26/09/2003
26/09/2003

Das Kommod - für viele das verlängerte Wohnzimmer aus Studientagen

Über Jahre dem Verfall preisgegeben, würde ein Neubau in Angleichung an die umgebenden Baumassen mehr Volumen und damit mehr Geld bringen.

Wievieler Gutachten bedarf es, damit letztendlich doch wieder Einzelne ihre Interessen durchsetzen, entgegen der Haltung vieler, denen die Stadt und ihre Lebens-Räume Anliegen sind.
Das pekuniäre Interesse scheint offensichtlich über das kulturelle zu dominieren.
Denn wodurch wäre jahrelanges bewusstes Nichterhalten eine Bauwerkes bis zu dessen Verfall erklärbar als mit der Option auf Gewinnoptimierung mittels Neubau. Ein Blick auf die umgebenden Häuser genügt, um festzustellen, dass ein Neubau mehr Dichte, mehr Quadratmeter und damit mehr Geld bringen würde.
Was zählt da schon die Geschichte, die mit diesem Ort verbunden ist?

P.S. Ein Gutachten, erstellt von drei Experten der TUGraz, das die eventuelle Erhaltungswürdigkeit des Kommodhauses untersucht, wird zeigen, ob das Kommodhaus eine Chance hat.

Im Folgenden ein Exkurs zur Geschichte des Hauses von Peter Laukhardt

Reißt Graz wirklich sein erstes Opernhaus ab?

Zur Erinnerung:
Das seit Jahrzehnten bewusst heruntergewirtschaftete Eckhaus wurde 1813 von Jakob Koll in die jetzige Form gebracht, 1839 durch den berühmten Baumeister Georg Hauberrisser erweitert und mit der jetzt noch erhaltenen, geschützten Fassade versehen. An der Stelle des Baus hatte sich schon um 1590 eine Wagenremise befunden, die zu den Hofstallungen gehörte, in denen Erzherzog Karl II., der Regent von Innerösterreich, seine Lipizzaner hielt, daher auch der Name Tummelplatz für das anschließende Freigelände.

Nach der Übersiedlung des Hofes nach Wien 1619 verloren die Stallungen an Bedeutung.
Pietro Mingotti kam mit einer italienischen Operntruppe 1736 nach Graz; man wies ihm die östliche Wagenremise für seine Theateraufführungen an – es begann eine 10 Jahre währende Glanzzeit des Grazer Musik- und Bühnenlebens. Wegen der Feuergefahr mussten die Wände 1749 in Ziegeln aufgeführt werden.

Nach der Fertigstellung des Ständischen Theaters am heutigen Freiheitsplatz wurde die alte Oper 1776 geschlossen und diente bis 1813 als Magazin. Während der Bühnenraum dem Durchbruch der Burggasse zum Opfer fiel, ist in den nördlichen und östlichen Außenwänden heute noch die Sub-stanz des Zuschauerraumes erhalten! Das dann zum Wohnhaus umgebaute Gebäude mit einer lan-gen Reihe bekannter Gasthäuser (1855 Gastwirt Fischer, 1902 Gasthaus „Zum alten Stadttheater“ 1930 „Biersanatorium“, 1970 „Victorian Steakhouse und Downstairs“, jetzt “Kommod” und „Trian-gel“) überstand als eines der wenigen in diesem Viertel den Krieg und erlitt nur einen leichten Bombenschaden.

Als ältester Teil der örtlichen Bebauung ist das Haus das wichtigste Element in der exponierten städ-tebaulichen Kreuzung mit Blickverbindung zur Oper. Mit dem Verlust dieses Hauses wird die letzte Erinnerung an frühere Bauformen in diesem Altstadtbereich erlöschen, dessen kulturgeschichtliche Bedeutung auch in der Reminiszenz an die weltberühmte Hofreitschule der Lipizzaner sowie der Situierung der ersten Grazer Oper liegt.

Wie zum Hohn soll dafür in Sichtweite auf einen ebenfalls historischen Theaterbau, der aus einem Zirkus entstandenen Thalia, eine überdimensionierte Probebühne und auf das denkmalgeschützte Kaffehaus der 50iger Jahre ein Hotelklotz aufgepfropft werden – ein weiteres trauriges Kapitel in der Baugesinnung der Stadt, die auch in den zum Weltkulturerbe erhobenen Schutzzonen um jeden Preis „modern“ werden will. Kein Wunder, dass die UNESCO Graz auf die „Watchlist“ setzen will. Vielleicht gibt es aber wie in Wien (Hochhäuser Wien-Mitte) ein Umdenken in letzter Minute?

Dipl. Dolm. Peter Laukhardt, Mitglied der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission, Stellv. Geschäftsführer des Internationalen Städteforums Graz´, Vorsitzer des Vereines „Grazer Altstadt“

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