05/10/2022

Kommentar – (Noch nicht ganz) Vergebene Chance für die Neugestaltung Sigmundstadl 

Der Kreuzungsbereich des Sigmundstadls mit der Keplerstraße hat großes Potenzial für einen öffentlichen Raum mit Aufenthaltsqualität. Die vorliegende Planung sieht das nicht vor. Noch gibt es keinen Umsetzungsbeschluss und so besteht die Hoffnung, dass doch noch ein Umdenken stattfindet.

05/10/2022

Streetview mit autofreier Zone vor Kindergarten im Herbst 2020

Ausführungsplan neue Platzgestaltung

neue Starßenausfahrt direkt vor Kindergartenzugang

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

abgesperrte frühere Zufahrt

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

neue Kreuzungssituation Sigmundstadl / Keplerstraße

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Ausfahrtssituation Oktober 2020 mit Baum und Vorstadthaus

der Neubau, der diese aufwendige Umplanung durch seine Auskragung verursacht

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Der Kreuzungsbereich Sigmundstadl / Keplerstraße samt Grünfläche wird neu gestaltet. Die vorliegende Planung vom Verkehrsplanungsbüro Fruhmann ist das Ergebnis eines seit 2015 laufenden Planungsprozesses, den die Stadtbaudirektion federführend koordinierte. Stadtplanungsamt und die Abteilungen für Verkehrsplanung und Grünraum waren involviert. 

Auslöser für die Platzgestaltung war laut Stadtbaudirektion „der Abbruch und die Neuerrichtung des nordwestlichen Gebäudekomplexes Sigmundstadl / Keplerstraße durch die Eigentümerfamilie Weitzer (Weitzer-Parkett)“. Für die Grundstücke des Investors bestand Bebauungsplanpflicht. Das Stadtplanungsamt verzichtete darauf und schwächte damit den Einflussbereich der Stadt auf eine sinnvolle Gestaltung dieses städtebaulich nicht unwichtigen Bereichs. Die Stadt bevorzugte einen Wettbewerb nach Grazer Modell, aus diesem Modell ist die Stadt letztlich aber abgesprungen, da der Investor ganz allein entscheiden wollte!! Aus dem nun privat abgewickelten Architekturwettbewerb ging das Büro Nussmüller als Sieger hervor. 

Die Architekten schöpften bereits im Wettbewerb die Möglichkeiten des Baugesetzes investorenfreundlich aus und stellten das Gebäude im Westen direkt an die öffentliche Verkehrsfläche, ein schmaler hoher Gebäudeteil ragte sogar in den öffentlichen Raum hinein.



Die Stadt ließ das An- und Überbauen zu, mit der fatalen Konsequenz, dass nun das Einbiegen vom Sigmundstadl in die Keplerstraße in der bisherigen, bewährten Form nicht mehr möglich war. Denn die Durchfahrtshöhe für LKWs und der erforderliche Sichtbereich waren durch das Neubauprojekt nicht mehr gegeben. 

Die Stadt hat nun die Folgekosten dieser fragwürdigen Zugeständnisse an den Investor zu tragen. Der gesamte Bereich muss neu geplant und gestaltet werden. Anstatt allgemeine Interessen in den Fokus der Planung zu stellen und diese mithilfe eines Bebauungsplanungs auch abzusichern, stand der verkehrsberuhigte Schanigarten eines Privatinvestors im Fokus! Die Stadt konnte sich zwar eine 200 m2 Grundfläche für die schon lange geplante Verbreiterung des Sigmundstadls herausverhandeln. Der Investor bekam diese jedoch mit einer Dichteerhöhung von 2,5 auf 3,6 ausgeglichen! 

Bis zum Baubeginn des Investorenprojekts war die Verkehrslösung von Aspekten der Verkehrssicherheit geprägt. Es gab eine autofreie Zone vor dem Kindergarten am Sigmundstadl. Kindergartenkinder und deren Eltern/Begleitpersonen konnten gefahrlos den Kindergarten betreten und verlassen, es gab Abstellflächen für Fahrräder aller Art und es gab Raum für informelle Begegnungen. (auf Google Streetview noch sichtbar)
Die Absperrung dieser zweiten Ein-und Ausfahrtsmöglichkeit wurde aus Gründen der Verkehrssicherheit für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen gemacht. Das Ein-und Ausbiegen im spitzen Winkel war zu gefährlich. Aufbauend auf dieser verkehrssicheren Lösung hätte eine Platzneugestaltung erfolgen müssen. Eine Kombination aus dem verkehrsfreien Vorbereich des Kindergartens mit der vorhandenen Grünfläche hätte einen kleinen Park mit Aufenthaltsqualität entstehen lassen können. Dieses Potenzial wurde von der Stadt leider nicht erkannt.  

