21/06/2017

Dossier
Wettbewerbe & Vergabe
Am 21. Juni 2017 startete GAT eine jeweils mittwochs erscheinende Artikelserie zum Thema Wettbewerbs- und Vergabewesen in der Architektur.

Wir laden alle Architekturschaffenden und am Bauen Interessierten ein, sich am Kommentieren rund um diese Thematik zu beteiligen.

Der Artikel Wettbewerbe statt Verhandlungsverfahren von Sandro Huber ist erstmals in derPlan 39, der Zeitschrift der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, auf Seite 20 im Oktober 2016 erschienen.

21/06/2017
©: Redaktion GAT GrazArchitekturTäglich

Der Wettbewerb ist das zentrale Beschaffungselement für (General-)Planungsleistungen.

Eine Abkehr von (Architektur-)Wettbewerben bei der Vergabe von Generalplanungsleistungen hin zu Verhandlungsverfahren ist für einen qualitätsbewussten Auftraggeber von Nachteil.
Der Wettbewerb bietet für geistig-schöpferische Dienstleistungen gegenüber klassischen Vergabeverfahren eine Vielzahl von Vorteilen. Dies ist auf die Eigenart eines Wettbewerbs zurückzuführen und kann mit anderen Vergabeverfahren nicht verwirklicht werden. Mit dem Wettbewerb können durch bewusst gewählte Unschärfen in der Aufgabenstellung neue, noch nicht bedachte Lösungswege von den Teilnehmern aufgezeigt werden. Anders als in anderen Vergabeverfahren muss die gewünschte Leistung nicht akribisch in einem auszupreisenden Leistungsverzeichnis abgebildet werden.
Im Wettbewerb kann sich eine geeignete Fachjury auf die Lösungen der Aufgabenstellung konzentrieren. Daher werden die Wettbewerbsarbeiten anonym und ohne Angebotspreis zur Beurteilung übergeben. Dieses Vorgehen ist für den Wettbewerb zwingend erforderlich und stellt eine Besonderheit gegenüber anderen Vergabeverfahren dar.
Beim Wettbewerb stehen – im Gegensatz zu einem klassischen Vergabeverfahren – nicht die Teilnehmer und ihre historischen Qualifikationen (Referenzen) auf dem Prüfstand; es steht ausschließlich die Lösung der Aufgabenstellung im Vordergrund. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass der Wettbewerb eine bloße Vorstufe zur Beauftragung darstellt. Eine Zuschlagserteilung erfolgt nicht mit der Ermittlung des Gewinners. Dies aus gutem Grund: Üblicherweise bietet auch die „beste“ Lösung der Aufgabenstellung noch Raum für Anpassungen. Im Zuge der Beurteilung der Wettbewerbsarbeiten werden Juryempfehlungen ausgesprochen, die von den Wünschen des Auftraggebers getragen sind. Der Gewinner wird damit angehalten, sein Projekt entsprechend den Juryempfehlungen anzupassen. Erst dann steht das zu beauftragende Leistungsbild in aller Detailliertheit tatsächlich fest und der Auftraggeber kann mit dem Gewinner in die entscheidende (exklusive) Preisverhandlung treten.
Kritische Stimmen, die meinen, dass der Gewinner lediglich anhand der dargestellten Architektur ausgewählt und sodann mit Generalplanungs- leistungen beauftragt wird, sind nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung der Wettbewerbsarbeit muss jeder Teilnehmer seine Fähigkeiten als Generalplaner unter Beweis stellen und die fachplanerischen Überlegungen (z. B. Statik, Haustechnik, Bauphysik) berücksichtigen. Bloß „hübsche“ Plandarstellungen und Renderings werden von der Fachjury rasch entlarvt und sind nicht erfolgversprechend.

Nachteile des Verhandlungsverfahrens: Zeit und Kosten
Im Verhandlungsverfahren muss mit jedem Bieter zumindest eine Verhandlung geführt werden. Vielfach wird auch die Präsentation des Bieters in der Verhandlung bewertet. Mit einer derartigen Vorgehensweise wird der beste „Verkäufer“ bewertet.
Die Verhandlungen mit den Bietern stellen auch einen beachtlichen Kostenfaktor dar. In der Praxis zeigt sich, dass der offene Wettbewerb eine Jurysitzung für die Ermittlung des Gewinners und eine Exklusivverhandlung mit dem Gewinner benötigt. Aufwendige Eignungsprüfungsverfahren sind im Wettbewerb entbehrlich und beschränken sich auf den einen Gewinner. Im Gegensatz dazu gestaltet sich das Verhandlungsverfahren durch folgende Verfahrensschritte zeitlich aufwendiger:
• Eignungs- und Auswahlprüfung aller interessierten Teilnehmer
• Prüfung der Erstangebote der ausgewählten Bieter
• Verhandlungen mit allen ausgewählten Bietern
• Prüfung der Zweitangebote
• (allenfalls) Exklusivverhandlung mit dem präsumtiven Zuschlagsempfänger

Im Ergebnis verursacht die Wahl eines Verhandlungsverfahrens gegenüber einem Wettbewerb unnötige Mehraufwendungen. Abgesehen davon sind im Verhandlungsverfahren eine Vielzahl gesondert anfechtbarer Entscheidungen gemäß BVergG zu treffen. Damit wächst die Gefahr einer zeit- und kostenintensiven vergaberechtlichen Nachprüfung.

Ein weiterer Nachteil: Das „beste“ Angebot siegt
Der Wunsch nach einer optimalen Lösung der Aufgabenstellung gerät beim Verhandlungsverfahren im Gegensatz zum Wettbewerb ins Hintertreffen. Im Verhandlungsverfahren müssen Zuschlagskriterien geschaffen werden, die zwingend auch die Bewertung des Angebotspreises beinhalten. Bieter, die wenige Qualitätspunkte erzielen können, werden ihren Angebotspreis optimieren, um eine reelle Chance auf den Auftrag zu haben. Damit kann ein qualitativ nicht optimales Angebot tatsächlich das – an den Zuschlagskriterien gemessen – „beste“ Angebot darstellen. Diesem „besten“ Angebot ist der Auftrag zu erteilen, getreu dem Motto: „(Eben nur) gut und (dafür) günstig“.

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