14/05/2019

Wolkenschaufler_22

Wenzel Mraček zum Kunstprojekt Privater EU-Grenzzaun von Catrin Bolt.

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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14/05/2019

Privater EU-Grenzzaun

©: Catrin Bolt
©: Catrin Bolt
©: Catrin Bolt

Schotten dicht! Die Kunst, sich abzugrenzen

Am 3. Dezember 2018 erschien auf Spiegel Online ein Bericht zur österreichischen „Sperranlage an der Grenze zu Slowenien“. Nachdem im Oktober 2015 Tausende Migranten in Spielfeld die Grenze zu Österreich überquerten, habe die damalige Innenministerin gefordert, man müsse nun „so rasch wie möglich an einer Festung Europa bauen“, heißt es in diesem Artikel.
„Wir zäunen Österreich nicht ein“, versuchte der damalige Bundeskanzler zu kalmieren. Ein „Türl mit Seitenteilen“ sollte es vielleicht werden, „eine technische Sicherheitsmaßnahme“ eben. Aus dem „Türl mit Seitenteilen“ wurde am Grenzübergang in Spielfeld das sogenannte „Grenzmanagementsystem“ mit Gittern, Zelten, Containern und Scannern. Die „Seitenteile“ weiteten sich zu einem über die Hügel verlaufenden, fünf Kilometer langen Maschendrahtzaun aus. Der immerhin ist im Bereich von Grundeigentümern unterbrochen, die sich weigerten, hinter einem Zaun zu Slowenien leben zu wollen. Am 26. Juni 2018 wurde sicherheitshalber in der Aktion Pro Borders geübt. 200 Polizeischüler stellten in dieser Performance Flüchtlinge dar, denen 300 Exekutivbeamte und 220 Beamte des Bundesheeres gegenüber standen. Scheinbar gedroht wurde mit einem Radpanzer, einem Wasserwerfer und vier Hubschraubern, die das Heranbringen weiterer Einsatzkräfte simulierten. Damals schon und seither mangelt (!) es allerdings an Flüchtlingen, durch die das in vielfacher Hinsicht unwürdige Brimborium auch nur in irgendeiner Weise gerechtfertigt werden könnte.

Eine jedenfalls kostengünstigere Lösung, sich in Eigeninitiative abzugrenzen beziehungsweise – je nach Standort – sich ein- oder auszugrenzen, bietet nun die in Wien lebende Künstlerin Catrin Bolt. Mit ihrem Kunstwerk Privater EU-Grenzzaun übernimmt sie formale wie funktionale Qualitäten jener technischen Sicherheitseinrichtungen und mischt sich – wie über die Bande gespielt – in den Diskurs um solche Türen mit Seitenteilen ein. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark bietet Bolt auf etlichen Online-Plattformen ihren „Gratis-Zaun um privaten Grund“ mittels Entwurfzeichnungen an. Und immer wieder wurden diese Online-Inserate inzwischen – ohne Begründung – gesperrt. Dass hier versucht wird, ein Kunstwerk zu lancieren, es also der Wahrnehmung einer Öffentlichkeit zuzutragen, scheint an Meinungen und gesellschaftlichen Haltungen zu scheitern. Wer will den Zaun zur slowenischen Grenze und weshalb (?), könnte man nun fragen, während Catrin Bolts Zaun – bisher immerhin– niemand will.
Sollte sich jemand finden, der den Privaten EU-Grenzzaun besitzen möchte, hätte dieser Entschluss wohl zur Folge, dass man sich den ambivalenten Haltungen gegenüber der Sicherung vor Eindringlingen und dem allgemeinen Prinzip der Abschottung ausgesetzt sehen müsste. Catrin Bolt schreibt in einer Erläuterung ihres Projekts, es gebe „keine eindeutige Lesart vor, es steht nicht deklariert gegen den Grenzzaun, sondern gibt ein Phänomen wieder und stellt es zur Diskussion“. Allemal wäre der Zaun ein anschauliches Modell der schon ventilierten Idee, Zäune solcher Art an den Grenzen der EU zu errichten. Ein neuer Limes oder ein Hadrianswall (letzterer für die Briten)?

Verständnis findet Catrin Bolt für ihr im derzeitigen Stand als Konzeptkunstwerk zu bezeichnendes Projekt dennoch: Am 10. Mai wurde ihr für Privater EU-Grenzzaun der Theodor Körner Förderpreis für Wissenschaft und Kunst verliehen.

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