Dieser feine, autofreie Bereich ist seit Baubeginn des Weitzer-Projekts bereits Geschichte. Der Sigmundstadl mündet nun wieder im gefährlich spitzen Winkel in die Keplerstraße ein. PKWs und LKWS stehen direkt vor dem Kindergarteneingang im Stau. Die Verkehrssicherheit hat sich für alle Teilnehmer*innen damit grob verschlechtert, besonders gefährdet sind Kinder, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. 

Spricht man Frau DI Mahr, die das Projekt für das Stadtplanungsamt betreute, auf diese Problematik an, hat sie wenig Verständnis. „Meine Prioritäten waren Entsiegelung und mehr Grün“. DI Kostka von der Verkehrsplanung ist mit der neuen Verkehrslösung nicht glücklich, weil damit die Verkehrssicherheit verschlechtert wurde. Er habe eine andere Lösung vorgeschlagen, diese wurde aber nicht gewollt. Nicht die Verkehrsplanung sondern die Stadtbaudirektion und das Stadtplanungsamt hätten diese Entscheidung zu verantworten. Auch der Projektkoordinator aus der Stadtbaudirektion äußert gewisse Unzufriedenheit mit dem jetzigen Ergebnis.

Der Plan, den Sigmundstadl auch im oberen Bereich als Einbahn zu führen, musste kürzlich bereits verworfen werden, da ÖVP-Bezirksvorsteherstellvertreter Krainer sich im Interesse von Tiefgaragennutzer*innen vehement dagegen ausgesprochen hat. So bleibt der westliche Teil des Sigmundstadls in beide Richtungen befahrbar und der geplante Radweg ist auch Geschichte.  

Das Umbauprojekt Sigmundstadl ist das Ergebnis eines Planungsprozesses, der Investoreninteressen und Interessen von Autofahrer*innen vor öffentliche Interessen und Anliegen der Bürger*innen stellte. Die Begründung von DI Mahr, man habe mehr Entsiegelung und mehr Bäume gewollt, ist fadenscheinig, denn diese Entsiegelung hätte man anders auch erreichen können. Mehr Aufschluss gibt da schon die Info aus der Stadtbaudirektion, alle Beteiligten wären für einen Schanigarten des Investors mit Grünanschluss gewesen! 

Verantwortungsvolle Stadtplanung sieht anders aus.

Noch ist der Sigmundstadl nicht verloren. Es gibt bisher keinen Umsetzungsbeschluss und die Bagger sind noch nicht aufgefahren. Das bedeutet: Es besteht noch immer die Chance auf die Gestaltung eines qualitätsvollen öffentlichen Raums, der die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die unglückliche und gefährliche Änderung der Kreuzungslösung könnte im Rahmen einer „Umplanung der Neuplanung“ rückgängig gemacht und so auch eine qualitative Verbesserung des Grünbereichs erzielt werden. Vielleicht werden dann auch die betroffenen Bürger*innen mit einbezogen.

Die Stadt Graz muss das nur wollen und ermöglichen. Das wäre echter Paradigmenwechsel.

Markus Rumpold

Sehr geehrte Damen & Herren,
ich wohne in Sigmundstadl 47, also im Gebäude wo der Kindergarten untergebracht ist. So wie es aussieht ist der Zug abgefahren für eine Änderung des Straßenverlaufes aufgrund des überhängendes Gebäudes. Mir persönlich ist die Straßenführung so wie sie jetzt ist auch recht und denke man sollte das Beste daraus machen. Die Aussage "der Sigmundstadl mündet nun wieder im gefährlich spitzen Winkel in die Keplerstraße" wie es im Artikel beschrieben ist stimmt nicht. Nach der Kurve mündet die Straße spitz zum Radweg am Ende jedoch im rechten Winkel zur Keplerstraße. Die jetzt abgesperrte Straße mündet im spitzen Winkel zum Radweg sowie zur Keplerstraße und ist somit gefährlicher. Dass sich die Straße für die Kindergartenkinder etwas verschlechtert hat stimmt. Man muss jedoch dazu sagen, dass hier früher im abgesperrten Bereich Kindergartenkinder nie gespielt haben. Zu den LKWs: diese verirren sich zum Glück ganz selten in unsere Gasse und sind somit sekundär zu betrachten. Die Lösung die Straße in der Einbahnrichtung umzudrehen und durchgehend zu machen finde ich charmant. Somit könnten wir weiterhin direkt in die Tiefgarage fahren und der Grünbereich könnte vergrößert werden durch die schmälere Straße. Links oben im Artikel ist ein Plan für die Grünfläche verlinkt. Sieht doch super aus. Bitte umsetzen.
Schöne Grüße,
Markus Rumpold

