07/03/2010
07/03/2010

Raimund Abraham, 1933-2010. Foto: Archiv Bernhard Hafner

TU-Fußballmannschaft mit Raimund Abraham (2. v. re) und Günther Domenig (hockend re). Foto: Archiv Bernhard Hafner

ORF Teletext, Pressemeldungen: "Der österreichisch-amerikanische Architekt Raimund Abraham ist bei einem Autounfall in Los Angeles ums Leben gekommen. Er fuhr angeblich auf der Autobahn gegen einen Bus. Der 1933 in Lienz geborene Abraham war vor allem durch das von ihm entworfene österreichische Kulturforum in New York bekannt geworden.
Aus Protest gegen die schwarz-blaue Regierung legte er 2000 seine österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Er galt als einer der Exponenten der Wiener Architektur-Avantgarde."

ORF Teletext, Reaktion: "Das österreichische Kulturforum in New York hat sich 'tief betroffen' über den Tod Abrahams gezeigt. Mit dem 'großartigen Entwurf' für das Gebäude des Kulturforums in New York habe Abraham nicht nur die New Yorker Skyline mitgestaltet sondern auch die Art, wie sich Österreich als Nation österreichischer Kreativität verstehe.
'Raimund Abraham war ein Mann von Klarheit. Diese Qualität betraf nicht nur sein architektonisches Werk, sondern auch sein öffentliches Wirken', so Kulturministerin Schmied. Dietmar Steiner, Direktor des Architektur-Zentrums Wien, sagte, er werde die Botschaft von Raimund Abraham niemals vergessen."

ORF O1: "Seit dem Seagram Building (von Mies van der Rohe, Anm. d. Autors) sei in New York kein vergleichbares Bauwerk entstanden. Im Gebäude des Kulturforums wechselten stets die Ausblicke, es habe die Intimität eines Hauses. Abraham hebe kein Interesse an Hi-Tech gehabt, sein Ziel sei Komplexität durch Einfachheit."

Vor solchen Nachrufen kann man sich wohl nicht retten. Ich rufe Eilfried Huth an, einen Studienkollegen Abrahams an der TH Graz; wir vereinbaren ein Gespräch am Sonntag, 11:00 Uhr.
Sonntagmorgen: Rückruf Huth, der mich auf den Bericht über Abraham im ORF aufmerksam macht, danach das Gespräch mit Huth.

Eilfried Huth: Für mich ist die Resonanz auf Abrahams Tod doch überraschend. Auslöser ist wohl der Wettbewerbserfolg für das Österreichische Kulturinstitut in New York und dessen Realisierung (jetzt das österreichische Kulturforum in New York): Mit einem solchen Erfolg wird man selbst zum Werbeträger. Es ist eine Art Marterl mit hoher, architektonischer Qualität. Wie alles von Abraham ist es zugleich plakativ, wie beispielsweise das Gebäude der IBA, Berlin 1980-85, mit seinen überdimensionierten, tragenden Verstrebungen, durch die das Gebäude auffallend gemacht wird. Das Gestische ist bei Abraham immer präsent. [Hafner: siehe die Dachkonstruktion seines Hauses in Mexiko, die man für eine Spielfeldüberdachung halten könnte.] Abraham ist einerseits eine schillernde Figur, der ein Stellenwert nicht abzusprechen ist. Er nährt aber auch das positiv Populistische für die Elite, wie es in Wien Schauspielern zuteil wird. Zugleich hatte er nichts Verbindliches, eher eine widerspenstige Art.
Zur Zeit unseres Studiums, als alle perspektivisch gezeichnet haben, zeichnete er axonometrisch, und zwar nicht freihändig, sondern mit Lineal. Nach seinem Vortrag an der UdK in Berlin war er unwirsch, wenn ihn Studenten mit unterschiedlichen Ansichten konfrontierten.

Bernhard Hafner: In Graz hielt Abraham einen von Studierenden gut besuchten Vortrag im Grazer Kongress mit Josef Krainer und Günther Domenig am Podium der Diskussion, bei dem es seitens der Studenten viel Ablehnung gab. Ich erinnere mich, dass mir das zu weit ging. Ich hob hervor, dass Abraham, im Gegensatz zu Domenig, konsequent einen einmal begonnenen Weg ging und seine Arbeit dadurch auch - von seiner Wiener Zeit abgesehen - unverwechselbar unopportunistisch ist. In der Anwesenheit des Landeshauptmanns, der sich damals sehr für Architektur einsetze - eine Ausnahme in der politischen Tradition des Landes -, durfte nicht der Eindruck der Feindseligkeit und Zerstrittenheit unter Architekten im Raum stehen bleiben. Abraham war eher gelangweilt als unwirsch.

