07/10/2014

Jeden ersten Dienstag im Monat veröffentlicht GAT in der Kolumne Aber Hallo! Anmerkungen von Karin Tschavgova zu aktuellen Themen von Architektur und gebauter Umwelt.

07/10/2014
©: Karin Tschavgova

Architekturkritik im Out?

Seit zwei Wochen ist die Architekturseite aus dem Feuilleton jener überregionalen Tageszeitung verschwunden, der immer noch das Attribut zugeschrieben wird, die liberalere der beiden österreichischen Qualitätszeitungen zu sein. Verschwunden ist der wöchentliche Fixpunkt der an Architektur Interessierten nicht ganz, er wurde nur verschoben. Vermutlich werden inzwischen auch diejenigen meiner Freunde, die berichtet haben, die ihrer geschätzten Weekend-Gewohnheit nicht nachgehen konnten, weil sie den Architekturbeitrag an seinem neuen Abstellplatz nicht gefunden haben, wissen, wohin die Seite gewandert ist: in den Immobilienteil.
Was steckt nun aber dieser  Verschiebung? Nur Ortswechsel, Befindlich- und Begrifflichkeiten?
Ein Schelm, der Böses ahnt – etwa, dass der auf eine halbe Seite geschrumpfte Artikel sich nun selbst erhalten muss, finanziert über Werbeeinschaltungen von Immobilienfirmen, Maklern und anderen am Immobilienhandel interessierten Branchen.
Wo Business draufsteht, geht’s auch um Business, das ist wohl klar. Ob dann noch ausführlich über „Orchideenobjekte“ berichtet werden kann, über zweckfreie kleine Pretiosen, über zweckfreie kleine Pretiosen, die nur schön sind, aber nicht markttauglich verwertbar? Ob da nicht ungeheuer viel Druck entsteht und nur mehr berichtet werden wird, was JP, Red Bull und Konsorten sich wünschen? Zwei Artikel der ersten beiden Weekends lassen solches befürchten.
Nun, was Leser und Leserin vielleicht bis dato noch nicht bemerkt haben, ist längst Realität geworden. Die Architekturvermittlung auf einer fixen Seite im Feuilleton ist gefährdet, im schlimmsten Fall schon übermorgen hinweggefegt vom Sparstift, der in den Printausgaben aller renommierten europäischen Tageszeitungen rigoros angesetzt wird – offensichtlich angesetzt werden muss.
Auch wir, die wir dem Spectrum zu Diensten sind, wenn es darum geht, hervorragende Architektur vorzustellen oder aktuelle Themen aufzuwerfen, spüren Einschränkungen. Seit der Umwechslung des Schillings in den Euro (zur Erinnerung, das war 2002), wurde unser damals schon kleines Seitenhonorar nur marginal erhöht und schließlich 2012 um 15 Prozent gekürzt. Reisekosten waren nie üblich und werden nur im Ausnahmefall genehmigt. Was das bedeutet? Will ich weiterhin gute Arbeit leisten und sorgfältig recherchieren, Architekten befragen, mich einlesen, Bildmaterial sichten und organisieren und einen guten Text abliefern, so reicht das Seitenhonorar nicht einmal, wenn sich mein Gebäude vor Ort befindet. Zu viele Stunden, vom Reisen irgendwohin kann leider nicht die Rede sein.
Die Schlussfolgerung: das Schreiben auf der Architekturseite leistet sich ein freiberuflich Schreibender mit anderen Einkommen. Dennoch werde ich noch weitermachen. Weil es Vermittlungsarbeit ist, die helfen soll, Vorurteile abzubauen und Brücken zu bauen für ein breiteres Verständnis gegenüber neuem Bauen.
Drum, Leser, zeigt Euren Unmut über jegliche Marginalisierung und Vereinnahmung des Schreibens über Architektur und macht den Herausgebern deutlich, dass Baukultur ein wesentlicher Teil unserer Kultur ist, die ihren Platz auf der Kulturseite und im Feuilleton behalten muss, will man Euch weiterhin als Leser.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+