: Über den Umgang mit Architekturen, die vor nicht allzu langer Zeit international für Aufsehen sorgten, dazwischen einige Generationen von Architekturstudenten und nicht nur diese begleiteten, um schließlich im Sommerloch auf dem Müll zu landen.

Ein Aufschrei erreichte mich kürzlich aus der jüngeren Architektenschaft: Der Hörsaal V wurde zerstört, d.h. es wurden jene 1984 von Architekt Manfred Zernig gestalteten Einbauten im 1. Stock der Alten Technik in der Rechbauerstraße entsorgt. Der Hörsaal, der damals absolut up to date die aktuelle Architekturströmung der Postmoderne widerspiegelte und in dem seither Generationen von angehenden Architektinnen und Architekten viele Stunden des Zuhörens verbracht hatten, wurde kürzlich im Müllcontainer vor der Alten Technik gesichtet.
Und auch das Tor von Franz Sdoutz, zu jener Villa in der Engelgasse 3-5, in dem bis Ende 2007 das Haus der Architektur Graz untergebracht war - für manche „das wichtigste Bauwerk unserer Generation“, jener die in den späten 1980er und in den 1990er Jahren studierten, 1991 als Siegerprojekt aus einem Ideenwettbewerbe hervorgegangen und 1993 realisiert - sieht mittlerweile recht verfallen aus.

Natürlich mache ich mich jetzt des Konservativismus verdächtig, denn Inneneinrichtungen unterliegen Strömungen, das HDA ist umgezogen und sein Tor war ohnehin als temporäre Installation konzipiert. Der Entwurf war ob seines starken „Logocharakters und seiner Zeichenhaftigkeit für das HDA“ von der internationalen Jury prämiert worden.
Andererseits:„Das stählerne Tor umhüllt(e) das denkmalgeschützte Portal der Villa. Durch die tangentiale Annährung an das Haus der Architektur, wird erst im letzten Moment der hermetische Blick auf die historische Substanz frei." (http://www.medienarchitektur.at/) Somit stellt sich die Frage: Warum ist das Portal denkmalgeschützt und muss erhalten werden, während ein Stück Architekturgeschichte, das erst 18 Jahre alt ist, ganz einfach demontiert werden darf? Und wer bestimmt das? Oder wann und wo fängt Denkmalschutz an?

Aber noch einen anderen Aspekt finde ich bemerkenswert, nämlich dass die Urheber der Objekte über die Zerstörung ihrer Werke gar nicht informiert werden. Das hat mit Wertschätzung, bzw. deren Fehlen zu tun. Architekt Manfred Zernig meinte auf die Frage, ob er über den Abbruch seines Hörsaales an der Alten Technik Bescheid weiß: „Nein, davon weiß ich nichts, ich bin aber auch gar nicht entsetzt. Ich habe gar nichts anderes erwartet. Das ist bezeichnend für den Geist auf dieser Universität und auch für die Haltung von öffentlichen Institutionen gegenüber Architektur und Kunst! Als ich in den 1970er Jahren kurz im Zeichensaal studiert habe, hatte die TU Graz eine der besten Architekturfakultäten Europas, heute ist sie unter ferner liefen. Das liegt wohl...“

Verfasser/in:
Ute Angeringer-Mmadu, Kommentar
ute angeringer-mmadu

Zum Thema Aushängeschild:
Der Hörsaal V hat in den Architekturführer von Dieter Ecker Aufnahme gefunden:
Architektur in Graz, 1980 – 1987. Hrsg.: Dieter Ecker. Verlag Droschl

So. 20/07/2008 7:40 Permalink
swoboda

als architekturstatement aber 10 jahre lang eine für nichtarchitekten völlig unverständliche ruine dieser torkäfig in der engelgasse - und die architekten haben für ihr neues haus wieder eine rohbauambiance gewählt die für nichtarchitekten völlig unverständlich ist - (sein soll ?)

