16/12/2010
16/12/2010

Am Montag, dem 13. Dezember 2010 wurde in der Gemeinderatssitzung ein Fachbeirat für Baukultur in Graz beschlossen. Dieser wird in der ersten Hälfte des kommenden Jahres seine Arbeit aufnehmen.

Vorgeschichte

Die Stadtbaudirektion veranstaltete im Juni 2005 eine Baukulturenquete, welche die politischen Entscheidungsträger von der Notwendigkeit eines Gestaltungsbeirates überzeugen sollte. Schlussendlich entschied sich der damalige Planungsstadtrat Gerhard Rüsch dagegen und kreierte stattdessen das „Grazer Modell“, das aus vier Instrumenten zur nachhaltigen Stadtentwicklung und Sicherung der Baukultur bestand – Stadtforum, Bebauungsleitlinien, Wettbewerbswesen und Projekttisch – und nach einem Gemeinderatsbeschluss Anfang 2007 installiert wurde. Nach einer Evaluierung im Jahr 2008 war klar, dass die beiden Instrumente „Wettbewerbswesen“ – das Grazer Modell führte nachweislich zu einer Erhöhung von Wettbewerbsverfahren – und „Projekttisch“ weiter zur Qualitätssicherung eingesetzt werden sollen, der Projekttisch in modifizierter Form mit erhöhter Servicefunktion. Stadtforum und Bebauungsrichtlinien konnten die Erwartungen nicht erfüllen und scheiden in Zukunft aus. (Einen detaillierten Bericht über das Ergebnis der Evaluierung finden Sie demnächst auf www.gat.st.)

Entscheidung für einen Fachbeirat

Das Grazer Modell erfüllte also nur bedingt den Anspruch hinsichtlich einer nachhaltigen Stadtentwicklung und Sicherung der Baukultur. Bei Projekten konnten generell keine verbindlichen Vorgaben zur architektonischen Qualitätssicherung, insbesondere in der Projektumsetzung, getroffen werden. Daher erging von der Stadtbaudirektion an die Stadt Graz die Empfehlung, für Bauprojekte ab einer bestimmten Größenordnung einen externen Fachbeirat einzurichten. Dieser Empfehlung liegt ein Konzept zugrunde, das von der Stadtbaudirektion, dem Stadtplanungsamt und den zuständigen städtischen
Fachabteilungen sowie externen Beteiligten (Kammer für Architekten und
Ingenieurkonsulenten, Wirtschaftskammer – Landesinnung für Baumeister, Haus der Architektur, Altstadtsachverständigenkommission, Technische Universität Graz) erarbeitet wurde.

Beim Grazer Fachbeirat handelt es sich um ein Sachverständigengremium, das sich aus drei bis fünf externen Fachbeiratsmitgliedern der Bereiche Architektur, Raum- und Stadtplanung zusammensetzt, die in Graz keine Planungsaufträge haben dürfen. Der Fachbeirat wird alle 1,5 Jahre neu besetzt, eine Beiratstätigkeit kann maximal 2 Perioden, also 3 Jahre, dauern. Der Besetzungsvorschlag kommt von Stadtbaudirektion und Stadtplanungsamt und wird den zuständigen StadtsenatsreferentInnen zur Beschlussfassung vorgelegt.

Beiratspflicht ab einer bestimmten Projektgröße

Die Beiratspflicht besteht bei Bauprojekten außerhalb der Altstadtschutzzone ab einer Bruttogeschoßfläche von 2.000 m² (oberirdisch; ausgenommen Gewerbegebiet). Der Fachbeirat soll Projekte vor dem Bauverfahren prüfen und Stellungnahmen abgeben, die Ortsbild, Gestaltungsqualität, städtebauliche Dimension, öffentlichen Raum, Nachhaltigkeitskriterien und Energieeffizienz beinhalten.
An den jeweiligen Beiratssitzungen werden auch VertreterInnen der zuständigen Fachabteilungen teilnehmen, darüber hinaus können weitere Sonderfachleute (z. B. Bundesdenkmalamt etc.) zur Teilnahme eingeladen werden.

Ablauf

In der Fachbeiratssitzung präsentiert der jeweilige Projektwerber seine Planung. Daraufhin gibt der Fachbeirat eine schriftliche Empfehlung ab, die als Grundlage für die Begutachtung im Bauverfahren dient. Sollte eine negative Stellungnahme durch den Fachbeirat vor dem Bauverfahren erfolgen, muss das Projekt überarbeitet und dem Fachbeirat nochmals vorgelegt werden.