Eilfried Huth: Als ich studierte, gab es zwei Lager. Das eine bestand aus Kriegsheimkehrern, die möglichst schnell fertig sein wollten, ohne besondere Ansprüche an die Architektur zu stellen. Die anderen waren die jungen mit Abraham, Florian Gartler (Friedrich St. Florian), Günther Domenig, Hermann Pichler, Eugen Gross und andere. Ihre Ansprüche waren anders. Wie wir alle, suchte er nicht den Weg des geringsten Widerstands. Abraham und Domenig waren einander nicht unähnlich, auch in ihrer Heimatverbundenheit. Domenig hatte mehr Humor, Abraham Ehrgeiz und erhob den Anspruch auf Ausschließlichkeit.
Entscheidend für ihn war auch der Einfluss von Walter Pichler in Wien. Abraham und Gartler hatten in Wien ein Büro eröffnet und versuchten Fuß zu fassen. Abraham kam in den Dunstkreis von Pichler, wie Hollein auch. Er entwarf mit Walter Pichler ein Haus in Oggau, im Burgenland und auch eines für ihn. Ich meine, er geriet in der ganzen Art seiner Grafik und auch in der Thematik in Abhängigkeit von Pichler. Die Gedanken von Pichler und Hollein tauchen denn auch bei ihm auf.
Die Wege von Abraham und Gartler trennten sich. Beide gingen in die USA, Abraham an die Cooper Union, Gartler nach Boston. Um 1980 war er in Berlin, wo er einen Wettbewerb bei der IBA gewann. Ich traf ihn immer wieder in der Paris Bar beim Essen in der Kant Straße, in der ich wohnte und deren einer der Eigentümer der Wiener Michael Würthl war - Teil der Hawelka Clique, die von Wien nach Berlin gewechselt hatte, - und in der auch Ossi Wiener, Markus Lüpertz, Udo Lindenberg u.a. verkehrten. Abraham war immer schon auf Show bedacht. So sehe ich auch die Rückgabe der österreichischen Staatsbürgerschaft 2000 aus Protest gegen die schwarz-blaue Regierung; zuletzt soll er sie wieder zurückhaben wollen, ein Ansuchen, das das Innenministerium nicht weiter behandelt haben soll.
In Graz hat er in der Josef Huber Gasse ein Wohnhaus, in Wien eine Siedlung, in Oberwart ein Haus für einen befreundeten Photographen, in Lienz eine kleine Zweigstelle der Hypo Tirol gebaut. Das Bauwerk, mit dem er den Durchbruch schaffte, war für das österreichische Kulturinstitut in New York. Kenneth Frampton soll ihn beim Wettbewerb durchgesetzt haben.

Bernhard Hafner: So war das nicht. Ich war im Preisgericht. Frampton und Richard Meier waren an den übrigen etwa 220 Projekten nicht sonderlich interessiert. Meier erhielt während der Jury einen Anruf und verließ die Jury kurz. Abrahams Projekt war nie im Gespräch als nicht zur Preisgruppe gehörend. Frampton sprach sich für das Projekt aus und es gab kaum Widerstand, auch von mir nicht, obwohl ich das Projekt als „Star Wars“ bezeichnete. Auch Axel Corti, der mich konsultierte, stimmte dafür. Aufgrund vor allem Meiers Widerstand blieben die Projekte mit Medienfassaden, die in die Endrunde gekommen waren auf der Strecke. Bei der Projektvorstellung durch Dr. Heinz Fischer benannte dieser den Architekten als Abrams.
Raimund Abraham erhielt sein Diplom an der TH Graz, als ich maturierte. Und er oder Florian Gartler war es, der mir im Frühjahr 1958 bei einer Berufsberatung durch die Architekturfakultät begegnete. Es war unsere Vorgängergeneration und wir sollten schon bald ganz andere Wege gehen, weg von der gestischen Ästhetik der Wiener um Pichler, Hollein und Arnulf Rainer, die wir nur so en passant wahrnahmen. Abraham hat nach der Wiener Zeit seinen Weg gefunden. Die Cooper Union war der ideale Platz für ihn. John Hejduk, ein begnadeter Zeichner, war Mitglied der New York Five und hat Abraham wohl auch beeinflusst. Aber was soll ein Architekt, der keine Aufträge hat, machen als zeichnen, noch dazu an einer Design Schule? Abraham benützte das und blieb sich damit treu. Und das geht auch auf seine Ausbildung an der TH Graz zurück, in der er und wir damals ideale Voraussetzungen der Selbstfindung hatten. Wenn dies jemandem als Studierenden nicht gelingt, dann gelingt es ihm auch danach nicht mehr. Ihm bleibt nur die Architektenexistenz, die in der Gestik des „heiteren Beruferatens“ ausgedrückt wird: Eine Hand mit Bleistift, die andere zum Blättern in der Architekturzeitschrift, damit die eine wisse, was sie zu zeichnen habe. Da war Abraham schon von anderer Qualität: Auf Eigenständigkeit bedacht, begabt, ein Architekt, der sich der Architektur eher mit der Emotion als mit dem Geist näherte, konsequent, unabhängig seine Chancen suchend und nutzend. Wenn seine Arbeit ab und zu modisch erscheint, so ist sie die Eigenmarke des Raimund Abraham, nicht eine geliehene.

Fare well, Raimund !

Nachtrag. Auch dies bringt uns Raimund Abraham nahe. Er war keiner der Star Architekten des Typs Foster, deren Wirkungsstätte eine internationale Bühne ist, auf der sie, den eigenen Jet pilotierend, agieren. Nicht Menge, Masse und Auftragsvolumen ist es, sondern das Wenige, auch Kleine, das sich bietet, gut zu machen.

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