09/04/2019

Kolumne
Wolkenschaufler_21

Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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09/04/2019

Es gilt, in den roten Bereich zu gelangen. Visualisierung der ausgewerteten Kunstmarktdaten nach der Studie von Barabási, Fraiberger et al. (Screenshot Mraček siehe Link 'Visualisierung')

Big Data macht die Kunst

Der Berliner Betriebswirtschafter und Startup-Unternehmer Magnus Resch lehrt inzwischen an der Columbia University, NYC. Im Alter von 20 Jahren gründete er eine Kunstgalerie, mit 26 promovierte er. Als Buch erschien seine Doktorarbeit 2014 unter dem Titel Management von Kunstgalerien. Einleitend stellt Resch fest: „Kunst ist sexy, Kunst ist cool, Kunst bedeutet Geld!“ Fernab jeglicher Inhalte von Kunst, geht es um die wirtschaftliche Optimierung von Galerien als Geschäftsmodell: „Galerien, die in Zukunft Geld verdienen wollen, müssen ihre Geschäftslogik hinterfragen. ‘Was wollen meine Kunden wirklich?’ und ‘Wie kann ich damit Geld verdienen? ’“
Ein nächster Schritt war die Entwicklung einer App, die den Kunstmarkt transparenter machen soll. Installiert man Magnus auf sein Smartphone und fotografiert ein Kunstwerk in einer Ausstellung, wirft die App Hintergrundinformationen zum Werk der Künstlerin, des Künstlers und bisherige Verkaufspreise aus. Die zugrunde liegende Datenbank entsteht aus Crowdsourcing, alle Fotos der Nutzer werden als neue Daten mit bisherigen vernetzt.
Ging es zunächst um jenen von Galerien, konzentrierte sich Magnus Resch nun auf den wirtschaftlichen Erfolg von Künstlerinnen und Künstlern und er wendete sich an die Netzwerk-Theoretiker Albert-László Barabási und Samuel Fraiberger von der Northeastern University in Boston. In Verwendung der Magnus-App, und der Mitarbeit der Komplexitätsforscherin Roberta Sinatra vom Complexity Science Hub Vienna, erschien nun nach dreijähriger Arbeit eine Studie im Fachblatt Science.
In der Kunst, sagt Magnus Resch, sei es anders als im Sport, wo Qualität messbar ist. In der Kunst „übernimmt das Netzwerk. Ein paar Kuratoren, Galeristen, Museumsdirektoren und reiche Sammler bestimmen, was gute Kunst ist“. Über den Zeitraum von 1980 bis 2016 wurde der Werdegang einer halben Million KünstlerInnen für die Studie rekonstruiert. Daten aus 143 Ländern, von 16.000 Galerien, 7500 Museen und 127.000 Auktionsverkäufen flossen ein. Im Ranking der weltweit maßgeblichen Institutionen führen die USA mit MOMA, Guggenheim-Museum und Gagosian Gallery. Österreich ist mit der Galerie Thaddaeus Ropac (an 16. Stelle), dem Museum der Moderne Salzburg (31), der Albertina (64) und dem Linzer Lentos (82) vertreten. Die Lebensläufe der Künstler, geht aus der Studie hervor, bestimmen nicht in erster Linie Talent oder Kreativität, vielmehr sei entscheidend, ob es ein Künstler in den ersten zehn Jahren öffentlichen Auftretens in eine der Hochprestige-Institutionen schafft, um langfristig überregionale Karriere zu machen. Die angelegte Statistik besagt, dass Kunst in der Folge in einem engeren Kreis der Institutionen kursiert – das Netzwerk übernimmt quasi die Bewertung. „Erfolgreiche Künstler“, versichert Magnus Resch, „sind schlichtweg im richtigen Netzwerk“.
Wie erwähnt, ist von Inhalten der Kunst nirgendwo die Rede. Sowohl die Autoren der Studie wie auch Markus Resch empfehlen „Blind Auditions“, nach denen öffentliche Museen und Ausstellungshäuser Präsentationsmöglichkeiten verlosen, um damit Künstlerinnen und Künstlern das Tür’l in die Weiten des internationalen Kunstnetzes zu öffnen.

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