Projekte, die durch ein Wettbewerbsverfahren ermittelt wurden, werden dem Fachbeirat kurz vorgestellt und danach nicht mehr gesondert beurteilt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Auslobungsunterlagen vom Fachbeirat freigegeben wurden und ein Beiratsmitglied bzw. ein/e Vertreter/in der Stadtbaudirektion oder des Stadtplanungsamtes Juror/in beim betreffenden Verfahren war.

Anhand positiver Beispiele soll die Beiratstätigkeit dokumentiert werden. Eine regelmäßige Veröffentlichung der Tätigkeitsberichte, z. B. in Form eines Jahrbuches, soll das Bemühen des Fachbeirates um gelebte Baukultur nachweisen und die Belange der Baukultur in der öffentlichen Wahrnehmung schärfen.

Verfasser/in:
Redaktion GAT Graz Architektur Täglich
Heinz Wondra

aus der „Woche“, Graz & Umgebung am 15.12.2010
„Stadt plant jetzt neuen Gestaltungsbeirat. Die Bauträger laufen gegen diese Maßnahme Sturm.“ Gollenz: „Beirat gefährdet Bauoffensive“
Die Vernetzung von Spekulation und Politik zum Zwecke der Gewinnmaximierung einer Lobby von Bauträgern und Grundstücksspekulanten ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit zur Normalität geworden.
Ist es mit diesem Beschluss nun endlich so weit, dieser Gruppe von Geschäftemachern ein wirksames Gremium im Sinne einer öffentlichen Kontrolle zur Förderung von Baukultur zur Seite zu stellen?
Ob bei der Thalia, am Andreas Hofer-Platz, in der Griesgasse, ob am ehemaligen Areal der Kinderfreunde in der Grazbachgasse, an der Schönaubrücke – die Stadtregierung geht in die Knie. Baukultur ist in Wirklichkeit ein Fremdwort, die Stadt verkommt und das finanzielle Risiko von Investitionen wird sogar dem Steuerzahler aufgebürdet (siehe Thalia Aufbau) Der Investor brüstet sich mit der Wertschöpfung durch die Errichtung eines Fitness-Studios auf der wertvollsten Planungsruine der Stadt, am Dach der Thalia!
Was haben die Bürger von Graz an Baukultur noch zu erwarten?
Ja, den Gestaltungsbeirat!
Die Frage sei erlaubt: Mit welchen Befugnissen und Mitteln ausgestattet, mit welchen Personen oder Persönlichkeiten wird dieser besetzt?
Den erwähnten Grazer Bauträgern sind die Ergebnisse der langjährigen Arbeit von Gestaltungsbeiräten in Salzburg und Linz bekannt. Die Bäume der rücksichtslosen Spekulation konnten dort nicht in den Himmel wachsen, ein normales Maß an Verantwortung für das Wohl der Stadt und für die Baukultur hat sich dort etabliert. Solche Zustände gilt es in Graz zu verhindern.
Aber auch Andere haben Interessen, durchaus auch politische. Und siehe: fein werden die Wohnbauträger, d.h. die Wohnbaugenossenschaften, vorweg bedient. Bei Bauvorhaben mit einer Bruttogeschoßfläche unter 2.000 m² wird der Gestaltungsbeirat künftig gar nicht zuständig sein, Qualitätskontrolle schon vorweg ausgeschaltet. 2.000 m² BGF entsprchen etwa 20 Wohneinheiten mit ca. 75 m² Wohnnutzfläche. Damit füllt man heute „1 Wohnblock“ und dieser wird weiter unbehelligt auf dem entsprechenden Minimalgrundstück auf der grünen Wiese errichtet werden. Dazu noch die geforderten PKW-Stellplätze und fertig sind Stadtplanung und Städtebau in Graz. Sicher auch zukünftig. Ist die Filletierungs-Methode bereits für die Bebauung der Reininghausgründe vorgedacht?
Heinz Wondra, Graz
16.12.2010

Do. 16/12/2010 11:56 Permalink
Gerhard Kopeinig

Erstens: 3 Jahre sind zu kurz - es braucht eine gewisse Kontinuität, daher sollte immer nur ein Mitglied wechseln. Zweitens: 2000 m2 - eine schwierige Festlegung, da wir draufgekommen sind, dass manchmal Kleinigkeiten große Auswirkungen haben können.
Die Einbindung der Raumordnung finde ich sehr, sehr gut!
Gerhard Kopeinig, ARCH+MORE ZT GmbH

So. 19/12/2010 9:31 Permalink
Netzwerktreffen
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