Fr. 18/07/2008 2:33 Permalink
stephan schwarz

Das meiner Meinung nach bedenkliche an der Situation ist nicht der eigentliche Abriss des Hörsaals V, sondern vielmehr die nicht stattfindende Diskussion auf architektonischer Ebene darüber.
Selbst hier, in diesem Forum, dreht sich die Diskussion stärker darum ob man die Postmoderne "blöd" finden kann oder nicht, was an und für sich natürlich unsinnig ist, da wir uns nun mal darin befinden und uns aus diesem kulturellen Hintergrund gar nicht vollkommen lösen können.
Diese Diskussion ist jedoch auch ein Zeichen der Argumentationsarmut, welche heutige Architektendiskussionen leider oft kennzeichnen. Selbst über unsere Disziplin betreffende Themen, wie etwa einen Hörsaal, unterhalten wir uns mit Argumenten wie, "das gefällt mir", oder "das find ich blöd". Man könnte meinen, dass wir nicht viel von der Materie verstehen die wir als Architektur bezeichnen.
Persönlich erwarte ich mir aber insbesondere von der Universität eine entsprechende Diskussion darüber, anstatt den Hörsaal, aus einem möglichen schlechten Gewissen heraus, über den Sommer abzutragen. Dieses Vorgehen zeigt nicht gerade von Klasse, geschweige denn von einer Reflexion über die Bedeutung von Architektur im Allgemeinen und des betreffenden Hörsaals im Speziellen. Für das Portal des ehemaligen HDA gilt selbiges.

Di. 22/07/2008 1:35 Permalink
Matthias Kahlert

und schon gar nicht eines Zustandes namens "Postmoderne". Mir kommt aber diese seltsame Sprache, die solches behauptet, sehr "postmodern" vor, hat doch "postmodernes" Denken frei nach Feyerabends Slogan 'anything goes' dazu geführt, dass man (als Postmoderner) alles irgendwie cool finden kann, wenn es nur irgendwie gut klingt oder gut ausschaut. Diesen postmodernen Fundamentalrelativismus kann ich aber sehr wohl blöd finden. Was das "Ablaufdatum" der beiden Projekte betrifft, sehe ich eigentlich keinen Grund, sie nicht durch etwas Besseres zu ersetzen, worunter natürlich auch "besser nutzbar" und "besser funktionierend" zu subsumieren werden kann. Hier nach "Denkmalschutz" zu rufen mutet doch äußerst übertrieben an. Ich sehe es ganz evolutionär: Architektur, die sich bewährt (und dazu gehört mehr, als Ikone einer Modeströmung zu sein), überlebt im allgemeinen auch.

Mo. 21/07/2008 2:36 Permalink
Matthias Kahlert

Nur her damit! Bisher sind in dieser Diskussion noch keine Argumente aufgetaucht, warum der "Torkäfig" besonders erhaltenswert ist (außer dass der Urheber kryptisch vom "hermetischen Blick" spricht, was immer damit gemeint sein mag.). Den Hörsaal V zeichnete offenbar aus, dass er "up to date die aktuelle Architekturströmung der Postmoderne widerspiegelte". Dass dies für sich alleine bereits ein ausreichendes Qualitätsmerkmal ist, ist für mich nicht zwingend. Ad Postmoderne: dass die "Moderne" (leider?) vorbei ist, bedeutet nicht, dass alles, was danach kommt, "postmodern" ist, auch wenn manch postmoderner Theoretiker das behaupten mag. Ist ja zum Glück auch nicht alle post-moderne Architekltur "postmodern".

Di. 22/07/2008 10:16 Permalink
Matthias Kahlert

Es sollte jedem Urheber, insbesondere uns Architekten klar sein, dass wir eben nicht am Eigentum der aufgrund unserer Entwürfe geschaffenen Bauwerke irgendwie beteiligt sind. Und das ist auch gut so. Sonst würden sich nähmlich Bauherren bald davor hüten, Entwürfe, die eine künstlerische Qualität oder überhaupt nur "Werkhöhe" erreichen überhaupt noch zu beauftragen. Das Berliner Gerkan-Urteil mag für den Architekten erfreulich erscheinen, ob es einen positiven Trend auslöst, ist aber fraglich. Dem Künstler bleibt es frei, sein "Werk", das im materiell nicht gehört, entsprechend zu dokumentieren, oder nach Ende dessen Lebensdauer anzukaufen (oder ankaufen zu lassen). Ad "Postmoderne": Ich halte die Postmoderne sowohl in der Architektur als auch in der Geistesgeschichte für eine der größten Blödheiten der letzten Zeit und nein, der Hörsaal V hat mir auch nie gefallen.

