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Tunnel Graz Zentrum

Der geplante Tunnel im Zentrum bedeutet allein sehr wenig für die Verkehrsproblematik der Stadt Graz! Einige Gründe dafür:

1. Zeitplan: Jetzt einen Baubeginn wenig ambitioniert für 2030 anzukündigen, bedeutet eine Wirksamkeit der Maßnahme kaum vor 2040. Somit ist klar, dass alle kleinen aber sofort greifenden Maßnahmen mehr Effekt erzielen würden. Gerade in einer Zeit mit immer kürzeren Zyklen der technischen Entwicklung sind Langzeitprojekte überhaupt nicht sinnvoll (die Digitalisierung verändert ja gerade den Verkehr). Und leider stimmt es, dass innerstädtischer Tunnelbau in jenen Städten besonders langsam vorangeht, wo überhaupt keine Übung in solchen Dingen vorhanden ist.
2. Umstieg auf öffentlichen Verkehr: Ein einzelner Tunnel unter einem bereits vorhandenen System wird nicht zum großen Umstieg motivieren. Der Trigger ist die Wechselzone von der morgendlichen Auto- oder Rad - Fahrt zur nächstgelegenen Station auf das erste öffentliche Verkehrsmittel. Das ist eine Bahn- oder Busstation im Umland von Graz. Ein 5 km KURZER Tunnel wird die Beurteilung der Gesamtstrecke nicht revolutionieren.
3. Sinnhaftigkeit von Autofahrten und Radfahrten: Die angebotenen Systeme sollten eine mehrheitsfähige Unterscheidung zwischen sinnvollen und mehrwertlosen Autofahrten nahelegen. Wenn die Parkmöglichkeiten an den möglichst weit außen liegenden Übergabestellen nicht klar als Vorteil erkennbar sind, wird keine Lenkung erfolgen.
4. Graz leidet unter dem Grundproblem, dass radiale Hauptverbindungen nicht durch Ringverbindungen ergänzt werden. Vorranging wäre ein Straßenring zu sehen und danach erst die öffentliche Spange. Damit könnte auch die Zahl der übergabestellen an den öffentlichen Verkehr reduziert werden, weil "ein Tal weiter" der große Parkplatz und die Schnellbahn winken (Beispiel Zufahrt von Mariatrost zu den Autobahnen, Erreichen des LKH von Straßgang usw.).
5. Das HINAUSEKELN des Individualverkehrs aus der Stadt durch möglichst aufreibende Rahmenbedingungen hat mittelfristig den Effekt des Aushungerns der Betriebe im weiteren Zentrum. Das führt zum Nachrücken einer minderwertigen Nutzung, wie sie in Graz gerade im Gange ist. Das Wesentliche am Flair einer Stadt geht damit verloren - das Verkehrsproblem ist damit aber nicht gelöst.
6. GROSSE LÖSUNG: Es gibt sogar zwei große Lösungen. Beide erfordern jedoch politischen Mut. Mit der Erkenntnis, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit von Autos in einem weiten Bereich der Stadt nicht mehr als 20 km/h beträgt, sind beide Lösungen im Rennen: a) Eine auf weite Bereiche der Stadt ausgedehnte BEGEGNUNGSZONE. b) Die ENTFLECHTUNG der Verkehrsmittel.
7. Begegnungszone: Ist in vielen Straßen schon verwirklicht, aber nicht als solche gekennzeichnet. Mit der Kennzeichnung würde sich der Anspruch der Realität annähern. Die Kosten dieser Maßnahme liegen nur in den Parkmöglichkeiten, die das Fahren von Autos auf einem großen Prozentsatz der vorhandenen Verkehrsflächen reduzieren würde. Es geht um ein Netz von Stützpunkten, zwischen denen zu Fuß gehen automatisch die beste Lösung ist. Und falls das utopisch klingt: Die faktische Besetzung der Gehsteige durch Radfahrer ist schon Tatsache, aber keine gute Lösung.
8. Entflechtung: Radwege funktionieren nur, wenn sie breit genug und durchgängig sind. Wir haben uns an ein völlig kleinkartiertes und gefährliches System von Radwegen gewöhnt, das jedoch viele Strecken wenig attraktiv macht. Abstellplätze fehlen. Öffentliche Verkehrsmittel funktionieren nur, wenn ihnen Korridore zur Verfügung stehen. Kleinstmaschiger Mischverkehr wie in Graz ist ein brutales Missverständnis öffentlicher Verbindungen. Dafür müssten Straßen für eine vorrangige Nutzung definiert werden. Das gilt auch für den Autoverkehr. Viel zu schmale Straßen mit Parkenden auf beiden Seiten und Radverkehr zwischen Autos und Bussen sind die Karikatur eines modernen Verkehrs! Aber ohne die Grätzelgaragen und mehr für zusammenhängende Verbindungen (egal ob Rad, Auto oder Bus) zur Verfügung stehende Straßenzüge wird das nicht gehen. Auch nicht ohne ideelle Kreis - Systeme, die ampelfrei um ganze Plätze oder Häuserblocks geführt werden.
9. RESPEKT: Die Verfechter von Lenkungsmaßnahmen aller Art vergessen allzu gern, dass es unterschiedliche Lebensmodelle und Lebensphasen gibt - die jedoch fast alle ihre volle Berechtigung haben. Zwei Wochen in der Stadt Parken für einen Halbtagsausflug am Wochenende. Autofahrt durch die Innenstadt auf dem Weg zu einem Arbeitsplatz in 30 km Entfernung ohne Bahnanschluss. Eine Innenstadt voll sich drängender Zusteller, weil ihnen die Flächen absichtlich eng gemacht wurden usw. usw.
10. VOLKSWIRTSCHAFT: Die einzige sofort wirkende Maßnahme ist der Verzicht auf Konsum! Keine Ausflüge, keine Einkäufe, keine Lokalbesuche. Kein zweiter und dritter Wohnsitz und mehrere Firmenstandorte. LEBEN MIT LEICHTEM GEPÄCK! Klingt auch utopisch, aber nur wegen der auf sinnlosen Konsum und Pseudo - Effizienz ausgerichteten Marketing - Maschinerie. Die Armutsschwelle liegt viel zu nahe am übertriebenen Konsum: Mit wenig Geld lassen sich in unserer inflationären Warenwelt noch immer Unmengen an wertlosen und sinnarmen Dingen kaufen, die auf einer Spur der wenig nachhaltigen Produktion und Logistik zu uns kommen.
FAZIT: Ohne eine ganze Reihe von Begleitmaßnahmen und politischen Bekenntnissen ist dieser GRAZER SBAHNTUNNEL SINNLOS.

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