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Graz

Ein psychogeografisches Kunstprojekt über Kultur, Flucht und Migration im Kulturraum Zentraleuropa von diSTRUKTURA – Milica Milicevic und Milan Bosnic.

“Das plötzliche Interesse für das sogenannte Zentraleuropa erwuchs weniger aus der Einsicht, das seine ganze Kultur vom Schatten verdeckt ist, als vielmehr aus dem im Westen herangereiften Bewusstsein, dass durch die manichäische Teilung in Ost und West ein ganzer Teil Europas wie vom Neben verschluckt wurde.” Danilo Kiš

Danilo Kiš schrieb diese Zeilen vor 30 Jahren. In der Zwischenzeit haben wir den Fall der Eisernen Mauer und des Ostblocks erlebt, die Vereinigung Europas und die Erweiterungsschritte der EU, die Flüchtlinge aus Syrien und Afrika – aber so etwas wie ein gemeinsamer Kulturraum hat sich dennoch nicht entwickelt, aber das an diese Idee geknüpfte „Heimweh nach Europa“, nach einen verloren gegangenen und neu zu gewinnenden Reichtum an kultureller Vielfalt, besteht noch immer.

diSTRUKTURA, ein serbisches KünstlerInnenpaar, beschäftigt sich gezielt mit dem kulturellen Konzept des zentraleuropäischen Raums und positioniert die künstlerische Praxis als Erforschung dieser in Frage stehenden gemeinsamen kulturellen Identität in einer von Umbrüchen und Migrationsbewegungen gekennzeichneten Zeit.

Migration ist ein zentrales Thema, das trotz aller Komplexität meist einseitig betrachtet wird. Was hat es z.B. für Folgen, wenn vor allem die Jungen, die Unternehmungslustigen, die Kritischen ihr Land verlassen? Diese Abwanderung der Gestaltungs- und Erneuerungskräfte trifft die Gesellschaft ins Mark. Und andererseits heißen die Gesellschaften der Einwanderung die Neuankömmlinge nicht wirklich willkommen, da hilft auch deren gute Ausbildung wenig.

diSTRUKTURA hat dieses langfristig angelegte Projekt vor einigen Jahren am Beispiel Serbien gestartet. Seit dem Krieg haben an die 800.000 Menschen Serbien verlassen. Die meisten von ihnen sind AkademikerInnen. Aber haben sich ihre Hoffnungen und Erwartungen erfüllt? Das war die Frage von We are living in a beautiful wOURld. Dazu gab es bereits zahlreiche Dokumentationen der Zwischenschritte: Fotoserien, Installationen in Galerien und im öffentlichen Raum in Belgrad, Novi Sad, Graz, Gleisdorf und Pöllau.
2013 startete diSTRUKTURA mit Interviews in Graz, die die Zuwanderung von AkademikerInnen und KünstlerInnen aus dem ex-jugoslawischen Raum nach Graz zum Thema hatte. Die Interviews waren online und mit den öffentlichen Raum über QR-Codes an „ihren“ Orten in Graz verknüpft. Die Interviews erzählen von den Gründen des Weggehens, dem Ankommen in Österreich sowie dem Prozess des Hineinfindens, und wie sie alle ÖsterreicherInnen wurden (s. Link Graz 2013 – youtube.com)

Ziel ist die geografische Ausweitung dieses erfolgreichen Projektstarts auf 30 Interviews, die sich zu einer kulturellen Psychogeografie von Österreich und den Ländern des Weltbalkans verdichten und so die Rolle der Kunst in einer von Umbrüchen und Transformationen geprägten Zeit zeigt.

Das Projekt soll abschließend in Graz und in allen Hauptstädten der ex-jugoslawischen Länder präsentiert sowie in einem Ausstellungskatalog dokumentiert werden.

Veranstaltungsort
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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