Fr. 18/07/2008 11:44 Permalink
eva mohringer-milowiz

meine mutter hasste den jugendstil, meine generationskollegen verachten im allgemeinen die formen der 50er jahre.
jede zeit hat ihren stil. die phasen werden immer kürzer. für aufmerksame beobachter sind die sich verändernden kriterien schon innerhalb weniger jahre sichtbar. wirklich erkenn- und beurteilbar ist ein stil erst, wenn sich zeit, abstand und vor allem mindestens ein 'anderer' stil dazwischen geschoben hat.
die diskussion ist jedenfalls gut. schade, dass sie erst jetzt durch den abbruch entstanden ist.
georg franck sucht in seinem buch 'architekturqualität' (es wird demnächst hier vorgestellt) nach objektiven qualitätskriterien.
und: denkmalschützer befassten sich bisher im allgemeinen nicht mit objekten lebender künstler (architekten).

Mi. 23/07/2008 7:31 Permalink
dipl.-ing. reinisch wolfgang

- frage ans gbg: warum laesst man oeffentlich finanzierte bauten verfallen? oder ist es nicht bekannt, dass ein leerstehendes gebaeude von pluenderern demontiert wird...
- frage ans bda: warum wird dem abbruch von denkmalgeschuetzten einbauten zugestimmt? oder wurde nicht um genehmigung angesucht...

Fr. 18/07/2008 10:35 Permalink
DI Petra Kickenweitz

Die BIG als Besitzer der Immobilie war nicht vom Abbruch des HS V informiert und damit wohl auch nicht das BDA - obwohl Hr. Kelz (TU Gebäude und Technik, als Verantwortlicher für den Abbruch, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hr. DI Murnig wohnt. Dies liegt in erster Linie, meines erachtens, an der Unwissenheit und an der mangelnden Wertschätzung über die Bedeutung die Architektur hat bzw. haben kann. Immerhin war der HS V kein Aushängeschild das man im Architekturführer finden konnte. Der HS V hat durch seine Farbgestaltung auch nicht meinen persönlichen Geschmack getroffen - allerdings zeigte er mit seiner expressiven Architektur den Zeitgeist und die leider mittlerweile völlig verlorengegangene Experimentierfreudigkeit einer vergangen Zeit. Der HS V wird jetzt zu einem sogenannten multifunktionalen Veranstaltungraum - mit gähnender Leere und 0815 Möblierung.

So. 20/07/2008 10:42 Permalink
daniel bauer

Die Postmoderne kann man nicht blöd finden. Bezeichnet sie doch einen gesellschaftlichen und kulturellen Zustand dessen Teil wir alle waren und sind.
Blöd finden kannst du natürliche die eine oder andere Stilblüte die der sogenannte postmoderne Architekturstil hervorgebracht hat. Allerdings denke ich, dass die hier geführte Diskussion sich nicht um 'blöd finden' und 'das gefällt mir nicht' dreht.
Dass der Hörsaal V abgerissen wurde, ohne öffentliche Diskussion an der Fakultät finde ich beschämend. Er ist Ausdruk seiner Zeit und sollte als solcher diskutiert und nach belieben geschätzt werden.

Mo. 21/07/2008 12:39 Permalink
AA GG

schade um den hörsaal, hat mir immer gut gefallen, der garstig postmoderne schuppen!
wäre auch nicht verwundert wenn nichts geistreiches nachkommen würde.
öde zeit!

Mo. 21/07/2008 6:44 Permalink
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