18/03/2010
18/03/2010

Jochen Gerz bei der Auftaktveranstaltung in Köflach, 1. Station der Eröffnungstour der Denkmaltafeln von "63 Jahre danach", 11.3.2010. Foto: Institut für Kunst im öffentlichen Raum

Erster Projektteil, "Ich Uiberreither Landeshauptmann" in einer Laibung der Burgtor-Durchfahrt, 2008. Foto: Inst. f. Kunst i. öffentl. Raum

Bild/Text-Tafel in Köflach hinter dem Rathaus, links das ausgewählte Bild, rechts der Kommentar eines Landtagsabgeordneten. Foto: A. Senarclens de Grancy

Auf der Rückseite: alle veröffentlichen Bilder und Kommentare aus dem über Monate laufenden Medienprojekt. Foto: Inst. f. Kunst i. öffentl. Raum

Eröffnungstour, Station Eisbach-Rein, 12.3.2010. Foto: A. Senarclens de Grancy

Bild/Text-Tafel neben der Bushaltestelle beim Stift Rein. Foto: A. Senarclens de Grancy

Gesprächsrunde und Publikum in Eisbach Rein. Foto: A. Senarclens de Grancy

Tafel am Schlossbergplatz in Graz. Diese Tafel sollte eigentlich am Hauptplatz stehen, die Genehmigung wurde von der Stadt nicht erteilt. Foto: A. Senarclens de Grancy

Nach eineinhalb Jahren Laufzeit ist das 2008 begonnene und vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum durchgeführte interaktive Projekt „63 Jahre danach“ des Konzeptkünstlers Jochen Gerz abgeschlossen. Die Standorte in Graz und neun steirischen Gemeinden wurden von 11.-13.3. mit Gesprächsrunden eröffnet.

Initiiert wurde das Projekt vom Landtag Steiermark und der Steiermärkischen Landesregierung. Den Auftakt bildete eine Zeichensetzung im Grazer Burgtor, die bereits 2008 eröffnet worden ist. Die Inschrift „Ich Sigfried Uiberreither, Landeshauptmann“ thematisiert den Machtmissbrauch im Nationalsozialismus und die schweigende Mehrheit, nicht nur damals, sondern auch später.

Bei „63 Jahre danach“ ging es dann aber nicht darum, mit einer traditionellen Denkmalerrichtung den Erinnerungsakt quasi abzuschließen, sondern diesen vielmehr in Gang zu bringen und zu halten. Wichtig war der Prozess: des Diskutierens, des Auswählens, des Hinschauens – oder auch des Wegschauens. Denn Jochen Gerz umfasst mit seinem Konzept auch bewusst jene, die sich verweigern.

Da Demokratie nicht ein für alle Mal erreicht sei, komme es auf die Entscheidungen und die Teilnahme jeden Einzelnen – nicht nur der PolitikerInnen und „Mächtigen“ – an. Die Öffentlichkeit sollte „in die Verantwortung gegenüber historischen Ereignissen genommen“ werden. Über das Medium Zeitung suchte Gerz deshalb einen transparenten demokratischen Prozess in Gang zu setzen.
96 ausgewählte Fotos aus der NS-Zeit wurden in einer Tageszeitung (Kleine Zeitung) veröffentlicht, 48 davon durch die LeserInnen mittels Stimmabgabe ausgewählt und von ebenso vielen steirischen Landtagsabgeordneten kommentiert. Schließlich suchten die ZeitungsleserInnen 24 Bild-Text-Kombinationen und Standorte für die Denkmaltafeln aus.

Die konkreten Standorte der abschließend errichteten Bild/Text-Tafeln wurden nach möglichst hoher Passantenfrequenz ausgewählt, in Eisbach-Rein etwa neben der Bushaltestelle, wo die SchülerInnen täglich ein- und aussteigen, oder in Selzthal direkt am Bahnsteig. In Graz suchte man möglichst Standorte in der Nähe jener Orte, die auch auf den Fotos zu sehen sind.

Die Tafeln besetzen den öffentlichen Raum, provozieren. Besonders einprägsam ist beispielsweise der Text der grünen Landtagsabgeordneten Ingrid Lechner-Sonnek beim Standort am Bischofsplatz, bei dem sie ein Foto einer Übung eines Gas- und Entgiftungstrupps, der 1941 mit Besen und Wasser ebendiesen Platz zu entgiften sucht, mit dem Slogan „Wir säubern Graz - Wir fegen das Übel aus der Stadt“ einer BZÖ-Wahlkampagne im Winter 2007/08 assoziiert.

Die NS-Zeit scheint auch im Jahr 2010 noch immer verminter Boden zu sein: Nicht alle 13 Gemeinden – genauer: ihre lokalen PolitikerInnen, EntscheidungsträgerInnen und MeinungsbildnerInnen – waren bereit, die Denkmaltafeln aufzustellen und sich damit der Diskussion auszusetzen. Abgelehnt haben die vier obersteirischen Gemeinden Bad Mitterndorf, Haus im Ennstal, Neumarkt in Stmk. und Rohrmoos-Untertal.

In letzter Minute hat auch die Steirische Wirtschaftskammer in Graz kalte Füße bekommen und die Genehmigung zur bereits aufgestellten Tafel zurückgezogen.

Standorte der Denkmaltafeln:

Graz:

Augarten
Bischofsplatz
Eisernes Tor
Freiheitsplatz
Geidorfplatz
Hauptbahnhof
Hauptplatz
Herrengasse
Wirtschaftskammer
Wahlzentrale/Burg
Karmeliterplatz
Tummelplatz

Steirische Gemeinden:

Eisbach-Rein
Feldbach
Gleisdorf
Köflach
Leoben
Selzthal
St. Ilgen
Wagna
Bad Mitterndorf (abgelehnt)
Haus im Ennstal (abgelehnt)
Neumarkt in Stmk. (abgelehnt)
Rohrmoos-Untertal (abgelehnt)

Alle Tafeltexte zum Nachlesen sowie Detailpläne der Standorte in Graz und den steirischen Gemeinden finden Sie unter http://www.oeffentlichekunststeiermark.at/cms/beitrag/11074682/28283838/_1

Verfasser/in:
Antje Senarclens de Grancy, Empfehlung
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