So. 20/11/2022 23:43 Permalink
Stefan Nussmüller

Der Artikel ist fehlerhaft recherchiert und polemisch verfasst.
Zum Zeitpunkt des Architekturwettbwerbs lag eine Planung der Verkehsführung Sigmundstadl der Verkehrsplanung (DI Kostka) dem Verfahren ebenso bei, wie ein Städtebauliches Gutachten der Stadt Graz (DI Klinar). Die darin dargestellte Verkehrsführung sah eine Einbahn des Sigmundstadl von der Keplerstrasse aus nach Süd-Osten befahrbar vor. Dadurch blieb vor dem Gebäude viel Platz für den öffentlichen Raum - dessen Aufgabe ihn zu gestalten war und bis heute noch ist.
Ich kann versichern, dass weder das von uns gelpante Haus, noch irgendwelche hier unterstellten Investoren-Interessen je Einfluss auf die vielmaligen veränderten Planungen der Verkehrsführung hatten - im Gegenteil, man hatte uns dazu auch nicht gefragt.
Ich frage mich warum das GAT für solche falschen Behauptungen unreflektiert herhaltet.
mfg, Stefan Nussmüller

Mo. 10/10/2022 13:16 Permalink
Radfahrer

Antwort auf von Stefan Nussmüller

Können Sie, herr Architekt, bitte verständlich erklären, was die Verfasserin des Artikel hier an falschen Behauptungen aufgestellt hat? Wenn sie schreibt: "Nicht die Verkehrsplanung sondern die Stadtbaudirektion und das Stadtplanungsamt hätten diese Entscheidung zu verantworten. Auch der Projektkoordinator aus der Stadtbaudirektion äußert gewisse Unzufriedenheit mit dem jetzigen Ergebnis."
Ich kann Ihre Behauptung von fehlerhafter Recherche und Polemik im Artikel nicht nachvollziehen, weil ich Ihre Argumentation nicht verstanden habe. Und zu GAT, das angeblich "herhaltet" für angeblich falsche Behauptungen: GAT übt keine Zensur aus und lässt der freien Meinungsäußerung Raum, wohl auch in der Erwartung und Hoffnung, dass daraus ein lebendiger Diskurs entstehen kann (nehme ich jedenfalls an). Ein solcher kann jedoch nur entstehen, wenn nicht jeder und jede direkt Beteiligte sofort (wutblind?) in beleidigter Abwehrhaltung reagiert, gar nicht auf die Kritik eingehend, die hier eindeutig eine an Städtebau und Verkehrslösung und Verkehrsstörung direkt vor dem Zugang zum Kindergarten ist. ich kenne die Situation nur vom Vorbeifahren mit dem Rad, aber die Argumente der Frau Architektin (Ausfahrt im spitzen Winkel, noch dazu über einen Radweg u. mehr) leuchten mir ein.

So. 16/10/2022 19:49 Permalink
DI Elisabeth Kabelis-Lechner

Antwort auf von Stefan Nussmüller

Sehr geehrter Herr Architekt Nusmüller!
Der Artikel ist gründlich recherchiert. Ihr Projektleiter hat mir sogar mitgeteilt, dass er kein Problem darin sieht, bis zur Gehsteigkante zu bauen und diesen sogar zu überbauen. Das Baugesetz hätte das so zugelassen.
Die Aufgabe von Architektur ist aber mehr als das Ausnützen von Baugesetzen. Die Aufgabe von Architektur ist es, über den eigenen Grundstücksrand hinauszudenken und auch den Raum davor mitzudenken. Im Rahmen eines Architekturwettbwerbs sollte man eine kritische städtebauliche Auseinandersetzung mit der vorgegebenen Verkehrsführung und der damit erforderlichen Konsequenzen doch wohl voraussetzten dürfen.
Die zuständigen Personen aller beteiligten Ämter wurden von mir interviewt und deren Informationen und Aussagen korrekt wiedergegenben.
Die Stadt Graz ist aus dem Wettbewerbsverfahren nach Grazer Modell angeblich deswegen ausgestiegen, weil der Investor nur alleine über das Ergebnis des Wettbewerbs entscheiden wollte. Das bedeutet, dass hier Investoreninteresse Vorrang hatte.
Architekturkritik hat übrigens nichts mit Polemik zu tun. Architekten und zuständige Beamte müssen es aushalten, kritisert zu werden.

So. 16/10/2022 13:53 Permalink
Netzwerktreffen
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