09/10/2013

Der Bauherrenpreis (BHP) der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs, der 2013 von der ZV Salzburg organisiert wurde, honoriert Persönlichkeiten bzw. Personenkreise, die sich als BauherrIn oder AuftraggeberIn und MentorIn für die Baukultur in besonderer Weise verdient gemacht haben.

09/10/2013
©: ZV - Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs

Karin Tschavgova kommentiert den Befund als zu undifferenziert und damit der Gefahr ausgesetzt, selbstschädigend zu sein.

Die steirische Sektion der Zentralvereinigung der Architekten hat eine Pressekonferenz einberufen und beklagt den Verlust an Baukultur in der Steiermark (O-Ton Walter Titz, Kl. Zeitung 3.Oktober). Der Anlass: Die Vergabe der heurigen Bauherrenpreise, zu der die Vorjury der Steiermark nicht mehr als zwei eingereichte steirische Bauten nominieren wollte oder - wie sie betonte – konnte, da die Qualität der insgesamt 14 steirischen Einreichungen nicht mehr an Preiswürdigem hergab. Aus Graz kam keines der beiden nominierten steirischen Bauwerke.

Nun könnte man diesen Umstand als traurigen konstatieren, man könnte in die Klage der ZV, die auch die derzeitige Tätigkeit der Grazer ASVK einschließt, einstimmen und hoffen, dass auch Leser und Leserin des kurzen Berichts von der Pressekonferenz und des diesbezüglichen Kommentars, den Walter Titz auf der schon wesentlich weniger frequentierten Kulturseite platzierte, diese Mitteilung so interpretieren: es gab heuer nicht mehr an Qualität.

Leider werden sie das nicht. Erst einmal kürzen Journalisten, die Pressemitteilungen interpretieren, Inhalte oft unzulänglich. Dann neigen Leser dazu, dieses Konzentrat auf eine einfache Formel zu bringen. Die hieße in diesem Fall wohl: Die in der Steiermark bauenden Architekten sind schlecht, denn seit 2003 wurde kein österreichischer Bauherrenpreis mehr nach Graz vergeben. Perdu die Differenzierung zwischen Graz und der Steiermark, liest man doch, dass nicht einmal die maximal mögliche Anzahl an steirischen Einreichungen gefunden werden konnte, die die Landesjury zur gesamtösterreichischen Wahl senden hätte können. Damit wären die Architekten wieder einmal in dem Eck, in dem sie weder die ZV noch Journalisten haben wollen können – im Winkel der Bösen und Schuldigen (da hilft auch die Randspalte des Kulturredakteurs nichts, in der er als Folge der Abkühlung des Klimas „die Kälte des Rechenstifts von Investoren“ ortet. Wer liest die schon?)
Kann die Absicht der steirischen Sektion der ZV sein, dass ihre Pressekonferenz dieses Ergebnis zeitigt?
 
Ich halte diese Pressekonferenz für einen zu wenig weitreichend überlegten Schnellschuss, deren Munition ihr Ziel nur verfehlen kann.
 
Der Artikel von Walter Titz suggeriert, dass in Graz seit 2003 kein preiswürdiges Gebäude errichtet wurde. Eine erste Fehlinterpretation (oder eine falsche Behauptung der Vertreter der ZV Steiermark auf der Pressekonferenz, zu der die Autorin dieser Zeilen nicht eingeladen war). Die steirische ZV selbst hat die „Auster“ für den Bauherrenpreis 2011 nominiert. Ein Preis wurde ihr nicht zuteil, wobei Juror Otto Kapfinger den Planern fasch&fuchs architekten großes Lob zollte, sie jedoch mit seiner Annahme tröstete (trösten wollte), dass dieser öffentliche Bau der Stadt Graz noch viele Preise erhalten werde. Die Frage, ob dies ein Argument sein kann, einen der Bauherrenpreise 2011 nicht der „Auster“ zu verleihen, könnte an anderer Stelle diskutiert werden. 2012 wurde das von einem privaten Investor errichtete Bürohaus „das bauwerk“ am Grazer Nikolaiplatz für den Bauherrenpreis nominiert. Ein weiteres Beispiel: das Besucherzentrum im Joanneumsviertel (Architekten Nieto&Sobejano mit eep architekten). 2012 eröffnet, stellt es auch nach internationalen Maßstäben ein gelungenes Beispiel neuer Architektur in Graz dar, das nicht übergangen werden kann. Auch wenn es weder von den Architekten noch vom Bauherren LIG für den Bauherrenpreis eingereicht wurde, wäre die diesjährige örtliche Jury gut beraten gewesen, es zu nennen, zumal es als einziges österreichisches Projekt (!) für den diesjährigen Mies van der Rohe Award for European Architecture nominiert wurde. Nichts Preiswürdiges in Graz?
 
