04/06/2019

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

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04/06/2019
©: Karin Tschavgova

Eloge auf eine Institution, die ihren Bildungsauftrag grandios erfüllt.

Gutes, sagt man, altert nicht, sondern reift. Ö1 ist so etwas Gutes. Gehört gehört – und auch gelobt. Ö1 erfüllt seinen Bildungsauftrag, wie man es sich wünschen würde für Schulen und Universitäten. Nur zuhören muss man. Information kommt ohne Zeigefinger und „du musst“ oder „merk dir“ daher, gut und umfassend recherchiert, von vielen Seiten beleuchtet und in Häppchen serviert, die gut zu verdauen sind.
Wo sonst (als in der Sendung Leporello) kann man in sieben Minuten und fünfundfünfzig Sekunden, noch dazu während des morgendlichen Zähneputzens, so viel erfahren über das Ausmaß und die Folgen der sogenannten Lichtverschmutzung, die nicht nur in den Ballungszentren Amerikas und Europas den nächtlichen Sternenhimmel zum Verschwinden bringt? Wenn klassische Sternbilder nicht mehr erkennbar sind und zum Beispiel der Kleine Wagen schon ein Rad verloren hat, so ist das nicht nur eine Einschränkung für die Arbeit der Astronomen, nein, der Verlust der Nacht müsste uns alle traurig machen. Der Nachthimmel ist ein Kulturgut, tausendmal besungen in der Dichtung, ebenso oft versucht in der Malerei und als besonderes Erlebnis in jedem von uns gespeichert. Wer erinnert sich nicht an eine klare, klirrend kalte Winternacht mit beinahe unheimlicher Stille und der Weite des Sternenhimmels? Wie könnten wir je die laue rabenschwarze Sommernacht in Borgo San Lorenzo vergessen, in der Wiese liegend, die Sternschnuppen zählend und nichts anderes zu hören als den vielstimmigen Klang der Nacht von Eulen, Grillen, Mäusen und Siebenschläfern? Ja, die Natur in der Nacht bewegt die Menschen, und deshalb ist es wohl richtig, den Schutz des Sternenhimmels dem Naturschutz zuzuordnen.
Um die „perfekte Schönheit zum Nulltarif“ *) zu erhalten oder besser gesagt, wieder herzustellen, wird in einem auf zwei Jahre angelegten Forschungsprojekt, das im Naturkundlichen Museum nun gestartet wurde, der Nachthimmel untersucht und die Nachthelligkeit einer wissenschaftlichen Messung unterzogen, um die größten Lichtverschmutzer ausfindig zu machen. Die größte Menge an Lichtenergie ist in den Städten angeblich direkt in den Nachthimmel gerichtet, und beleuchtet dort nichts anderes als den Äther und etwaige Aliens. Das ist natürlich eine an Unsinnigkeit kaum zu übertreffende Verschwendung, die man durch gezielte, auf Boden und Bodennähe gerichtete Lichtquellen abstellen könnte. Generell gäbe es, meint der Projektleiter, eine einfache Regel: Licht zu nutzen wie Wasser, es ein- und auszuschalten nach Bedarf und Notwendigkeit.
Und wenn Sie sich bis jetzt gefragt haben, was der durch Lichtsmog mehr und mehr verdeckte Sternenhimmel mit meiner Kolumne über Architektur und Stadt zu tun hat, so wissen Sie es spätestens jetzt. Architekten als Universalisten und Stadtplaner sind auch Lichtplaner, nicht nur die dafür ausgebildeten Professionisten (diese mögen mir dies verzeihen).  Als solche sind sie aufgerufen, sich auch dieses Themas mit der größten Achtsamkeit anzunehmen.
Ich finde es großartig, dass Ö1 mir lustvoll, kurzweilig und abwechslungsreich, dabei Tag für Tag in höchster Qualität, Wissen vermittelt und mein Bewusstsein bildet und schärft – und das aller Architekten und Architektinnen, falls sie den europaweit ziemlich einmaligen Radiosender Ö1 in Echtzeit hören oder 7 Tage lang nachhören. Genau deshalb enthält dieses Aber Hallo keine der sonst oft kritischen Anmerkungen, sondern ist eine Liebeserklärung. Eine an Ö1 und eine an den Sternenhimmel aus meiner Erinnerung. Man möge mir dies nachsehen.

*) O-Ton Günther Wuchterl, Sternenlichtoase in Großmugl

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