03/08/2014

Der Artikel von Lorenz Potocnik ist am 26.04.2014 in den Oberösterreichischen Nachrichten erschienen.

Potocnik: Unter der Prämisse der Offenheit seien neue Formen des Architektur-wettbewerbs zu testen.

03/08/2014

Wettbewerbsausstellung _ eine für unzählige andere

©: Bernhard Bachmann

Architekturwettbewerbe haben in Europa eine jahrhundertealte Tradition. So wurde etwa im Jahre 1518 ein solcher für den Bau der Florentiner Nationalkirche in Rom durchgeführt. Typisch für die italienische Renaissance wurden Probleme grundsätzlich und systematisch durchdacht. Das entsprach auch der bürgerlich-demokratischen Verfassung und Innovationsfreude der damaligen Städte.

Bis heute stellt der offene Wettbewerb das einzige etablierte und nachvollziehbare Verfahren dar, bei dem allein die architektonische Qualität eines konkreten Projekts im Vordergrund der Vergabeentscheidung steht. Nun herrscht darüber aber keine Einigkeit. Die öffentliche Hand als Auftraggeber – eigentlich laut Bundesvergabegesetz zum offenen Wettbewerb verpflichtet – versucht immer mehr und immer wieder, diesen zu umgehen. Bei nicht offenen Verfahren werden nicht die Leistung, sondern im Vorfeld die Bürogröße oder schon durchgeführte Projekte für eine Teilnahme herangezogen.

Beides dient der Absicherung und vermeintlichen Ersparnis von Arbeit und Kosten, dient aber weder der Qualitätssicherung noch dem Architektenstand. Ganz im Gegenteil. "Minderheitenprogramm" nennt Architekt Heinz Plöderl als Vorsitzender des Wettbewerbsausschusses der Kammer der ArchitektInnen und Ingenieure die nicht offenen Verfahren. "Anstatt die Architekturproduktion der öffentlichen Hand als Instrument der Innovation, der neuen Ideen und der Förderung der jungen Generation zu etablieren, dienen nicht offene Verfahren der systematischen Ausgrenzung der großen Mehrheit an Architekturbüros."

Zu wenige offen
Die wenigen zur Zeit wirklich offen ausgeschriebenen Wettbewerbe werden folglich regelrecht gestürmt. 50, 70, zum Teil mehr als 100 Teilnehmer messen sich mit ihren Projekten. Das ist mitunter zu viel für eine seriöse Beurteilung, sicher aber auch eine Verschwendung von Ressourcen von Seiten der Architekten. Ein Wiedererlangen einer vernünftigen und offenen Wettbewerbskultur würde diesen Umstand beseitigen.

Mär vom teuren Wettbewerb
Architekt Walter Chramosta hat die Vorleistung der Planer im Zuge aller in Österreich 2005 durchgeführten Wettbewerbe und EU-weiten Verhandlungsverfahren moderat auf 73,6 Millionen Euro geschätzt. Dabei kosten die Wettbewerbe im Schnitt nur ein Prozent der Baukosten (Architektenkammer Berlin). Das ist ein sehr gutes Investment angesichts der Erkenntnisgewinne über die Vielfalt der Vorschläge.
Eine weitere Studie bescheinigt ein mögliches Einsparpotenzial durch ein solches Verfahren bei den Bauvolumina (und folglich den Baukosten) zwischen vier Prozent und acht Prozent (AK Baden-Würtenberg). Eine andere Studie der Diözese Rottenburg-Stuttgart stellte fest, das der umbaute Raum bei Gewinnerentwürfen um zehn Prozent geringer war als das Mittel aller Wettbewerbsarbeiten. Die von Gewinnern realisierten Arbeiten waren um zehn Prozent günstiger als die Schätzungen. Der Verfahrensaufwand verhielt sich zur Baukosteneinsparung im Verhältnis eins zu sieben.

Argumente für den offenen Wettbewerb
Der offene und anonyme Wettbewerb ist nach wie vor die transparenteste, standardisierteste und damit auch demokratischste Vergabepraxis, die in der Regel zum besten Ergebnis führt (auch weil eine frühe Reflexion und Präzisierung der Aufgabenstellung erfolgt).
Jede Gesellschaft muss die ihrer Gegenwart entsprechende Ausdrucksform finden. Das ist mit dem Wettbewerbsprinzip am besten erreichbar. Nur im offenen Wettbewerb haben auch kleine und junge Büros die Möglichkeit, sich zu artikulieren und zu entwickeln. Im Sinne der Nachhaltigkeit stellt sich die Frage, wer denn in Zukunft unsere Städte bauen soll, wenn es kein Bekenntnis zur jüngeren Generation gibt?
Wettbewerbe sind per se dazu da, überraschende Lösungen hervorzubringen. Überraschende Lösungen sind gleichzusetzen mit Innovation. Friedrich von Hayek nennt (im wirtschaftlichen Zusammenhang) den Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren. Das liegt daran, dass im Wettbewerb sowohl das institutionelle als auch das Wissen, das nur Individuen zur Verfügung haben, systematisch abgerufen werden kann.

Wettbewerbs- und Baukultur
Je nach Aufgabe sollte das angemessene Verfahren gewählt werden. Offene Wettbewerbe sind bei jedem Vergabeverfahren aber vorzuziehen. Scheinbare Mehrkosten eines Wettbewerbs sind zu einem großen Teil "Sowiesokosten". Eine Herausforderung für die Zukunft besteht darin, unter der Prämisse der Offenheit neue Formen des Wettbewerbs zu testen. Eine Möglichkeit wäre, Wettbewerbe öffentlicher (mit Beteiligung der Bevölkerung), kommunikativer (zwischen den Teilnehmern und den Auslobern) und insgesamt kooperativer zu machen.

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