Zweitens: wenn der Verlust an Baukultur öffentlich damit begründet wird, dass die gängige Baupraxis die Lust an Innovationen bremse (Martin Brischnik, ZV-Steiermark-Präsident), dann müsste dies genauer hinterfragt, beleuchtet und argumentiert werden. Viele Fragen stellen sich daraus: Stimmt das überhaupt? War die Baupraxis früher besser? Unterscheidet sich die Baupraxis hierorts wesentlich von der aktuellen Situation für das Bauen im anderen Österreich? Kommt das Land Steiermark, kommen öffentliche Auftragggeber ihrem Bekenntnis zur Ermöglichung von gebauter Qualität, von Baukultur, nicht ausreichend nach? Sind Wohnbauträger zu wenig unter Druck gesetzt, um architektonische Qualität/Baukultur, zu ermöglichen? Ist das Bewusstsein für Bauqualität und Baukultur unter Bauherren heute nicht stärker und breiter verankert als vor 15 Jahren? Könnte die konstatierte fehlende Innovationslust vielleicht auch daran liegen, dass sich eine neue Generation von Architekten hierorts in erster Linie als Dienstleister versteht? Daran, dass eine schlechte Auftragslage und daraus entstehende ökonomische Zwänge dazu verleiten, Kompromisse einzugehen, die jedem einzelnen neuen Bau und letzten Endes der hiesigen Baukultur nicht gut tun? Oder liegt es vielleicht sogar daran, dass der Aufbau und das verlangte Tempo des Studiums an der Technischen Universität aus Träumern und Visionären angepasste Pragmatiker werden lässt?

Fragen über Fragen, die (endlich) offen angesprochen werden müssten. Die diskutiert werden sollten, bevor eine Institution, die die Vereinigung der Architekten im Titel trägt, medial wirksame Schnellschüsse macht, die selbstbeschädigend wirken könnten. Diskutieren im richtigen Rahmen unter Einladung und Einbeziehung aller, in deren Verantwortung hierorts Baukultur entstehen soll.

Daher ist dieser Beitrag auch ein Aufruf an die ZV Steiermark als Institution: Führt doch einen regelmäßigen öffentlichen Debattierklub ein, versucht, eine konstruktive Streitkultur (die sich nicht wenige Architekten in Graz dringend wünschen) zu etablieren, offen für alle Interessierten (nicht nur für Mitglieder). Untersucht differenziert, ob überhaupt und wenn ja, warum es so schlecht steht um die Baukultur in der Steiermark. Ein solchermaßen sorgfältiger Befund wäre selbst Lesern und Leserinnen der kleinformatigen Kleinen Zeitung zumutbar, ohne dass als einfachste Schlussfolgerung wieder einmal die Architekten zu den „bösen Buben“ gemacht werden.

Ewald Walter

So weit so gut. Man kann natürlich nicht behaupten in Graz bzw. der Stmk. stünde nur "schlechte" Architektur. Das ist falsch und das auch vorne weg. Und sicher sind auch die bösen Journalisten und Investoren teils mit schuld an dieser fatalen Geschichte. Jedoch muss man einfach auch einsehen, dass in den anderen Bundesländer besser geplant, gedacht und auch gebaut wird. Die Steiermark ist im Ländervergleich einfach klares Schlusslicht. Das geht bei Studium der Einreichungen hervor oder man fährt einfach mal per Auto von Ost nach West? Und dann gibt es eben auch keinen Preis. So einfach ist das.
Auch die als "nominierungswürdig" genannten Projekte sind natürlich gute / wichtige Projekte der Stadt Graz, aber im Vergleich doch bitte keine Juwelen der Baukunst ? - Das muss man sich doch einfach eingestehen können? Ganz ohne beleidigt zu sein. Das Joanneumsprojekt mal ausgenommen.
Vielleicht liegt es ja nicht nur an den Bauherren / Investoren, sondern auch mitunter am Ego und Willen der Architektenschaft in Graz, weshalb ein Grossteil der wunderbar geplanten Projekte so herunter gekürzt / verstümmelt werden muss?
Gute Architektur ist ja nicht nur von den Kosten abhängig zu machen, sondern hat auch noch andere (intelligente) Qualitäten die über glänzend geknickte Alu-Copond Fassaden und witzige Vordächer hinausgehen. Und diese findet man dann überraschend auch fernab des steirischen Herbst.
E.W.

Mi. 09/10/2013 8:32 Permalink

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