19/03/2014

Wohnhaus Avellana von Büro EMI Architekten, Zürich

Vom Vortrag im Zeichenssal AZ3 am 12,03,2014 berichtet Georg Schrutka.

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19/03/2014

Vortrag von Christian Mueller Inderbitzin von EMI Architekten, Zürich zum Wohnhaus 'Avellana' in Zürich-Schwamendingen

©: Georg Schrutka

Das Wohnhaus Avellana ging aus einem Wettbewerb, den das Zürcher Büro EMI Architekten gewann, hervor und wurde von 2010 bis 2012 geplant und realisiert. Die Bauherrin Wogeno Zürich forderte zwischen 15 und 20 kleinere Wohneinheiten auf einem Hofgrundstück im Zentrum der ehemaligen Gartenstadt Zürich-Schwamendingen. In unmittelbarer Nähe befindet sich ein bereits realisiertes Projekt der Wogeno mit familientauglichen Wohnungen und das neue Projekt sollte mit diesem, im Sinne eines Generationenwohnens, zusammenwirken.

Am 12. März 2014 lud der Architektur-Zeichensaal AZ3 Christian Mueller Inderbitzin von EMI Architekten an die Alte Technik ein, um das Projekt in der Vortragsreihe einWerk vorzustellen. Wesentlicher Bestandteil des Vortrags war der Begriff der Vieldeutigkeit, sowohl bezogen auf das konkrete Projekt als auch auf das generelle Architekturverständnis des Büros.

Im AZ3 versammelten sich rund hundert großteils studentische Zuhörer, um nach einer etwas holprigen, aber charmanten Begrüßung seitens der Organisation dem Vortrag zu folgen. Der ungezwungene Rahmen, in geraden Reihen angeordnete Stühle suchte man vergebens und etliche Gäste nahmen auf den zur Seite gerückten Tischen Platz, bot am Ende des Vortrags die Möglichkeit einer lebhaften Fragerunde. Auch das offizielle Ende fiel sympathisch informell aus und der Abend ging nahtlos in den gesellschaftlichen Teil über.

Mueller Inderbitzin versuchte anhand des Projekts Avellana drei Grundkonzepte des Büros darzulegen - „imaginierter Kontext“, „offene Form“ und „stiller Expressionismus“. Nach eigenen Aussagen versteht sich der Architekt vornehmlich als Praktiker, das theoretische Konzept schützt die Architektur des Büros jedoch möglicherweise vor Pragmatismus.

So ist es bezeichnend, dass der Entwurfsprozess mit einer „sprachlichen Fassung“ beginnt, einer Art Dialog zwischen den Architekten des Büros. Bei diesem Prozess wird bewusst mit der Mehrdeutigkeit der Sprache operiert, es werden Metaphern statt Bilder verwendet. Mueller Inderbitzin spricht von einem „Feld von Suggestionen“ und von einem um „psychologische Strukturen“ erweiterten Stadtbegriff, um sein Konzept des imaginierten Kontexts zu erläutern. Diese Betonung der Interpretierbarkeit von Architektur findet sich auch in der „offenen Form“. EMI geht davon aus, dass Architektur keine allgemein verständliche Sprache mehr spricht und wendet sich deswegen gegen die Bedeutungsklarheit jener, die der Schweizer Architektur zu ihrem Stellenwert verholfen haben, ohne diese im Kontext ihrer Zeit abzuwerten. Die Konsequenz sei eine notwendige Mehrsprachigkeit der Architektur, sie müsse bedeutungsarm, aber informativ sein.
Diesem Spannungsfeld der Sprache der Architektur widmet sich auch der dritte Begriff des „stillen Expressionismus“. Architektur wird als Möglichkeitsraum verstanden und dürfe deswegen weder laut noch still sein. Es wird daher eine „Balance zwischen Abstraktion und Narration, zwischen formaler Diskretion und Ausdrucksstärke“ gesucht, wie es der Vortragende ausdrückte.
Als Methode, um dies zu erreichen, kann mit einer Collagetechnik gearbeitet werden, die sich speziell in der Fassade des Projekts artikuliert. Schmale und breite Bretter unterschiedlicher Lasur wechseln sich mit Blechfeldern in verschiedenen Grüntönen ab. Die Grenzen dazwischen werden artikuliert und bieten eine Möglichkeit zur Interpretation und Aneignung. Ebenso charakteristisch sind die aus Blechen gefertigten, massiv wirkenden Balkone, die am Holzbau befestigt sind. Damit wird eine Tektonik untergraben, die der Konstruktionslogik von Schwer zu Leicht folgt und abermals ist die Interpretation des Rezipienten gefordert.

Das Volumen des Baukörpers ordnet sich dem Kontext des Hofes unter. Es gestaltet sich durch leichte Knicke und Abstufungen kleinteilig und möchte bewusst informell wirken. Ein ehemaliger Schuppen am Grundstück wird als Referenz angeführt. In den Grundrissen spiegelt sich abermals die offene Form - sie stehen in Opposition zur Bestimmtheit bürgerlicher Grundrisse. Unmittelbar vom Außenraum werden die 17 unterschiedlichen Wohnungsgrundrisse direkt in die Wohnküche betreten, ein Motiv, das sich sonst eher bei bäuerlichen Grundrissen findet. Auch die Übergänge innerhalb der Wohnungen sind niederschwellig und unmittelbar gehalten, so tragen laut Mueller Inderbitzin etwa die raumhohen Türen und die damit durchlaufenden Decken wesentlich zur Vieldeutigkeit der Grundrisse bei.

Der Vortrag wurde von den Anwesenden interessiert verfolgt und diskutiert. Das deutet auf die Wichtigkeit eines theoretischen Grundgerüsts auch im praktischen Entwerfen hin, denn andernfalls käme ein qualitativer Austausch über das Projekt sicher weniger zielgerichtet und langsamer zustande. Ich persönlich wäre auf Darstellungen des genutzten, angeeigneten, interpretierten, zwischen Abstraktion und Narration gedeuteten Projekts anstelle der klassischen Architekturfotos gespannt gewesen.

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